09.12.2012 Aufrufe

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Selbstregierung in Form eines polizeistaatlichen Zwangssystems sei<br />

demoralisierend, da sie die Jugendlichen an den Umgang mit Polizei, Gericht<br />

und Gefängnis gewöhne.<br />

Als Sommerlager sei dies vielleicht vertretbar, nicht aber für ein Dauerheim.<br />

Überhaupt erschien es vielen Kritikern prinzipiell brutal und demoralisierend,<br />

wenn Jugendliche ihre Kameraden zu zum Teil wochenlangen191 Gefängnisstrafen<br />

verurteilten. George hielt das Republikgefängnis für gen<strong>aus</strong>o<br />

notwendig wie die Gefängnisse <strong>der</strong> USA. Das Strafmaß in <strong>der</strong> Junior Republic<br />

betrug meist nur einen Bruchteil dessen, was staatliche Richter für<br />

dasselbe Delikt verhängten. Und im Republikgefängnis gab es keine brutalisierende<br />

Gefängnissubkultur192 , kein Prestige des harten Burschen, und<br />

bei <strong>der</strong> Entlassung gab es keine Akten, keine Stigmatisierung und keine<br />

Reintegrationsprobleme.<br />

Die Junior Republic antwortete auf die Vorwürfe mit einer Gegenuntersuchung<br />

durch die Prominenten des Advisory Committee. Sie versprach Abhilfe<br />

bei einigen Mängeln, verteidigte aber die Republikprinzipien:<br />

1.Das familienartige Cottage-System werde umgehend eingeführt, ein Lehrer<br />

sei bereits eingetroffen, und auch für bessere Sanitäranlagen und Ausbildungswerkstätten<br />

werde umgehend gesorgt.<br />

2.Die Erfahrungen mit <strong>der</strong> Koedukation seien positiv, eine völlige Geschlechtertrennung<br />

würde das Erlernen des angemessenen Verhaltens zueinan<strong>der</strong><br />

gerade unmöglich machen. In <strong>der</strong> Republik seien Jugendliche vor sexuellen<br />

Angriffen weit<strong>aus</strong> sicherer als im Slum. Und dazulernen könnten Slumjugendliche<br />

auf sexuellem Gebiet sowieso <strong>nichts</strong> mehr.<br />

3.In <strong>der</strong> Junior Republic gehe es um Erziehung und um das Erlernen von<br />

Selbständigkeit, nicht um das Erzwingen richtigen Verhaltens. Die Erwachsenen<br />

erzögen hier durch Vorschläge und Überzeugung, nicht durch Befehle.<br />

Das Gericht sei erzieherischer und wirkungsvoller als alle nur denkbaren<br />

Zwangsmaßnahmen von Erwachsenen es sein könnten. Das Gericht drücke<br />

die öffentliche Meinung <strong>der</strong> Kameraden <strong>aus</strong>, und dieser Meinungsdruck ihrer<br />

eigenen Gruppe lasse auch völlig verhärtete und von Erwachsenen nicht<br />

mehr ansprechbare Jugendliche zusammenbrechen. Die Selbstregierung sei<br />

nicht demoralisierend, son<strong>der</strong>n erzeuge im Gegenteil einen starken und<br />

echten (!) Respekt vor Gesetz, Ordnung und Autorität.<br />

191 Nach Holl (1971: 263, 301) betrug die Höchststrafe einen Monat. George und Stowe<br />

(1912: 105) berichten jedoch von einer achtmonatigen Strafe, George (1909: 177) berichtet<br />

sogar von zwei einjährigen Gefängnisstrafen.<br />

192 Hier ist zu berücksichtigen, daß es zu dieser Zeit noch keine geson<strong>der</strong>ten Jugendgefängnisse<br />

gab und es gelegentlich vorkam, daß zwölfjährige Kin<strong>der</strong> und Gewohnheits-<br />

Verbrecher ge-<br />

meinsam in dieselbe Zelle gesperrt wurden. Die Jugendgerichtsbewegung und die Junior<br />

Republics arbeiteten eng zusammen.<br />

219

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!