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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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schlammigen unbefestigten Wege, eine beträchtliche Unordnung und Unsauberkeit<br />

sowie die Kopfläuse machten das Leben ungemütlich. Die offenbar<br />

mangelhafte Betreuung dürfte mit Georges Nichteingriffspolitik zusammenhängen.<br />

Man hatte z. B. versäumt, den Kuhstall bei <strong>der</strong> Umwandlung in einen<br />

Schlafsaal vom Dünger zu reinigen, und viele <strong>der</strong> meist 12 - 13jährigen Jungen<br />

gingen hier trotz Schlamm und Kuhdreck mit Schuhen ins Bett.<br />

Die Dauerbürger hatten im Winter ein Gesetz erlassen, nach dem das Bürgerrecht<br />

erst nach einmonatigem Aufenthalt erworben wurde. Dies entrechtete<br />

die Sommerbürger zu Bürgern zweiter Klasse. Durch die üblichen häufigen<br />

Gefängnisstrafen in den ersten Wochen verloren viele zudem das passive<br />

Wahlrecht und verbrachten beträchtliche Teile ihres Erholungsurlaubes mit<br />

harter Gefangenenarbeit beim Steinebrechen. Die Sommerbürger und Sommerhelfer<br />

waren entsprechend verärgert. Schließlich war die Republik ursprünglich<br />

und eigentlich eine reine Sommerrepublik gewesen! Am Ende des<br />

Sommers lieferten die Helfer <strong>der</strong> Dauerrepublik und die Sommerhelfer dem<br />

Vorstand getrennte Berichte ab, in denen sie sich gegenseitig schwer beschuldigten.<br />

Nach längerem Streit beschloß <strong>der</strong> Vorstand, die Sommerrepubliken<br />

aufzugeben. Die Sommerfraktion organisierte sich als Industrial Colony<br />

Association of New York City und führte einige Jahren lang Sommerrepubliken<br />

durch in Gardner, Ulster County, New York. Der Sommerhelfer W.<br />

L. Gill begann 1897 mit seiner School City (vgl. dazu Kapitel 11.1.).<br />

Die Lokalzeitung berichtete Mitte August 1897 mehrfach in großer Aufmachung<br />

über die Mißstände und Streitigkeiten. Dies veranlaßte die staatlichen<br />

Wohlfahrtsbehörden zu einer offiziellen Untersuchung190 .<br />

Das an Anstaltsordnung gewöhnte Untersuchungskomitee kritisierte nicht<br />

nur Unordnung, Mangel und Georges unbestreitbare verwalterische Unfähigkeit,<br />

son<strong>der</strong>n auch Grundprinzipien <strong>der</strong> Republik selbst. Vor allem um drei<br />

Punkte ging es:<br />

1.Mangelndes Familienleben und mangelhafte Schul- und Berufs<strong>aus</strong>bildung.<br />

2.Die Koedukation, die als solche mit sexueller Unmoral in Verbindung gebracht<br />

wurde.<br />

3.Praktisch das gesamte Selbstregierungssystem. Prinzipielle Nichteinmischung<br />

und Selbstregierung könnten die Ordnung und Hygiene nicht gewährleisten.<br />

(Und es war tatsächlich dreckig und unordentlich!).<br />

190 Siehe dazu Holl (1971: 117 ff, 297 ff.); Official Investigations... (1898); sowie (sehr beschönigend)<br />

George (1909: 156 ff.).<br />

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