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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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und auch die Jugendverwahrlosung 175 des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts in extremer<br />

Form. Für Kin<strong>der</strong> war hier <strong>der</strong> Mangel an sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

unerträglich. Die traditionellen ländlichen Jugendbeschäftigungen wie<br />

Jagen, Fischen, Hüttenbauen, Floßfahren und Schwimmen sind den Großstadtslum-Kin<strong>der</strong>n<br />

unmöglich. Spielplätze gab es nicht, Ballspiele <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

wurden polizeilich verfolgt: im Hinterhof als H<strong>aus</strong>friedensbruch, auf <strong>der</strong><br />

Straße als Belästigung <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Zwei Drittel aller Jugendgerichtsklagen<br />

in New York beruhten damals auf dem Belästigungsparagraphen<br />

(Monroe 1911, Vol. III: 576). Vergnügen und Verbrechen galten den Straßenkin<strong>der</strong>n<br />

so bald als identisch. Die interessanteste Spielmöglichkeit boten<br />

die kämpfenden und stehlenden Banden streunen<strong>der</strong> Straßenkin<strong>der</strong>. Die Polizei<br />

war ihr natürlicher Feind, den mutig zu bekämpfen Ehrensache war.<br />

Die Jugendbandenkriminalität 176 - ein typisches Großstadtproblem - wurde<br />

in New York zum Massenphänomen, und hier entwickelten sich auch neue<br />

Lösungsansätze.<br />

Bei <strong>der</strong> extremen Frontstellung zwischen Polizei und Jugendlichen waren<br />

Verhaftung und Verurteilung zu Heimaufenthalt o<strong>der</strong> Gefängnisstrafen keinerlei<br />

Schande mehr. Im Kameradenkreis waren Gefängnisstrafen eine Ehre,<br />

<strong>der</strong> Ausweis des harten, tapferen Burschen, <strong>der</strong> Weg zum Sozialprestige<br />

schlechthin.<br />

In manchen Banden 177 mußten die Mitglie<strong>der</strong> Gefängnisstrafen nachweisen,<br />

um in die Führungsgruppe aufzusteigen zu können. Damit war die Polizei<br />

völlig machtlos, denn ihre Strafe wirkte wegen <strong>der</strong> dagegenstehenden mächtigen<br />

Gruppennormen nicht mehr abschreckend, son<strong>der</strong>n geradezu belohnend<br />

178 .<br />

Neue Methoden mußten her! Vor allem die ehrenamtlichen Sozialarbeiter<br />

<strong>der</strong> kirchlichen Missions- und Settlementhäuser in den Einwan<strong>der</strong>erslums<br />

bemühten sich, Armut, Verwahrlosung, Unselbständigkeit und Kriminalität zu<br />

bekämpfen. Neben direkten Hilfen bemühten sie sich um die Erziehung <strong>der</strong><br />

Bewohner <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>er-Slums, um die Amerikanisierung <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>er.<br />

Dabei ging es primär um Sprachunterricht, Erklärung von Idee<br />

175 Vergleiche zu diesem Abschnitt Holl (1971) sowie Monroe (1911, Vol. I: 438 (Boys<br />

Clubs); Vol. III: 575 - 580 (Juvenile Delinquency)).<br />

176 In den letzten hun<strong>der</strong>t Jahren scheint sich das Problem nicht wesentlich verän<strong>der</strong>t zu haben,<br />

wie <strong>der</strong> sehr einfühlsame Bericht des Frankfurter Polizeihauptkommissars Prase<br />

(1987) über sein Praktikum bei <strong>der</strong> Polizei in Chicago zeigt. Vergleiche zur vorstehenden<br />

Beschreibung Holl (1971: 64 - 72).<br />

177 Ein Beispiel ist die Graveyard-Gang in New York, die von W. R. George betreut wurde,<br />

und <strong>der</strong>en Führungsgruppe Sons of arrest (Holl 1971: 68).<br />

178 Für Manhattan bestätigt dies auch die beeindruckende Autobiographie von Claude<br />

Brown (1965). Riemermann (1947: 44) berichtet sogar von fälschlich gestandenen Verbrechen,<br />

die dies Prestige erbringen sollten (bei Jugendlichen im 2. Weltkrieg in <strong>der</strong> Sowjetunion).<br />

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