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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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eim Lernen helfen sollte und <strong>der</strong> dafür gewisse Arbeiten für den Älteren zu<br />

verrichten hatte. Diese persönlich-privaten Beziehungen und Dienstverhältnissen<br />

orientierten sich eher am Modell <strong>der</strong> Familie als dem des Staates.<br />

Es entwickelte sich schnell das genaue Gegenteil <strong>der</strong> beabsichtigten Wirkung.<br />

Die Älteren und die Inspektoren bildeten eine Art nächtlich umherschwärmende<br />

Schularistokratie und mißbrauchten ihre Strafgewalten rücksichtslos,<br />

indem sie die Jüngeren nach Belieben bestahlen, beraubten, erpressten,<br />

brutal prügelten und gnadenlos quälten. Die harten Strafdrohungen <strong>der</strong><br />

Lehrer gegen solchen Veteranismus o<strong>der</strong> Pennalismus wurden außer Kraft<br />

gesetzt durch die noch härtere Terrordrohung <strong>der</strong> Veteranen gegen jeden Verräter.<br />

Die Lehrer konnten Verräter nicht schützen und blieben so machtlos.<br />

Die gequälten Schüler hielten sich einige Jahre später dann an an<strong>der</strong>en<br />

schadlos und übten ihr so hart erworbenes Recht zu quälen an <strong>der</strong> nächsten<br />

Generation <strong>aus</strong>.<br />

Metzenthin (1915: 30 - 47) beschreibt diese Entwicklung anhand einer <strong>der</strong><br />

ältesten und bedeutendsten Landesschulen, <strong>der</strong> 1543 gegründeten sächsischen<br />

Landesschule in Pforta. Erst zur Zeit <strong>der</strong> Französischen Revolution brachte<br />

die Begrenzung <strong>der</strong> Unterordnungspflicht <strong>der</strong> Jüngeren eine deutliche Besserung,<br />

aber vorübergehend auch die völlige Zügellosigkeit dieser Jüngeren.<br />

Schon seit den 1760er Jahren war eine fröhlich-offenherzige, unbefangene<br />

und gar nicht pedantische Lehrergeneration an die Schulen gelangt. Sie suchte<br />

die alte starre äußerliche Disziplin und die Unterordnung <strong>der</strong> Schüler zu beseitigen.<br />

Diese Lehrer fassten die Schüler eher an ihrer Ehre als an <strong>der</strong> Strafangst,<br />

zeigten Verständnis für die Jugend, gewährten größere Freiheiten<br />

(Ausgang!) und trieben gern Späße mit den Schülern.<br />

Ein von Metzenthin (1915: 43) zitierter Bericht darüber von 1795 könnte<br />

ebensogut auch Reformpädagogen von 1920 beschreiben!<br />

Rektor Ilgen entsprach den neuen Vorstellungen in Pforta, als er um 1803<br />

die Strafrechte <strong>der</strong> Älteren ganz aufhob, zum Ausgleich aber neue Freiheiten<br />

wie Ausgang einführte.<br />

Nur das neue wöchentliche Schulgericht (Synode <strong>aus</strong> Lehrern) des<br />

Schulstaats hatte nun Strafgewalt. Hier waren die Veteranen in öffentlicher<br />

Sitzung <strong>der</strong> öffentlichen Kontrolle unterworfen, hier kamen die heimlichen<br />

persönlichen Übergriffe von Veteranen ans Licht, wurden hart bestraft und<br />

kamen bald kaum noch vor.<br />

Die Inspektoren waren dem Schulgericht für gutes Verhalten <strong>der</strong> ganzen<br />

Schule verantwortlich. Trotz des Entzuges <strong>der</strong> Strafbefugnis blieb so ihr hohes<br />

Ansehen gewahrt. Sie wurden für alle Vorfälle gelobt und getadelt. Im<br />

Gegenzug trugen sie die Vergehen <strong>der</strong> Schüler vor.<br />

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