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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Meistens hatten Neills Maßnahmen Erfolg, wenn auch nicht immer so<br />

rasch, wie er es in seinen Büchern darstellt.<br />

Diese Erleichterung (etc.) von Fehlverhalten ist häufiger als Permissivität<br />

und Aufhebung aller Regeln mißverstanden worden. Bei Neills (von Lane<br />

übernommener) Ermutigung (fast) aller (auch <strong>der</strong> verbotenen!) Verhaltensweisen<br />

darf jedoch nicht vergessen werden, daß nicht Neill, son<strong>der</strong>n die<br />

Schulgemeinde die Regeln aufstellte und Regelbrüche sanktionierte, Neill also<br />

Regeln nicht außer Kraft setzen und Regelbrüche nicht erlauben konnte.<br />

Er konnte aber (ebenso wie jedes Kind auch) selbst die Regeln brechen,<br />

konnte dazu anstiften, dazu ermutigen, konnte sich auch daran beteiligen und<br />

konnte ebenso dafür bestraft werden 165 . Gerade diese Möglichkeit, auch den<br />

Leiter für Regelbrüche zu bestrafen, demonstriert deutlich, daß die Autoritäts-<br />

Rolle <strong>der</strong> Gemeinschaft zufiel, <strong>der</strong> Schulgemeinde. Im Gegensatz zu normalen<br />

Schulen und Heimen bedeutet eine Unterstützung und Ermutigung durch<br />

den Leiter hier keineswegs eine Erlaubnis! Dies ist vielfach übersehen worden.<br />

Außerdem sind die Regelbrüche Neills keineswegs die Regel, son<strong>der</strong>n seltene<br />

Ausnahmen, die stets therapeutischen Zwecken dienten. Neill führt sie an<br />

zur Beschreibung seiner (<strong>nichts</strong>trafenden therapeutischen) Haltung zu Kin<strong>der</strong>n.<br />

Da diese Strafen nicht abschrecken 166 , son<strong>der</strong>n psychologisch wirken<br />

sollten, kamen auch Strafen mit <strong>aus</strong>gesprochenem Belohnungscharakter vor.<br />

Ein Mädchen bekam z. B. zur Strafe ein Kätzchen geschenkt, das sie aber nur<br />

solange behalten durfte, wie sie gut für es sorgte.<br />

Das Prinzip, Fehlverhalten zu belohnen statt zu bestrafen, setzt die Regel<br />

nicht außer Kraft. Wo die Regel doch außer Kraft gesetzt wurde - wie<br />

bei <strong>der</strong> Verpflichtung eines Kindes zum täglichen Diebstahl, bei Strafe des<br />

Taschengeldentzugs - ging es wohl gerade darum, den Rebellen durch das<br />

„Neill hat ein eindrucksvolles Mittel, diese Banden zu sprengen: er belohnt die Anführer<br />

und bestraft die Bandenmitglie<strong>der</strong>. Dadurch geht die Bande kaputt.“ (Der Mythos Summerhill,<br />

1971: 40)<br />

165 So wurde Neill vor <strong>der</strong> Vollversammlung angeklagt und zu 5 Shilling Strafe verurteilt,<br />

weil er das vom gesamten Personal gemeinsam angeschaffte Schulauto verschenkt und<br />

erlaubt hatte, es in seine Einzelteile zu zerlegen. Dies war Neill (ohne es zu merken) unterlaufen,<br />

als ein sich extrem an ihn anlehnen<strong>der</strong> schwieriger Schüler den in seiner<br />

<strong>Wer</strong>kstatt vor sich hinarbeitenden Neill beständig mit Fragen plagte, auf die <strong>der</strong> möglichst<br />

wenig reagierte und dann im falschen Moment zustimmend brummte. (Croall<br />

1984: 179 f.)<br />

166 Die Geldbußen für Standard-Ordnungswidrigkeiten (wie nächtlicher Lärm) hatten durch<strong>aus</strong><br />

die Aufgabe, ein Minimum an Ordnung zu sichern. Sie gelten aber nur für kleinere<br />

Vergehen und sind relativ gering, so daß man kaum von Abschreckung reden kann.<br />

Segefjord (1971: 45) beobachtete 1966, daß die Abschreckung dementsprechend gering<br />

war: „Und mir fiel auch auf, daß <strong>der</strong> Verurteilte nur selten herummaulte. Man stellte offensichtlich<br />

an, was man wollte, brach die und die Gesetze und nahm die Stunde, in <strong>der</strong><br />

man Rechenschaft abzulegen hatte, als das, was sie war: den Preis für das Vergnügen, das<br />

man gehabt hatte.“<br />

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