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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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suchte, trat Neill als erster bei und bekam deshalb prompt Ärger mit dem<br />

Koch und den Stubenmädchen. Beson<strong>der</strong>s berühmt wurde die Geschichte,<br />

wie Neill gemeinsam mit einem Kind Fensterscheiben seiner Schule einwarf<br />

163 . Neill tat dies nachweislich, jedoch äußerst selten, denn er war ein<br />

sehr sparsamer Schotte, <strong>der</strong> jegliche Zerstörung hasste.<br />

– Belohnung statt Bestrafung von Fehlverhalten. Beson<strong>der</strong>s bei Diebstählen<br />

o<strong>der</strong> Betrug, wenn Grund zur Annahme besteht, daß ein sich ungeliebt<br />

wähnendes Kind sich symbolisch Liebe stiehlt, die man ihm ebensogut<br />

symbolisch in Form eines Geschenkes geben kann, wurde dies Prinzip häufiger<br />

auch durch H<strong>aus</strong>mütter und die Schulversammlung erfolgreich angewandt.<br />

Wohlgemerkt: dies gilt speziell für solche Fälle, in denen als Grund<br />

des Diebstahls nicht utilitaristische Bereicherungsabsicht, son<strong>der</strong>n innerer<br />

psychischer Zwang angenommen werden kann:<br />

„Ich wandte die Methode vor vielen Jahren an, als ich es mit pathologischen Dieben<br />

zu tun hatte. Mit gewöhnlichen Dieben befaßt sich die Schulgemeinde. Es ist nicht so<br />

wichtig; die meisten Kin<strong>der</strong> stehlen, wenn sie in Versuchung kommen“ ... (Neill<br />

1971b: 60).<br />

Stehlen war zwar verboten und strafbar, galt aber nicht als moralisch verwerflich,<br />

son<strong>der</strong>n als (in gewissem Alter) eher normal.<br />

Alle diese Beispiele demonstrieren zunächst ein nicht moralisierendes Akzeptieren<br />

<strong>der</strong> (auch destruktiven) Wünsche und Handlungen des Kindes.<br />

Dies zwingt das Kind aber zugleich (mangels äußerer Grenzen) zur inneren<br />

Selbstbegrenzung des eigenen Betragens. Denn Kin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

wissen sehr gut, daß es nicht angeht, Mobiliar und Einrichtung zu zerstören,<br />

und daß solches Betragen ein klarer Regelverstoß ist (und bleibt!). Hinzu<br />

kommt, daß Regelverstöße vielfach Racheakte und Rebellion gegen die Autorität<br />

von Erwachsenen sind. Wenn <strong>der</strong> Erwachsene sich (durch aktive Beteiligung,<br />

Anstiftung, Unterstützung o<strong>der</strong> Belohnung) an <strong>der</strong> Rebellion gegen<br />

sich selbst beteiligt, verliert die Rebellion ihren Sinn und bricht zusammen<br />

164 .<br />

163 Im Laufe <strong>der</strong> Jahre vergrößerte die Legende die Anzahl <strong>der</strong> Fensterscheiben, und die Geschichte<br />

war ein Sensations-Element für die Schule, das Neill mit großer Freude häufig<br />

und <strong>aus</strong>führlich beschrieb, womit er zur Vorstellung <strong>der</strong> wilden, ungehemmt alles zerstörenden<br />

Kin<strong>der</strong> beitrug (vgl. Neill 1971b: 60 f.; Croall 1984: 185 f.). Der Sinn <strong>der</strong> seltsamen<br />

Maßnahme, nämlich die Zerstörungswut zu heilen und weitere Zerstörungen zu<br />

verhin<strong>der</strong>n (!), geriet <strong>der</strong> Öffentlichkeit leicht <strong>aus</strong> dem Blick.<br />

164 „Bill schmiß nicht einfach Fensterscheiben ein, er protestierte gegen die Autorität <strong>der</strong><br />

Erwachsenen, und als ich dabei mitmachte, brachte ihn das in Verlegenheit ... Ein Erwachsener,<br />

<strong>der</strong> Fenster einschmeißt? Rückblickend finde ich, es war ein bißchen unfair,<br />

ihm den Spaß zu ver<strong>der</strong>ben.“ (Neill 1982: 265; ... dort)<br />

Als ein Junge wütend seine Matratze zerfetzte, unternahm Neill <strong>nichts</strong> weiter, nahm lediglich<br />

beiläufig eine Tasse und zerschmetterte sie auf dem Boden, woraufhin <strong>der</strong> Junge<br />

sofort aufhörte (Croall 1984: 185).<br />

184

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