Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

(zumindest prinzipiell) lernbar 135 .
Erzieherpersönlichkeit und Erziehungsmethode sind also keine Gegensätze,
sondern lediglich die praktische und die theoretisch-abstrakte Seite
derselben Sache.
Bei der hier betrachteten psychoanalytischen Erziehung, die nicht mit
Verhaltensbeeinflussung und Verhaltenszwang durch einzelne Erzieher-
Maßnahmen arbeitet, sondern mit engen liebevollen emotionalen menschlichpersönlichen
Beziehungen den Aufbau von Haltungen (Liebespädagogik,
Vorbildpädagogik, Übertragungsbeziehungen) fördern will, hat die Erzieher-Persönlichkeit
als der wesentliche Erziehungsfaktor aber eine ungleich
größere Bedeutung als in anderen 136 Konzepten.
Erziehung ist hier wesentlich Liebesbeziehung (Übertragungsbeziehung)
zwischen relativ 137 unaustauschbaren Partnern, in der das Kind selbst von
sich aus dem geliebten (und kompetenteren) Erwachsenen ähnlicher werden
will.
Dabei geht es nicht um besondere Genialität und Größe der Erziehungspartner:
Mütter und ihre Kinder würden einander nicht gegen andere Mütter
oder Kinder tauschen, auch wenn andere Mütter / Kinder im Durchschnitt
zweifellos ebenso gut und fähig wie die / das eigene wären. Dasselbe gilt für
andere Liebespartner: sie sind - relativ - unaustauschbar, ohne daß sie deshalb
besser sind als andere. Und obwohl sie eigentlich in keiner Weise etwas Besonderes
sind, haben sie für den jeweiligen Partner doch eine ganz besondere
und besonders große - fast unaustauschbare - Bedeutung.
8.7.2.2. Größe und Genie
Lane, Neill, George und vielen anderen wird häufig eine besonders geniale
und große (d. h. vermutlich: besonders wirkungsmächtige) Erzieherpersön-
135 Sie sind zumindest durch bestimmte Lebens-, Denk- und Ausbildungs- Formen förderbar
und behinderbar. Vielleicht spricht man besser von sozialisierbar statt erlernbar. Allerdings
kann dies (Um-) Lernen wohl nicht häufig und nicht unter beliebigen Umständen
und auch nicht unbedingt leicht geschehen, da dadurch die gesamte Persönlichkeit eines
Menschen (um-) strukturiert wird. Dieses Lernen / Verlernen dürfte sich vor allem in der
Kindheits- und Jugendphase (Erziehung / Sozialisation) und bei seltenen Bekehrungs-
Erlebnissen abspielen.
136 Erziehung im engeren Sinne, Erziehung der Persönlichkeit, ist mehr als bloße Konditionierung
und beruht wesentlich auf einer Art von Liebesbeziehungen. Das gilt nicht nur
für psychoanalytische Erzieher wie Lane, Wills, Neill, Aichhorn, Bernfeld etc., sondern
für die Psychoanalyse generell. Doch gilt dies ebenso auch bei keineswegs psychoanalytischen
Erziehern wie Lindsey, beim Foersterschen Konzept der Persönlichkeitserziehung
und faktisch sogar bei Erziehern, die dies theoretisch leugneten, wie George und Osborne.
137 Wirkliche Liebespartner sind nicht ohne weiteres austauschbar. Wechsel sind zwar prinzipiell
möglich und können gelingen, sind aber in der Regel einschneidend und häufig
dramatisch, etwa Trennung, Scheidung, Verwitwung, Elternverlust und Ersatzeltern
(Adoption, Heimerzieher, Stiefeltern) sowie die therapeutische Übertragung.
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