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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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8.7.2. Die ‚Grosse Erzieherpersönlichkeit‘<br />

Viele Autoren äußern sich irgendwie irgendwo einmal zur Frage, ob für die<br />

- nie bestrittenen - Erfolge selbstregierter Einrichtungen eine geborene o<strong>der</strong><br />

geniale Erzieherpersönlichkeit verantwortlich ist, o<strong>der</strong> aber eine bestimmte<br />

Methode, also lehr- und erlernbare Erziehungsprinzipien.<br />

Auffälligerweise behaupten viele Praktiker <strong>der</strong> Selbstregierung, eine von<br />

ihnen jeweils beschriebene, erlernbare und zur Nachahmung empfohlene Methode<br />

entdeckt o<strong>der</strong> übernommen zu haben und zu praktizieren, während<br />

Besucher, Journalisten sowie die Sekundärliteratur häufig das persönliche<br />

Genie rühmen 129 und die Anwendung <strong>der</strong> Methode ohne ein sol-<br />

129 Viele Besucher und Freunde <strong>der</strong> George Junior Republic waren überzeugt, daß die Erfolge<br />

<strong>der</strong> Republik einzig Georges charismatischer Persönlichkeit zuzuschreiben waren<br />

und nicht seinen Methoden: daß die Republik also letztlich eine one man affair sei. George,<br />

Osborne und die übrigen Mitarbeiter protestierten heftig dagegen (Holl 1971: 256<br />

f., 281), sie sahen die Erfolgsursache in <strong>der</strong> (richtig erkannten) Natur (=Instinkte) <strong>der</strong><br />

(=aller) Jugendlichen selbst, sowie in <strong>der</strong> darauf aufbauenden Methode, Jugendliche die<br />

(üblen / guten) Folgen ihres (üblen / guten) Handelns spüren zu lassen, woraufhin die Jugendlichen<br />

das (erlernte) schlechte Verhalten als erfolglos ablegen und das erfolgreiche<br />

gute beibehalten würden. Eigentlich war ihrer Meinung nach die Aufgabe rein negativ, es<br />

ginge gar nicht um aktive Erziehung, son<strong>der</strong>n darum, die unsinnige Einmischung Erwachsener<br />

(Eltern, Pädagogen etc.) in diesen quasi natürlichen Lern-Prozeß zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Auch Blumenthal (1909: 77) setzt bei <strong>der</strong> Kurzbeschreibung <strong>der</strong> George Junior Republic<br />

auf die Persönlichkeit: „Die Jugendrepublik hat unleugbare Erfolge gehabt, die ihr<br />

Begrün<strong>der</strong> lediglich dem von ihm gewählten System zuschreibt, die jedoch wohl nur zum<br />

Teil hierauf, im übrigen jedoch auf die herzgewinnende Persönlichkeit des Leiters, <strong>der</strong><br />

wirklich jedem seiner Zöglinge ein Vater im besten Sinne des Wortes ist“... (zwei Seiten<br />

weiter schreibt er auch den Erfolg des teilweise selbstverwalteten House of Refuge in<br />

Philadelphia <strong>der</strong> Persönlichkeit <strong>der</strong> Leiterin zu und fährt fort: „Überhaupt habe ich den<br />

Eindruck gewonnen, daß <strong>der</strong> Erfolg einer Anstaltserziehung nicht nur von dem Bauplan<br />

und <strong>der</strong> Zweckmäßigkeit in Einrichtung, Erziehung und Unterricht, son<strong>der</strong>n vor allem<br />

von <strong>der</strong> Persönlichkeit abhängt, die an <strong>der</strong> Spitze steht.“<br />

Auch Lane wehrte sich entschieden und erbittert gegen die Anschuldigung, eine große<br />

Persönlichkeit und ein Genie zu sein, und beharrte darauf, lediglich eine (neue) wissenschaftliche<br />

Methode anzuwenden. Mit <strong>der</strong> Persönlichkeit war die Vorstellung eines auf<br />

die Jugendlichen <strong>aus</strong>geübten hypnoseähnlichen Einflusses verbunden, mit dem man seinen<br />

Willen aufdrängt. Solchen Einfluß sah Lane als äußerst demoralisierend an, als Ursache<br />

aller Probleme, nicht als ihre Heilung. Doch sahen nicht nur die Besucher Lanes<br />

Persönlichkeit als den wesentlichen Wirkfaktor an, son<strong>der</strong>n auch die Jugendlichen und<br />

die Haupt-Mitarbeiterin selbst (Lytton, Vorwort zu Bazeley 1948: 10 f.).<br />

„I related this incident to a friend some times later, and he spoke about the great power of<br />

‚personality‘ as an influence on children's conduct, so I suspected that he had not seen the<br />

point of the story. ‚Not everyone is able to exert such an influence upon boys' said he,<br />

intending his remark to be a compliment. I knew then that he had not been a close observer<br />

to children. He was a schoolmaster. He used the word ‚personality‘ loosely in the sense<br />

of some sort of hypnotic power over the will of another; such a power was, in his opinion,<br />

a very desirable quality in the teacher, and saved much trouble. I tried to enlighten<br />

him. ‚Any degree of hypnotism - the subjection of one will to another - is utterly demoralizing<br />

to any person<br />

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