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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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die Kleineren, die ihre Stimme häufig nach <strong>der</strong> Mehrheit o<strong>der</strong> nach ihren bewun<strong>der</strong>ten<br />

Helden (dies waren oft ältere Schüler) abgaben.<br />

Neills unsinnige Anträge und sein manchmal merkwürdiges Abstimmungsverhalten<br />

könnten ein Versuch gewesen sein, dem entgegenzuwirken 128 .<br />

Neill verbot den nur <strong>aus</strong> (äußerlichem) Verpflichtungsgefühl lernenden<br />

Kin<strong>der</strong>n auch den Unterrichtsbesuch solange, bis sie wirklich lernen wollten<br />

und erlaubte ihnen die Onanie <strong>aus</strong>drücklich. Wenn ein Unterrichts-Gebot und<br />

ein Onanie-Verbot Eingriffe sind, muß auch Neills umgekehrtes Handeln als<br />

Eingriff betrachtet werden.<br />

Pädagogisches Nicht-Eingreifen könnte als laissez-faire gedeutet werden,<br />

wenn es wirklich <strong>nichts</strong> weiter als bloße Untätigkeit wäre. Doch wo Neill untätig<br />

erscheint, ist dies keine bloße Untätigkeit, kein bloßes Nichtstun, son<strong>der</strong>n<br />

Zurückhaltung innerhalb einer zuvor gezielt geschaffenen und beständig<br />

aktiv aufrechterhaltenen erzieherischen Umgebung. Das alltägliche Zusammenleben<br />

kann als Aneinan<strong>der</strong>reihung bewußter praktischer Versuche mit<br />

den unterschiedlichsten Organisations- und Verhaltensformen sowie als<br />

ständiger intensiver Diskussionsprozeß (Selbstregierungs-Versammlungen!)<br />

darüber gewertet werden, wobei Erfahrungen gelegentlich auch scheinbar<br />

beiläufig gezielt organisiert werden können. Aus praktischer Kenntnis möglichst<br />

<strong>der</strong> gesamten Bandbreite aller möglicher Erfahrungen, <strong>aus</strong> eigener tatsächlicher<br />

praktischer Erfahrung von Handlungsfolgen (also keineswegs<br />

willkürlich, son<strong>der</strong>n allerbestens fundiert!) sollen die Schüler dann selbständig<br />

ihre eigenen Schlüsse ziehen.<br />

manchmal hatten auch sehr kleine Kin<strong>der</strong> die Selbstregierung durch<strong>aus</strong> verstanden, etwa<br />

ein Vierjähriger, <strong>der</strong>, als die völlig entnervte H<strong>aus</strong>mutter mit dem Fuß aufstampfte, weil<br />

alles zu langsam ging, sagte: ‚wenn Du noch einmal mir gegenüber aufstampfst, bringe<br />

ich das vor die Samstagabend-Versammlung‘ (vgl. Croall 1984: 180 f.).<br />

128 Ein Problemkind hatte in den 30er Jahren so viel Schaden angerichtet, daß Neill den<br />

Schaden nicht allein den Eltern abfor<strong>der</strong>n konnte, son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong> Schule einsparen<br />

wollte. Trotzdem stimmte er als Einziger (!) gegen den Verzicht auf die nachmittägliche<br />

Teemahlzeit, weil er seinen Tee so liebte.<br />

„I remember a brick coming through the staffroom window when I was having Tea. She<br />

broke so many windows it was brought up at the general meeting. Neill said he couldn't<br />

put the money on the parents bill bec<strong>aus</strong>e they wouldn't have enough to pay. It was suggested<br />

that the school should go without tea for a time, to cover the cost. I think the idea<br />

was carried; Neill voted against it, bec<strong>aus</strong>e he liked his cup of tea.“ (Ruth Allen, H<strong>aus</strong>mutter<br />

in den 30er Jahren, in Croall 1984: 179)<br />

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