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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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sphäre existiert nicht an sich, son<strong>der</strong>n wird durch handelnde Erzieher täglich<br />

geschaffen und garantiert. Neill erscheint passiv: er läßt praktizieren und tut<br />

selbst scheinbar <strong>nichts</strong>, zumindest <strong>nichts</strong> Beson<strong>der</strong>es. Doch dieses Lassen ist<br />

kein bloßes uninteressiert-passives Dulden <strong>der</strong> beliebigen jeweiligen<br />

Kin<strong>der</strong>aktivität, son<strong>der</strong>n dieses Tun <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> ist von Neill angeregt,<br />

gewollt und unterstützt. Die Selbstregierung war Neills Konzept, bevor<br />

diese Kin<strong>der</strong> kamen.<br />

Die Kin<strong>der</strong> haben nicht die Wahl, ob Summerhill eine demokratische o<strong>der</strong><br />

eine autoritäre Schule sein sollte: Neill diktierte die Demokratie in Summerhill!<br />

Er weigerte sich, ein autoritärer Direktor zu sein und zwang sie dadurch<br />

(ganz bewußt und absichtlich) zur Selbstbestimmung 125 . Und er griff<br />

notfalls auch gewaltsam ein, um diese Demokratie zu schützen, etwa indem er<br />

untragbare Kin<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Schule verwies o<strong>der</strong> eine Weile selbst als Diktator<br />

(vgl. Kapitel 8.6.2.) herrschte.<br />

Auch im Alltag griff Neill durch<strong>aus</strong> 126 ein. Er war in Summerhill eine<br />

her<strong>aus</strong>ragend prominente Person mit extrem großem Prestige, die im Alltag<br />

durch<strong>aus</strong> auch Störer zur Ordnung rief, etwa bei Versammlungen die (stets<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger störenden und dann auch ihm lästigen) Kleinen ermahnte<br />

und grob ungehöriges Benehmen (dem Zauberer seine Utensilien zu entwenden)<br />

einfach verbot. Er tat dies in einer Weise, in <strong>der</strong> auch je<strong>der</strong> Lehrer o<strong>der</strong><br />

ältere Schüler hätte handeln können, als musterhaft verantwortlich handelndes<br />

Gemeinschaftsmitglied (mit Nachdruck seines Prestiges), nicht als Direktor.<br />

Neill fungierte - ob er wollte o<strong>der</strong> nicht - auch bei <strong>der</strong> Meinungsbildung<br />

und bei Abstimmungen als Orientierung und Vorbild 127 , insbeson<strong>der</strong>e für<br />

125 Die Anarchie- und Diktaturperioden dienen dem Beweis, daß Demokratie notwendig ist,<br />

und sind deshalb kein Gegenargument.<br />

126 „Während <strong>der</strong> Versammlung wachte Neill aufmerksam über alles und gab sein Mißfallen<br />

deutlich zu erkennen, wenn einer <strong>der</strong> Kleinen störte. Es fiel mir aber auf, daß er nicht böse<br />

wurde. Es sah beinahe so <strong>aus</strong>, als ob es ihm zuviel Mühe gemacht hätte. Faulheit auf<br />

diesem Gebiet ist etwas sehr Wesentliches; viele Menschen täten gut daran, sich etwas<br />

davon zuzulegen.“ (Segefjord 1971: 21)<br />

Neill hatte manchmal sein Vergnügen daran, den Ton einer Versammlung zu setzen: Er<br />

konnte absichtlich Unfug treiben und herumtoben, um vom Vorsitzenden bestraft zu<br />

werden, und sein Vorschlag, sämtliche Speisesaal-Helferdienste abzuschaffen, brachte<br />

mehrfach wie<strong>der</strong> Leben in schläfrige Versammlungen. Seine - sehr ernsten o<strong>der</strong> auch<br />

weniger ernsten o<strong>der</strong> bewußt unsinnigen - Vorschläge wurden oft abgelehnt, keineswegs<br />

leichten Herzens (vgl. Croall 1984: 179 - 182).<br />

127 Segefjord (1971: 46) beschrieb, daß eine von ihm besuchte Schulversammlung bei einem<br />

komplizierteren Problem offenbar auf eine Äußerung Neills wartete, die dann auch erfolgte<br />

und (neben an<strong>der</strong>en) zur Abstimmung gestellt wurde.<br />

Die Kleinen wurden von den Großen manchmal gezielt beeinflusst, etwa um bestimmte<br />

Kin<strong>der</strong> freizusprechen. Dies Stimmverhalten <strong>der</strong> Kleinen war häufiger Anlaß für den<br />

(stets erfolglosen) Versuch, den unter 11 Jahre alten Kin<strong>der</strong>n das Stimmrecht zu entziehen.<br />

Doch<br />

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