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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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agogisch weitgehend untätig gewesen wäre. Die eigentliche Erziehungstätigkeit<br />

ist in selbstregierten Heimen in <strong>der</strong> Tat schwer zu erkennen, sie<br />

verschwindet hinter <strong>der</strong> so offensichtlichen Tätigkeit <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>. Ein<br />

Vergleich Neills mit einem (fiktiven) traditionellen Erzieher mag das verdeutlichen.<br />

Der traditionelle Erzieher zielt meist unmittelbar kurzfristig auf die Verän<strong>der</strong>ung<br />

des Verhaltens. Zum Zweck <strong>der</strong> Verhaltensän<strong>der</strong>ung ergreift er Erziehungsmaßnahmen:<br />

er lobt, tadelt, belehrt, belohnt, straft etc. Seine Erziehungsmaßnahmen<br />

sind separate abgrenzbare Handlungen, bei denen sowohl<br />

die Tatsache, daß er dabei tätig ist, als auch die gezielt pädagogische Ausrichtung<br />

seiner Tätigkeit offensichtlich sind. Ein enger zeitliche Zusammenhang<br />

macht dabei die gezielte Absicht deutlich. Seine Maßnahmen sind deutlich<br />

als Erziehungsmaßnahmen erkennbar und sollen o<strong>der</strong> müssen auch erkennbar<br />

sein: Ein Lob, das als Lob nicht erkennbar ist, wird schwerlich als<br />

Lob wirken.<br />

Der traditionelle Erzieher handelt ständig in her<strong>aus</strong>gehobener Stellung als<br />

Erzieher, bei ihm ist deshalb seine Erziehungstätigkeit auf den ersten Blick<br />

sichtbar.<br />

Nahezu alle Kennzeichen, die man traditionell mit Erziehung verbindet,<br />

treffen auf Neill nicht zu. Neill sieht sich auch nicht als Erzieher son<strong>der</strong>n<br />

als Psychologe. Diese an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Einwirkung 115 scheint mir<br />

bislang nicht hinreichend beschrieben zu sein.<br />

Neill lehnt eine her<strong>aus</strong>gehobene Stellung ab und will auf gar keinen Fall<br />

das Verhalten <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> unmittelbar beeinflussen, auch die üblichen Erziehungsmaßnahmen<br />

Lob, Tadel, Belehrung, Lohn, Strafe und Drohung lehnt er<br />

betont ab: sie verdürben das Kind. Auch den Versuch, auf indirektem Weg,<br />

z. B. über eine gezielte Auswahl von Einflüssen und (einseitige) Informationen,<br />

den Charakter von Kin<strong>der</strong>n langfristig pädagogisch zu formen, lehnt er<br />

- fast noch entschiedener - ab als die Erbsünde <strong>der</strong> Pädagogik.<br />

Neill hat zwar zweifellos beson<strong>der</strong>e Aufgaben (Finanzen, Verwaltung, Behörden,<br />

Wirtschaftsleitung, Sicherheitsvorkehrungen...), aber das ist noch<br />

nicht eigentlich Erziehung. Seinem direkt beobachtbaren Verhalten nach unterscheidet<br />

er sich (Verwaltung etc. einmal <strong>aus</strong>genommen) kaum von einem<br />

großen Kind. Er läuft herum, redet mit einigen Lehrern und / o<strong>der</strong> Schülern<br />

über dies und das, nimmt ebenso wie an<strong>der</strong>e Lehrer und Schüler an den Versammlungen<br />

teil und ergreift dort gelegentlich auch das Wort. Alldies tut ein<br />

Kind auch.<br />

115 Man könnte erwägen, ob für diese an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Einwirkung, für dieses funktionale<br />

Äquivalent zur traditionellen Erziehung das Wort Erziehung verwendet o<strong>der</strong> ob ein an<strong>der</strong>es<br />

Wort dafür gefunden werden sollte. Hier liegen Vorschläge vor wie Antipädagogik<br />

o<strong>der</strong> Unterstützung.<br />

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