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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Neills radikale Ablehnung einer Beherrschung des Kindes ist dabei überall<br />

deutlich verstanden worden. Sehr häufig mißverstanden wurde aber Neills<br />

Alternative. Viele Befürworter und auch Kritiker konnten sich zwar ein Beherrschen<br />

des Kindes und auch ein Vom-Kind-beherrscht-werden vorstellen,<br />

nicht aber die von Neill gewünschte dritte Möglichkeit: ein weitgehend herrschaftsloses<br />

Zusammenleben als freie, gleichberechtigte Menschen 111 , nicht<br />

als Herrscher und Beherrschte.<br />

Neills ganz <strong>aus</strong>drückliche Ablehnung von Nachgiebigkeit, Verwöhnung<br />

und permissivem völligen Gewährenlassen wurde häufig ignoriert. 112 Neill<br />

111 „Wenn ich jedoch sage: ‚Der mittlere Teil des Gartens ist frisch gepflanzt. Niemand darf<br />

darüber laufen!‘, dann akzeptieren das alle Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> gleichen Weise, wie sie Derricks<br />

Kommando hinnehmen: ‚Niemand darf mit meinem Ball spielen, wenn er mich nicht<br />

vorher gefragt hat!‘“ (Neill 1969: 158)<br />

„Ich bin für die Kin<strong>der</strong> keine Obrigkeit, vor <strong>der</strong> man Angst haben muß. Ich stehe auf<br />

gleicher Stufe mit ihnen, und wenn ich wegen meiner Kartoffeln Krach schlage, dann hat<br />

das für sie nicht mehr zu bedeuten, als wenn ein Schüler sich über seinen durchgestochenen<br />

Fahrradschlauch aufregt. Steht man mit dem Kind auf gleicher Stufe, dann ist gar<br />

<strong>nichts</strong> dabei, mit ihm einen Streit zu haben.<br />

Nun wird man vielleicht sagen: ‚Das ist ja alles Quatsch, es kann keine Gleichheit geben.<br />

Neill hat zu sagen; er ist stärker und klüger.‘ Das stimmt allerdings. Ich bin Herr im<br />

H<strong>aus</strong>, und wenn die Schule in Brand geriete, würden die Kin<strong>der</strong> zu mir gelaufen kommen.<br />

Sie wissen, daß ich stärker bin und mehr weiß. Das hat aber <strong>nichts</strong> zu sagen, wenn<br />

ich ihnen auf ihrem Gebiet begegne - auf dem Kartoffelbeet sozusagen.“ (Neill 1969: 26)<br />

(freie Familie...) „ich behaupte nicht, in einer solchen Familie könnten die Kin<strong>der</strong> tun<br />

und lassen, was sie wollten. Die Erwachsenen haben ihre Rechte. Der Vater muß energisch<br />

sagen, er wünsche nicht, daß sein Wagen beim Spielen als Räuberhöhle benutzt<br />

wird. Mutter hat das Recht zu sagen, daß sie nicht wünscht, daß Mary ihre besten Pfannen<br />

benutzt, um Sahnebonbons zu machen und sie dann ungespült stehen läßt. Da<br />

herrscht faires Geben und Nehmen, und wenn zwischen allen Familienmitglie<strong>der</strong>n ein<br />

liebevolles Verhältnis besteht, hinterlassen solche Unstimmigkeiten we<strong>der</strong> Hass noch<br />

Groll.“ (Neill 1973: 23)<br />

„Einem Kind Freiheit zu geben ist nicht einfach. Es bedeutet, daß wir uns weigern, es<br />

Religion, Politik o<strong>der</strong> Klassenbewußtsein zu lehren.“ (Neill 1969: 120) Wobei Neill hier<br />

unter Lehren wohl nicht die pure Informationsvermittlung, son<strong>der</strong>n das nachdrückliche<br />

Aufdrängen von absoluten Wahrheiten versteht.<br />

„Die Öffentlichkeit glaubt von freien Kin<strong>der</strong>n, daß sie den ganzen Tag Fensterscheiben<br />

einschlagen. Das hat mit Freiheit <strong>nichts</strong> zu tun. Freiheit in Summerhill bedeutet, daß man<br />

sein Leben lebt ohne an<strong>der</strong>e zu belästigen und daß die an<strong>der</strong>en einen nicht belästigen.<br />

Wenn Kin<strong>der</strong> erst im Alter von zwölf o<strong>der</strong> dreizehn zum erstenmal in ihrem Leben Freiheit<br />

angeboten bekommen, wissen sie nicht, was das bedeutet; sie brauchen eine ganze<br />

Zeit, bis sie entdecken, daß es nicht gleichbedeutend ist damit, daß sie tun und lassen<br />

können, wozu sie gerade Lust haben. Darüber kann man sich klar werden, wenn man einen<br />

Blick auf das Schwarze Brett wirft, wo einige <strong>der</strong> gültigen Gesetze angeschlagen<br />

sind, und wenn man an <strong>der</strong> Samstagabend-Versammlung teilnimmt. Wie in jedem an<strong>der</strong>en<br />

System gibt es auch bei uns Übertretungen <strong>der</strong> Gesetze, aber man kann ohne Übertreibung<br />

sagen, daß die Kin<strong>der</strong> hier die Gesetze besser einhalten, als die Gesetze von <strong>der</strong><br />

Gesellschaft eingehalten werden. Das gilt nur für die inneren Verhältnisse, aber es gibt ja<br />

auch eine Welt außerhalb von Summerhill.“ (Neill in Segefjord 1971: 72 f.)<br />

112 „Es waren so viele Eltern, die Neill mißverstanden haben, daß sein Verleger ihn beschwor,<br />

ein Buch zur Erläuterung zu schreiben: ‚Sie müssen das tun, denn sehr viele Eltern<br />

in Ame-<br />

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