Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

8.5.2. Der ‚Einfluss‘ der Erwachsenen
Die Macht des bewußt und gezielt eingesetzten Einflusses der Erwachsenen,
insbesondere des Leiters, auf die öffentliche Meinung, mit dem sich bestimmte
Meinungen und auch Entscheidungen aufbauen und formen lassen, wird
von allen sich mit Selbstregierung befassenden Autoren gesehen, aber verschieden
bewertet. George wollte jeden Erwachseneneinfluß strikt vermeiden,
Foerster wollte ihn zum Haupterziehungsfaktor machen.
Wills lehnt die gezielte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung zwar im
Prinzip scharf ab, hält sie aber in einigen wenigen und sehr deutlich abgegrenzten
Fällen für unbedingt notwendig und unvermeidbar. Nämlich immer
dann, wenn die Folgen eines falschen Verhaltens so schlimm und gefährlich
wären, daß man sie auf gar keinen Fall eintreten lassen darf, um
daraus zu lernen. Hier besteht also ebenso wie im Zuständigkeitsbereich der
Erwachsenen keine Wahlmöglichkeit, und es geht meist ebenso um Außenbeziehungen
oder das Glück eines Kindes oder Jugendlichen. Wo ein Erwachsenengesetz
allein noch nicht ausreicht, weil es übertreten würde und die
Folgen dann untragbar wären, dort und nur dort setzt Wills seinen Einfluß auf
die öffentliche Meinung ein und baut ganz gezielt und massiv eine ganz bestimmte
öffentliche Meinung auf. Und zwar völlig offen ohne jede Tarnung.
Er äußert dann sehr nachdrücklich und deutlich seine Position, begründete sie
sehr sorgfältig und sorgt ebenso sorgfältig dafür, daß wirklich jeder die Notwendigkeit,
Richtigkeit und Gerechtigkeit dieser Position einsieht. Außerdem
sorgt er dann dafür, daß wirklich jeder Verstoß sofort vor die Vollversammlung
oder das Gericht gebracht wird, und nicht wie sonst erst dann, wenn er
seine unweigerlich negativen Konsequenzen bereits deutlich erkennbar hervorgebracht
hat. Denn gerade die untragbaren Konsequenzen sollen vermieden
werden.
Dieses Mittel wird von Wills nur sehr selten und nur völlig offen eingesetzt.
Käme der Verdacht auf, die Erwachsenen beeinflussten zu viele Entscheidungen,
so würden Erwachsenenvorschläge bald (wie regelmäßig in der Anfangszeit
von Republiken) aus Prinzip niedergestimmt. So gibt es auch nur wenig
Beispiele. In Barns baute Wills eine öffentliche Meinung
und rauchen, soviel ihr mögt. Ich muß mich an das Gesetz halten. Ich kann euch nicht dafür
bestrafen, daß ihr raucht. Ich kann euch nur vor die Wahl stellen. Wenn ihr wollt,
könnt ihr das eine Strafe nennen, aber wir müssen uns um meiner und eurer Sicherheit
willen an das Gesetz halten. Glaubt also nicht, ihr könnt daherkommen und tun wozu ihr
gerade Lust habt. Das geht nicht.“ (Neill am 5.11.1966 in einer Fragestunde, in Segefjord
1971: 72 f.)
Eine eigentlich besser zu Neills Pädagogik passende und offenbar recht erfolgreiche Methode
gegen das Rauchen, bei der ein (faktisch auch kaum durchsetzbares) Verbot bewußt
sorgfältig vermieden und auf Einsicht gesetzt wurde, beschreibt Shaw (1969: 39 -
57) aus seiner selbstregierten Red Hill School.
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