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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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de) und auch die Erzieher-Herrschaft <strong>aus</strong>schied, griff man zur Herrschaftsform<br />

<strong>der</strong> Demokratie, zu gemeinsam festgelegten Regeln. Dieser äußere<br />

Druck entlastet etwas von <strong>der</strong> als erdrückend empfundenen Eigenverantwortung.<br />

Es wird häufiger berichtet, wie Jugendliche selbst um (geringfügige)<br />

Sanktionsandrohungen bitten, die ihnen ein bestimmtes selbst gewünschtes<br />

Verhalten so erleichtern (z. B. eine geringe Geldstrafe für jede Unpünktlichkeit),<br />

daß die Strafe kaum angewendet zu werden braucht.<br />

Primäre Aufgabe <strong>der</strong> Selbstregierung ist zunächst die Aufrechterhaltung<br />

einer selbst entwickelten und selbstgegebenen, den eigenen Vorstellungen<br />

und Bedürfnissen entsprechenden, für die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen selbst<br />

erträglichen positiven Ordnung, und nicht die Besserung o<strong>der</strong> Um-<br />

Erziehung.<br />

Die Gesetze <strong>der</strong> Selbstregierung sollen zunächst eine Art kurzfristig wirksamer<br />

Notbehelf sein, <strong>der</strong> ein Mindestmaß an Ordnung, täglicher Routine,<br />

guten Sitten und Sicherheit schafft. Dieses selbstgeschaffene Mindestmaß an<br />

Ordnung ist zwar weniger anstrengend als die völlige individuelle Selbstverantwortung,<br />

aber trotzdem mühsam genug. In längeren Abständen tauchte<br />

deshalb in vielen <strong>Kin<strong>der</strong>republiken</strong> immer wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Versuch auf, es mit <strong>der</strong><br />

Aufhebung aller Regeln, mit Anarchie als goldenem Zeitalter <strong>der</strong> allgemeinen<br />

völligen Freiheit, Ungebundenheit und Gesetzlosigkeit zu versuchen, bei <strong>der</strong><br />

man sich vom äußeren Druck entspannen und die Dinge treiben lassen kann.<br />

Nach einigen Tagen o<strong>der</strong> Wochen wurde jeweils die (fehlende) notwendige<br />

Selbstdisziplin einer Anarchie überdeutlich, und man kehrte zur Selbst-<br />

Regierung zurück (Erfahrungslernen! siehe Kapitel 8.6.).<br />

Selbstregierung bedeutet innerhalb dieses Konzeptes psychoanalytischer<br />

Erziehung nicht - wie sonst so häufig - die routinemäßige Einübung vor allem<br />

<strong>der</strong> institutionellen Formen und Formalismen, die Bedienung <strong>der</strong> fertigen<br />

politischen Maschine <strong>aus</strong> Verfassung, Gesetzen, Geschäftsordnungen und<br />

Behörden nach dem Muster eines als richtig vorgegebenen Staates.<br />

Hier ist Selbstregierung eher ein grundlegendes Prinzip <strong>der</strong> gemeinschaftlichen<br />

Selbstbestimmung freier selbständiger Menschen, wobei die<br />

organisatorischen Formen den eigenen Bedürfnissen und Einsichten entsprechend<br />

in einem oft langen und schmerzhaften Lernprozeß kreativ selbst entwickelt,<br />

erprobt, verän<strong>der</strong>t, verworfen und neukonstruiert werden.<br />

Sinn und Notwendigkeit von Ordnung wird hier nicht gezielt gelehrt o<strong>der</strong><br />

durch abstrakte Vorhaltungen gepredigt, son<strong>der</strong>n <strong>aus</strong> eigener (nicht nach<br />

Rousseau-Foersterschem Vorbild pädagogisch vor-arrangierten!) praktischer<br />

Erfahrung vernünftig erschlossen, und den realen Problemen wird mit selbstentworfenen<br />

Regeln, Maßnahmen und Ordnungen abgeholfen.<br />

Gerade dieser kreative Lernprozeß, die ständige Entwicklung und Erprobung<br />

aller möglichen neuen Regeln und Systeme, die Nicht-Routine wird<br />

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