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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Hilfe. Zwang, Strafe und <strong>der</strong> moralisierende Vorwurf <strong>der</strong> sittlich verwerflichen<br />

Naschhaftigkeit sollten aber vermieden werden.<br />

Bernfeld solidarisierte sich mit den Kin<strong>der</strong>n, zeigte ihnen seine emotionale<br />

Unterstützung (während an<strong>der</strong>e die Gruppe angriffen) und bestärkte sie <strong>aus</strong><br />

voller Überzeugung in ihrem Recht (!) auf Schokolade, akzeptierte ihre<br />

Motive und Ziele. Lediglich die Beschaffungsweise schien gefährlich und<br />

unvollkommen und bedurfte technischer Än<strong>der</strong>ungen. Den bereits angefeindeten<br />

Kin<strong>der</strong>n war dies begreiflich. Aus <strong>der</strong> Diebesbande machte Bernfeld<br />

eine Theaterspielbande unter seiner kameradschaftlichen Anleitung. Von<br />

den Zuschauereinnahmen kaufte die Bande anfangs Schokolade, bis sie es<br />

unter dem interessanten Spiel und an<strong>der</strong>en Interessen vergaß.<br />

Ein weiterer Grund dafür, nicht auf den langfristigen Erziehungserfolg zu<br />

warten, son<strong>der</strong>n einige Symptome schon vorher zu unterdrücken, ist die<br />

ernsthafte Beteiligung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Arbeitsteilung im Heim: Der im<br />

Winter im ungeheizten Raum liegende Fieberkranke mag nicht darauf warten,<br />

daß <strong>der</strong> für den Ofen zuständige Junge gegen Ende des Sommers verantwortlich<br />

handeln wird.<br />

Es soll hier nochmals betont werden, daß die Symptomunterdrückung angesehen<br />

wird als eine <strong>der</strong> Therapie und Erziehung möglicherweise sogar schadende<br />

Notmaßnahme, und daß es dabei <strong>aus</strong>drücklich nicht darum geht,<br />

nachdrücklich zur Ordnung zu erziehen.<br />

8.1.2. Demokratie als Notbehelf<br />

W. D. Wills (anarchistisches) Erziehungsideal ist eine Persönlichkeit, die <strong>aus</strong><br />

eigener innerer Einsicht, ohne äußeren Druck und ohne äußere Kontrolle völlig<br />

<strong>aus</strong> individueller Selbstverantwortung handelt. Nur mit solchen gefestigten<br />

Persönlichkeiten, die zu einem ethischen Verhalten keiner Gesetze<br />

mehr bedürfen, könnte eine herrschaftsfreie (anarchistische) Gesellschaft<br />

funktionieren. Allerdings war Wills sehr bewußt, daß seine Heimjugendlichen<br />

(und auch <strong>der</strong> Normalbürger!) von diesem Ideal weit entfernt waren. Auch die<br />

Jugendlichen (in Hawkspur) empfanden eine völlig freie individuelle Selbstverantwortung<br />

(nach kurzem Test) als Überfor<strong>der</strong>ung: Sie brauchten und<br />

wünschten zumindest einige feste Regeln, Ge- und Verbote sowie (zumindest<br />

einige schwache) Sanktionsdrohungen als äußere Verhaltensstützen.<br />

Von den Erziehern darf dieser Druck nicht kommen, denn dies würde die<br />

Übertragungsbeziehungen erschweren. Als Lösung des Dilemmas bietet sich<br />

hier erneut die Selbstregierung an. Da das Ideal <strong>der</strong> Herrschaftslosigkeit<br />

(Anarchie) unpraktikabel erschien (obwohl es als Idealziel beibehalten wur-<br />

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