Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

7.3.1. Übertragung als Mittel der Heil-Erziehung
Schon Lane hatte sich stolz zum Pionier der psychoanalytischen Erziehung
87 erklärt, mit der er Freud sogar noch übertreffen wollte, indem er, statt
Neurosen nur nachträglich zu heilen, durch eine präventive gesunde Erziehung
auf wissenschaftlich- psychologischer Grundlage Neurosen gar nicht
erst entstehen ließ. Er forderte eine psychoanalytische Ausbildung und Analyse
für alle Lehrer und Erzieher, damit sie Einsicht in ihre unbewußten Wünsche,
Probleme, Motive, Vorlieben und Abneigungen erhielten. Dies Verständnis
der eigenen Person würde sie auch die Motive und Probleme Anderer
besser verstehen lassen und würde weitgehend davor schützen, in der Erziehung
die eigenen Probleme in den Kindern blind zu reproduzieren. Die
Analyse sollte auch den konflikterzeugenden statt konfliktlösenden Droh-,
Straf- und Moralisiermethoden ein Ende setzen.
Die dem Kind in frühester Kindheit eingepflanzten Ideen von gut und böse,
richtig und falsch, oft verbunden mit der Idee von Strafe und Buße oder moralischen
Schuld- und Unwertgefühlen, erhalten für das Kind axiomatische
Geltung und sind nur schwer wieder aufzulösen. Sie gelten nicht, weil die Eltern
es sagten, sondern weil ich es in mir so fühle. Die Heilung (=Lösung)
von neurotischen axiomatischen Verbindungen, etwa der tiefverwurzelten
Schuldgefühle des Verbrechers aus Schuldgefühl, geschieht in der Psychoanalyse
durch Bewußtmachung der unterdrückten und ins Unbewußte verdrängten
Strebungen, ihre Lösung von unakzeptablen und leidvollen neurotischen
Äußerungsformen und schließlich durch Umlenkung (Sublimierung) in
andere Kanäle und Äußerungsformen, die sowohl mit den instinktiven Lebenszwecken
als auch mit der äußeren Realität und den Bewußtseinsanforderungen
übereinstimmen.
Das Hauptinstrument der Psychoanalyse und der psychoanalytischen
Erziehung ist die Übertragung, bei der die früher den Eltern gegenüber gehegten
(Liebes- und Haß-) Gefühle zumindest teilweise auf den Analytiker
oder Erzieher übertragen werden. Der wird dann als Stellvertreter ebenso geliebt
oder gehasst (positive bzw. negative Übertragung) und bekommt eine
Art elterliche Autorität für das Kind, mit der er nachträglich frühere elterliche
Fehler und Versäumnisse korrigieren kann. Sowohl der Analytiker als auch
der Erzieher müssen diese Übertragung gezielt hervorrufen und fördern, und
nach erfolgter Therapie bzw. Erziehung auch wieder lösen und die übertragene
Libido in andere (berufliche, soziale, etc.) Kanäle umleiten.
Immer wieder wird betont, daß die grundlegende und unverzichtbare Voraussetzung
jeder Erziehung und Therapie die Liebe des Kindes zum
87 „I am a pioneer in psycho- analytic education“ (Lane 1918: 225).
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