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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Erzieher im Heim, die sich ihre Kin<strong>der</strong> nicht <strong>aus</strong>suchen können, allgemein<br />

zum Programm erheben.<br />

Allerdings kann man dies Gefühl dort, wo es entsteht, zulassen und bewußt<br />

begrüßen und för<strong>der</strong>n, d. h.: individuelle Son<strong>der</strong>-Liebesbeziehungen zwischen<br />

einem einzelnen Kind und einem einzelnen Erzieher (o<strong>der</strong> Gärtner, Köchin,<br />

etc.) erleichtern und unterstützend und för<strong>der</strong>nd begleiten. Dies wi<strong>der</strong>spricht<br />

dem Grundsatz <strong>der</strong> Gleichbehandlung aller Kin<strong>der</strong> durch alle Erwachsene,<br />

ist aber sinnvoll und wird in psychoanalytisch orientierter Heimerziehung<br />

auch praktiziert (vgl. Kapitel 7.3.1.).<br />

Neben diesen nicht ganz steuerbaren Übertragungsbeziehungen aber geht es<br />

um die Bedeutung von Liebe als wichtigem Faktor im Verhältnis aller Erzieher<br />

zu allen Kin<strong>der</strong>n. Sie muß vor allem eine allgemeine einübbare und beschreibbare<br />

Verhaltensweise und Haltung sein, die - da sie generell allen<br />

Kin<strong>der</strong>n gilt - nur sehr beschränkt individuell-persönlich geprägt sein kann.<br />

Damit kann ein (spontanes) Gefühl wie individuelles Liebhaben <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />

nicht gemeint sein. Es wäre zwecklos und heuchlerisch falsch, sich zu einem<br />

solchen Gefühl zwingen zu wollen 83 .<br />

Allerdings wird sich nach einer Weile ein solches Gefühl mit einiger Wahrscheinlichkeit<br />

spontan einstellen, nachdem man das Kind kennengelernt hat<br />

und versteht.<br />

Liebe o<strong>der</strong> liebende Haltung ist ein unglücklich gewählter Begriff für diese<br />

allgemeine Haltung, den Neill (obwohl er selbst ihn ebenso wie Lane und<br />

Wills häufiger ebendafür verwendet) deutlich zurückweist:<br />

„Man spricht oft von mir als dem Mann, <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> liebt. Liebe ist kaum das Wort,<br />

das ich benutzen würde, wenn zum Beispiel ein Problemkind die Fenster meiner<br />

Schule einschmeißt. Man kann nicht Massen lieben, son<strong>der</strong>n nur einzelne Menschen,<br />

und nicht je<strong>der</strong> einzelne ist liebenswert. Nein, das Wort Liebe weise ich zurück. Ich<br />

ziehe Homer Lanes Auf-<strong>der</strong>-Seite-des-Kindes-Sein vor; das bedeutet Anerkennung,<br />

Freundlichkeit und dazu das Fehlen jeglicher Erwachsenenautorität. Es ist mehr wert,<br />

Kin<strong>der</strong> zu verstehen, als sie zu lieben.“ (Neill 1982: 163)<br />

Bei Wills (1945) fehlt diese begriffliche Unterscheidung, er empfiehlt, sich<br />

dem zunächst ja fremden Kind gegenüber konsequent so zu verhalten, als ob<br />

man es liebte. Seiner jahrzehntelangen Erfahrung nach stellt sich das entsprechende<br />

Gefühl dann schon irgendwie ein, spätestens mit <strong>der</strong> Gegenübertragung,<br />

vor <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Psychoanalytiker zwar hüten muß, die <strong>der</strong> psycho-<br />

83 Der Versuch, dies Gefühl professionell allen Kin<strong>der</strong>n (o<strong>der</strong> was für Klienten auch immer)<br />

entgegenzubringen, birgt die Gefahr <strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ung einerseits und einer geheuchelten,<br />

unangenehm falschen Freundlichkeit an<strong>der</strong>erseits. Schüler <strong>der</strong> Scuola de Barbiana (1977)<br />

beklagten sich, daß Lehrerinnen sich wie Huren benähmen: sie liebten unterschiedslos<br />

jedes gerade vorbeikommende Kind, hätten es aber bereits vergessen, noch bevor es um<br />

die nächste Ecke verschwindet.<br />

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