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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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d. h. ein ihnen absichtlich zugefügtes Übel, nur als Ausdruck <strong>der</strong> Abneigung<br />

und Nicht-Liebe auffassen. Dieser Eindruck würde den Erziehungserfolg<br />

massiv gefährden (und darf auf gar keinen Fall entstehen), da Liebe<br />

(d. h. Übertragung, siehe Kapitel 7.3.) gerade die Vor<strong>aus</strong>setzung und das<br />

Hauptinstrument <strong>der</strong> psychoanalytischen Erziehung ist. Während zweifellos<br />

liebende Eltern möglicherweise Strafe riskieren können, muß <strong>der</strong> psychoanalytische<br />

Heimerzieher sie unbedingt vermeiden.<br />

– Menschen, die bestraft werden, schützen sich dagegen durch eine harte<br />

Kruste, um möglichst wenig verletzt zu werden. Therapie zielt aber auf den<br />

weichen Kern, den man schwerlich erreicht, wenn man Menschen veranlasst,<br />

ihre Kruste zu härten.<br />

– Um die emotionalen Probleme gezielt behandeln zu können, muß man sie<br />

erst einmal erkennen. Ein und dasselbe Symptom - meist Diebstahl - kann<br />

für eine große Vielzahl möglicher Probleme stehen. Die bei <strong>der</strong> Heimaufnahme<br />

bekannten Diagnosen sind meist kurz und summarisch und reichen<br />

nicht <strong>aus</strong>. Das einzig praktikable Verfahren ist deshalb die Beobachtung.<br />

Strafe und Zwangsdisziplin zielen geradezu darauf, das Auftreten von<br />

Symptomen wie Diebstahl, Gewalttätigkeit etc. zu unterdrücken. Dies<br />

macht die Entdeckung und Behandlung <strong>der</strong> Problemursachen schwierig,<br />

so daß es geschehen kann, daß Jugendliche relativ unberührt von je<strong>der</strong><br />

Erziehung und Therapie wie<strong>der</strong> entlassen werden.<br />

– Strafe erzeugt im besten Fall blinden, unverantwortlichen Gehorsam <strong>aus</strong><br />

Angst vor einem Mächtigeren. Ein solches Übel herbeizuführen, statt es zu<br />

heilen, wäre dumm, wenn man - wie Wills - einen englischen Hitler gerade<br />

vermeiden und wirklich gute, demokratische Bürger erziehen will. Ein<br />

wirklich guter Bürger befolgt aber nicht blind beliebige Gesetze <strong>aus</strong><br />

Angst o<strong>der</strong> gedankenloser Achtung <strong>der</strong> Autorität, son<strong>der</strong>n orientiert sich<br />

relativ unabhängig davon an seiner vernünftigen Erkenntnis <strong>der</strong> sozialen<br />

Folgen seines Handelns. Ungerechte und gesellschaftsschädliche Gesetze<br />

wird er notfalls brechen und mißachten 81 . Wo Erziehung primär auf Strafangst<br />

beruht, können solche Bürger mit eigenständigen moralischen<br />

Überzeugungen nicht entstehen, son<strong>der</strong>n falsch wird mit strafbar identisch,<br />

und richtig mit straflos. Hauptkriterien für die Richtigkeit von Verhalten<br />

sind dann die Entdeckungswahrscheinlichkeit und die wahrscheinliche<br />

Strafhöhe. Eine eigene Verantwortung für die eigenen Handlungen o<strong>der</strong> eine<br />

moralische <strong>Wer</strong>tung, etwa daß Diebstahl falsch, unfreundlich o<strong>der</strong> unfair<br />

ist, gibt es dann nicht mehr. Verantwortlich ist stets die äußere Autorität,<br />

die eben hätte aufpassen müssen. Eben diesen Zustand stellte Wills bei<br />

seinen Heimkin<strong>der</strong>n tatsächlich fest. Insofern erzeugt Strafe Verantwortungslosigkeit<br />

und Unmoral.<br />

81 Dies ist ganz <strong>aus</strong>drücklich und beabsichtigt eine Erziehung zum Ungehorsam (so ein<br />

Buchtitel von Bott 1973).<br />

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