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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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neurotische o<strong>der</strong> haßerfüllte Eltern sowie solche, die ihre Kin<strong>der</strong> massiv ablehnen,<br />

unterdrücken, ängstigen, quälen, betrügen und belügen. Meist fehlt<br />

den Kin<strong>der</strong>n dann das zum ‚gesunden‘ Aufwachsen notwendige Gefühl, geliebt<br />

zu werden, häufig mangelt es ihnen an Freiheit.<br />

In <strong>der</strong> psychoanalytischen Literatur 79 werden (wohl auf Freud zurückgehend)<br />

immer wie<strong>der</strong> zwei Formen des psychisch bedingten (neurotischen)<br />

Vergehens genannt: <strong>der</strong> symbolische Diebstahl, bei dem unbewußt eigentlich<br />

versucht wird, Liebe und Zuwendung zu stehlen, und das Verbrechen<br />

<strong>aus</strong> Schuldgefühl, bei dem unbewußt Strafe gesucht wird, um ein irgendwann<br />

früher entstandenes tief verwurzeltes Schuldgefühl zu besänftigen. Gerade<br />

ein <strong>aus</strong>geprägtes Gewissen treibt hier unbewußt zu Vergehen, die oft<br />

scheinbar sinnlos <strong>aus</strong> reiner Bosheit begangen werden, o<strong>der</strong> zu Geständnissen<br />

nie begangener Vergehen an, da <strong>der</strong> Täter als Kind gelernt hat, Schuld müsse<br />

durch Strafe abgewaschen werden. Die so erkaufte Gewissensberuhigung hält<br />

aber nicht lange vor, dann muß erneute Strafe gesucht werden. Wills (1945:<br />

20 - 23) beschreibt mehrere solcher selbst erlebter Fälle, auf die hier aber<br />

nicht weiter eingegangen werden soll.<br />

Aufgrund ihrer auf unbewußte innere Motive statt auf rationale Nutzenkalküle<br />

setzenden Motivationstheorie erzielten psychoanalytische Erzieher mit<br />

scheinbar paradoxen Handlungsweisen oft scheinbar magische, aber im Einzelfall<br />

durch<strong>aus</strong> erklärbare verblüffende Erfolge (vgl. Kapitel 8.7.2.5.1.).<br />

Ein weiterer häufig beschriebener psychischer Grund für delinquentes Verhalten<br />

ist das Erproben von Grenzen und Sicherheit. Ein Kind, beson<strong>der</strong>s<br />

das oft enttäuschte Heimkind, versucht sich durch schlimmes Betragen Gewißheit<br />

zu verschaffen, ob o<strong>der</strong> von welchem Punkt an die Liebe und Geduld<br />

seiner Eltern o<strong>der</strong> Erzieher endet, ab wann man es, wie gewohnt, abschiebt,<br />

straft, nicht mehr liebt.<br />

79 Zum Verbrechen <strong>aus</strong> Schuldgefühl und Strafbedürfnis zitieren sowohl Aichhorn (1977:<br />

196) wie Laplanche / Pontalis (1973, Bd. 2: 459) beide dieselbe Stelle <strong>aus</strong> Das Ich und<br />

das Es von S. Freud; (G. W. XIII 282) als einzigen Beleg:<br />

„Es war eine Überraschung zu finden, daß eine Steigerung dieses ubw Schuldgefühls den<br />

Menschen zum Verbrecher machen kann. Aber es ist unzweifelhaft so. Es läßt sich bei<br />

vielen, beson<strong>der</strong>s jugendlichen Verbrechern, ein mächtiges Schuldgefühl nachweisen,<br />

welches vor <strong>der</strong> Tat bestand, also nicht <strong>der</strong>en Folge, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en Motiv ist, als ob es als<br />

Erleichterung empfunden werden würde, das unbewußte Schuldgefühl an etwas Reales<br />

und aktuelles anknüpfen zu können“. (Freud 1992: 289)<br />

Eine ganz ähnliche Stelle bei Freud gibt auch Cremerius (1971: 124) wie<strong>der</strong>, diesmal <strong>aus</strong><br />

Einige Charaktertypen <strong>aus</strong> <strong>der</strong> psychoanalytischen A rbeit (G. W. X 389 ff.).<br />

Wills (1945: 20 - 23) beschreibt einige in <strong>der</strong> eigenen Heim-Praxis erlebte Fälle.<br />

Vergleiche zum symbolischen Diebstahl: Zulliger (1969: 134; 1970b: 56 - 60), Erwähnung<br />

auch bei Pfister (1929: 94 f.). Zulliger hat dazu auch ein eigenes Heftchen verfasst:<br />

Hans Zulliger: Über symbolische Diebstähle von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen. Biel: Inst. f.<br />

Psychohygiene 1960(3) (Arbeiten zur Psycho-Hygiene 1).<br />

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