Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

7. Psychoanalytische Heilerziehung
Bevor direkt auf die Selbstregierung eingegangen wird, sollen noch einige
grundlegende Betrachtungsweisen und Prinzipien 77 dieser Pädagogik dargestellt
werden.
7.1. Gestörtes Verhalten als Symptom emotionaler
Störung: Delinquenz und Neurose
Ein Teil der Jugenddelinquenz kann als Folge einer noch unvollständigen
Verinnerlichung der Rechtsnormen, d. h. als normales Durchgangsstadium
angesehen werden: Viele Jugendliche stehlen einmal oder schwänzen einmal
die Schule und hören damit von selbst wieder auf. Daneben aber gibt es die
ernsthafte, hartnäckige Delinquenz, und um diese geht es im Folgenden.
Wills (1941, 1945) beschreibt die Entstehung von Delinquenz und Neurose
durch schwer gestörte Familienbeziehungen, die dann beim Kind schwere
emotionale Störungen auslösen. Ein frei und glücklich in einer liebevollen
und vertrauensvollen Familie aufwachsendes Kind wird nur selten ernstlich
delinquent oder neurotisch werden. Als delinquenzverursachende Familienstörungen
78 nennt er vor allem den Verlust der Eltern, der immer auch ein
Liebesverlust ist (Tod, Scheidung, Desertion, Nichtehelichkeit, mißglückte
Adoption, Herumschieben von einer Tante zur anderen, wechselnde Heime).
Weitere Familienstörungen entstehen durch unfähige, trunksüchtige, stark
77 Kapitel 7 beruht im wesentlichen auf Überlegungen und Äußerungen, die Wills (1941,
1945, 1964a) eher beiläufig in seine Berichte eingestreut hat, ohne sie weiter auszuarbeiten,
und die ich hier systematisch zusammenfasse.
78 Moser (1972, Kapitel 5) berichtet in einem Überblick über einschlägige empirische Erhebungen
von ähnlichen Delinquenzursachen.
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