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Johannes-Martin Kamp Kinderrepubliken - Wer nichts aus der ...

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Der zweite Hauptteil <strong>der</strong> Arbeit (zugleich das 6. - 8. Kapitel, S. 99 - 186)<br />

verfolgt den psychoanalytischen Strang <strong>der</strong> Konzeptualisierung von Selbstregierung<br />

und Autonomie, <strong>der</strong> mit den Namen Homer Lane, Alexan<strong>der</strong> S.<br />

Neill und Siegfried Bernfeld verbunden ist. Aus dem bisher Gesagten ist<br />

deutlich, daß die Psychoanalyse durch die Entdeckung <strong>der</strong> Libido wie eine<br />

Verkehrung gegenüber den traditionellen Vorstellungen <strong>der</strong> Leibfeindlichkeit<br />

gewirkt haben muß. Dies gilt umso mehr für die trivialisierte Fassung <strong>der</strong><br />

Psychoanalyse, die in den USA z. B. von Homer Lane rezipiert wurde. Denn<br />

bei ihm stehe - wie <strong>Kamp</strong> her<strong>aus</strong>arbeitet - ein nativistischer Lebenstrieb im<br />

Zentrum. Entsprechend stark betont sind <strong>der</strong> als erste Natur gefaßte Trieb und<br />

die damit verbundenen freisetzenden Momente: Hauptaufgabe <strong>der</strong> Erziehung<br />

sei es, „die angeborenen aktiv-kreativen Antriebe im Kind zu för<strong>der</strong>n ... Körperfurcht<br />

o<strong>der</strong> Haß auf das Fleisch ist Haß gegen die Libido, gegen das Leben<br />

selbst, ist lebensfeindlich“ (S. 105). Der Verfasser kann zeigen, daß dieser<br />

nativistische Idealismus sowie ein pragmatischer Gruppenoptimismus und<br />

eine natürliche Moral Homer Lanes Konzept kennzeichnen, das in <strong>der</strong> Ford-<br />

Republic und im Little Commonwealth in England realisiert wurde.<br />

Nachdem sich <strong>Martin</strong> <strong>Kamp</strong> mit den Prinzipien <strong>der</strong> psychoanalytischen<br />

(Heil-) Pädagogik <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>gesetzt hat (Symptom als emotionale Störung,<br />

Erziehung ohne Zwang und Gewalt, Sympathie, Verstehen und Übertragung),<br />

gelangt er, wie angedeutet, im 8. Kapitel zu <strong>der</strong> systematischen Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

um Selbstregierung als shared responsibility: „Primäre Aufgabe <strong>der</strong><br />

Selbstregierung ist ... die Aufrechterhaltung einer selbst entwickelten und<br />

selbst gegebenen, den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entsprechenden,<br />

für die Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen selbst erträglichen positiven Ordnung,<br />

und nicht die Besserung o<strong>der</strong> Umerziehung.“ In <strong>der</strong> psychoanalytischen<br />

Tradition sei Selbstregierung daher keine routinemäßige Einübung in die Bedienung<br />

einer fertigen politischen Maschine <strong>aus</strong> Verfassung, Gesetzen und<br />

Gericht, son<strong>der</strong>n „ein grundlegendes Prinzip <strong>der</strong> gemeinschaftlichen Selbstbestimmung<br />

freier, selbständiger Menschen, (häufig ...) in einem ... schmerzhaften<br />

Lernprozeß kreativ selbst entwickelt, erprobt, verän<strong>der</strong>t ... und neukonstruiert“<br />

(S. 132).<br />

So verwun<strong>der</strong>t es nicht, daß die beteiligten Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen<br />

(häufig <strong>aus</strong> verwahrlosten, autoritären Verhältnissen) zunächst in ambivalenten<br />

Haltungen zwischen demokratischen Formen praktischer Freiheit und dem<br />

Wunsch nach Gehorsam, Disziplin und Unterwerfung hin- und herschwanken.<br />

Daher arbeitet <strong>Kamp</strong> her<strong>aus</strong>, daß es in <strong>der</strong> Selbstregierung keineswegs um die<br />

vor allem A. S. Neill unterstellte Willkür o<strong>der</strong> das Laissez-faire gehe, son<strong>der</strong>n<br />

um die Verbindlichkeit eines Gruppenprozesses im Interesse einer gemeinsamen<br />

Ordnung als Übereinkunft aller Beteiligter. Das<br />

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