Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
LXXII POLITIK IN DER (POST-)MODERNE beendet, sondern vielmehr als in einem Häutungsprozeß befindlich interpretieren. In Anlehnung an Castoriadis spricht Wellmer in diesem Zusammenhang von der +Selbstüberschreitung der Vernunft* in einer sich radikalisierenden Moderne (vgl. ebd.; S. 100 u. S. 109). 133 Diese Zweideutigkeit des Postmodernismus ist Resultat +einer Zweideutigkeit, die tief in den sozialen Phänomenen selbst verankert ist* (ebd.; S. 57). In diesem Sinn ist der Postmodernismus +das noch unklare Bewußtsein eines Endes und eines Übergangs* (ebd.). Soweit er mehr ist, als eine bloße Mode, versteht Wellmer ihn deshalb als +eine Suchbewegung, als ein[en] Versuch, Spuren der Veränderungen zu registrieren und die Konturen jenes Projekts [der Selbstüberschreitung der Vernunft] schärfer hervortreten zu lassen* (ebd.; 109). Soll dieses Projekt gelingen, dann muß sich nach Wellmer die Einsicht Lyotards in die irreduzible Pluralität ineinander verschachtelter Sprachspiele mit Habermas’ Konzept einer sozialen Koordinierung durch kommunikatives Handeln verbinden (vgl. ebd.; S. 105f.). Bevor ich in Anschluß an diese Gedanken auf die (Un-)Möglichkeit einer +authentischen* Postmoderne eingehe, sollen die dargestellten Formen der euphorischen und der skeptischen Postmoderne zur Übersicht in einer Tabelle nebeneinandergestellt werden. Dabei möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß vorgenommene Grobeinteilung in eine euphorische und eine skeptische Postmoderne völlig willkürlich (allerdings nicht unbegründet) erfolgte und damit einem geradezu typisch +modernen* Ordnungs- und Kategorisierungsstreben ent- springt. Da aber Wissenschaft (Umwelt-)Komplexität notwendigerweise reduzieren muß, um diese nicht einfach abzubilden, sind solche +Rasterungen* durchaus sinnvoll, wenn man sich bewußt ist, daß es sich eben nur um ordnende +Stützkonstruktionen* handelt. Tabelle 2: Übersicht über die Formen der euphorischen und der skeptischen Postmoderne 134 Euphorische Postmoderne Skeptische Postmoderne Primäre euphorische Postmoderne (z.B. Skeptische Postmoderne posthistoristischer Jencks) Prägung (z.B. Baudrillard) Sekundäre euphorische Postmoderne (z.B. Skeptische Postmoderne pro-moderner Welsch) Prägung (z.B. Habermas) Euphorische Postmoderne prämoderner Skeptische Postmoderne prämoderner Prägung (z.B. Koslowski) Prägung (z.B. Zimmerli)
ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? LXXIII REFLEXIVITÄT UND AUTOPOIESIS – ZU EINER +AUTHENTISCHEN* POSTMODERNE Von einer +authentischen* Postmoderne zu sprechen scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Denn wie könnte im Bewußtsein, daß es die eine Wahrheit nicht gibt, ein Echtheitsanspruch formuliert werden? Trotzdem entspricht dieser Einwand einem +falschen*, einem eingeschränkten, einem (prä)modernen Begriff von Authentizität. Nach dem Ethnologen Klaus-Peter Koepping zum Beispiel bedeutet Authentizität nämlich nicht die schlichte Identität mit +objektiver* Wirklichkeit. Dies wäre ein unerfüllbarer Anspruch. Vielmehr ist Authentizität für ihn eine rückbezügliche Kategorie, d.h. in der Auseinandersetzung mit dem anderen kommt es zu einem reziproken Selbsterkenntnisprozeß (vgl. Authentizität als Selbstfindung durch den anderen; S. 26ff.). Dieses reflexive Authentizitätsverständnis kann auch im Zusammenhang der Moderne- Postmoderne-Diskussion von Nutzen sein. Denn das Andere der Postmoderne ist die Moderne. Und ähnlich wie Wellmer von der Postmoderne als einer Suchbewegung (der Moderne) sprach (siehe nochmals S. LXXII), bemerkt Sloterdijk: +So entpuppt sich das ›Nach‹ der Nachmoderne als das ›Nach‹ eines sich noch suchenden nach- abendländischen Weltalters. Es ist ein Nach, das an den Gitterstäben der Gegenwart rüttelt und einer endzeitlichen Platzangst Ausdruck verleiht.* (Nach der Geschichte; S. 273) Diese angstvolle (und der Angst bewußte) Suche +Nach* einem Neuen spiegelt die Widersprüche des Modernisierungsprozesses. Die Moderne produziert eine Ambivalenz die sie auf sich Selbst verweist. Die Reflexivität der Modernisierungsfolgen führt zum Reflex der Gegen- und der Postmoderne, bewirkt damit im Verborgenen einen qualitativen Wandel des Moderni- sierungsprozesses, der sich selbst untergräbt und dabei zuweilen (unbeabsichtigt) ein neues (Zeit-)Bewußtsein zutage fördert. Das hat auch Welsch erkannt, indem er feststellt: +Das postmoderne Denken ist keineswegs etwas exotisches, sondern die Philosophie dieser Welt, und es ist dies als denkerische Entfaltung und Einlösung der harten und radikalen Moderne dieses Jahrhunderts […]* (Unsere postmoderne Moderne; S. 83) Denn die Postmoderne gilt ihm als +exoterische Alltagsform der einst esoterischen Moderne* (ebd.; S. 202): Die +Erfahrungen mit moderner Rationalität sowie [die] Errungenschaften der ästhetischen Moderne sind zunehmend in Lebensformen übergegangen und in den Alltag eingedrungen* (ebd.; S. 206). Als Beispiele führt er u.a. die immer +individualistischere* und
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ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? LXXIII<br />
REFLEXIVITÄT UND AUTOPOIESIS – ZU EINER +AUTHENTISCHEN* POSTMODERNE<br />
Von e<strong>in</strong>er +authentischen* <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne zu sprechen sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch <strong>in</strong> sich zu se<strong>in</strong>.<br />
Denn wie könnte im Bewußtse<strong>in</strong>, daß es die e<strong>in</strong>e Wahrheit nicht gibt, e<strong>in</strong> Echtheitsanspruch<br />
formuliert werden? Trotzdem entspricht dieser E<strong>in</strong>wand e<strong>in</strong>em +falschen*, e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>geschränkten,<br />
e<strong>in</strong>em (prä)mo<strong>der</strong>nen Begriff von Authentizität. Nach dem Ethnologen Klaus-Peter Koepp<strong>in</strong>g<br />
zum Beispiel bedeutet Authentizität nämlich nicht die schlichte Identität mit +objektiver*<br />
Wirklichkeit. Dies wäre e<strong>in</strong> unerfüllbarer Anspruch. Vielmehr ist Authentizität für ihn e<strong>in</strong>e<br />
rückbezügliche Kategorie, d.h. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem an<strong>der</strong>en kommt es zu<br />
e<strong>in</strong>em reziproken Selbsterkenntnisprozeß (vgl. Authentizität als Selbstf<strong>in</strong>dung durch den an<strong>der</strong>en;<br />
S. 26ff.). Dieses reflexive Authentizitätsverständnis kann auch im Zusammenhang <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne-<br />
<strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne-Diskussion von Nutzen se<strong>in</strong>. Denn das An<strong>der</strong>e <strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne ist die Mo<strong>der</strong>ne.<br />
Und ähnlich wie Wellmer von <strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne als e<strong>in</strong>er Suchbewegung (<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne) sprach<br />
(siehe nochmals S. LXXII), bemerkt Sloterdijk:<br />
+So entpuppt sich das ›Nach‹ <strong>der</strong> Nachmo<strong>der</strong>ne als das ›Nach‹ e<strong>in</strong>es sich noch suchenden nach-<br />
abendländischen Weltalters. Es ist e<strong>in</strong> Nach, das an den Gitterstäben <strong>der</strong> Gegenwart rüttelt und e<strong>in</strong>er<br />
endzeitlichen Platzangst Ausdruck verleiht.* (Nach <strong>der</strong> Geschichte; S. 273)<br />
Diese angstvolle (und <strong>der</strong> Angst bewußte) Suche +Nach* e<strong>in</strong>em Neuen spiegelt die Wi<strong>der</strong>sprüche<br />
des Mo<strong>der</strong>nisierungsprozesses. Die Mo<strong>der</strong>ne produziert e<strong>in</strong>e Ambivalenz die sie auf sich<br />
Selbst verweist. Die Reflexivität <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsfolgen führt zum Reflex <strong>der</strong> Gegen- und<br />
<strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne, bewirkt damit im Verborgenen e<strong>in</strong>en qualitativen Wandel des Mo<strong>der</strong>ni-<br />
sierungsprozesses, <strong>der</strong> sich selbst untergräbt und dabei zuweilen (unbeabsichtigt) e<strong>in</strong> neues<br />
(Zeit-)Bewußtse<strong>in</strong> zutage för<strong>der</strong>t. Das hat auch Welsch erkannt, <strong>in</strong>dem er feststellt:<br />
+Das postmo<strong>der</strong>ne Denken ist ke<strong>in</strong>eswegs etwas exotisches, son<strong>der</strong>n die Philosophie dieser Welt,<br />
und es ist dies als denkerische Entfaltung und E<strong>in</strong>lösung <strong>der</strong> harten und radikalen Mo<strong>der</strong>ne dieses<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts […]* (Unsere postmo<strong>der</strong>ne Mo<strong>der</strong>ne; S. 83)<br />
Denn die <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne gilt ihm als +exoterische Alltagsform <strong>der</strong> e<strong>in</strong>st esoterischen Mo<strong>der</strong>ne*<br />
(ebd.; S. 202): Die +Erfahrungen mit mo<strong>der</strong>ner Rationalität sowie [die] Errungenschaften <strong>der</strong><br />
ästhetischen Mo<strong>der</strong>ne s<strong>in</strong>d zunehmend <strong>in</strong> Lebensformen übergegangen und <strong>in</strong> den Alltag<br />
e<strong>in</strong>gedrungen* (ebd.; S. 206). Als Beispiele führt er u.a. die immer +<strong>in</strong>dividualistischere* und