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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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A: ANMERKUNGEN 101<br />

16. Roma<strong>in</strong> Rolland, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong>tensiv mit dem H<strong>in</strong>duismus ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt hat, beschreibt das +ozeanische* Verlangen<br />

nach Entgrenzung freilich primär als Basis <strong>der</strong> religiösen Orientierung (vgl. Freud: Das Unbehagen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kultur; S.<br />

65f.). E<strong>in</strong> tatsächlich dialektisch dem Streben nach Selbstbehauptung entgegengesetzter (bzw. diesen ergänzen<strong>der</strong>)<br />

+Sozialtrieb* wird erst von Fromm gedacht, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> grundsätzliches Bedürfnis des Menschen sieht, +auf die Welt außerhalb<br />

se<strong>in</strong>er selbst bezogen zu se<strong>in</strong>* (vgl. Die Furcht vor <strong>der</strong> Freiheit; S. 20).<br />

17. Ricœur spielt im Titel auf e<strong>in</strong>e Sentenz von Rimbaud an (+Je est un autre*). Wie aus <strong>der</strong> im Selbst verwurzelten<br />

An<strong>der</strong>sheit so etwas wie e<strong>in</strong> sozialer bzw. +ethischer* Bezug entstehen kann, hat neben Ricœur auch Bernhard Waldensfels<br />

(<strong>in</strong> Anlehnung an die phänomenologische Philosophie von Husserl und Merleau-Ponty) dargelegt: +Die An<strong>der</strong>sheit<br />

des An<strong>der</strong>en und <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en ist angelegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> An<strong>der</strong>sheit e<strong>in</strong>es Selbst, das sich selbst <strong>in</strong> zeitlicher Diastase immer<br />

schon vorweg ist und niemals <strong>in</strong> <strong>der</strong> re<strong>in</strong>enGegenwart mit sich selbst ko<strong>in</strong>zidiert.* (Der Stachel des Fremden; S. 77)<br />

So s<strong>in</strong>d Eigenes und Fremdes schon immer (und durchaus auch körperlich-leiblich, im Rahmen <strong>der</strong> lebensweltlichen<br />

Praktiken) <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verflochten und +bedeuten* (gegenseitige) Verantwortung (vgl. ebd.; S. 76ff.).<br />

18. Dergestalt läßt sich Kont<strong>in</strong>genz <strong>in</strong> Anlehnung an die aristotelische Unterscheidung zwischen <strong>der</strong> mit Notwendigkeit<br />

bestehenden, unverän<strong>der</strong>lichen Substanz und <strong>der</strong> nur Möglichkeitscharakter besitzenden und durch Zufälligkeit geprägten<br />

Akzidens bestimmen (vgl. z.B. Metaphysik; Buch XI, Kap. 8) – wobei allerd<strong>in</strong>gs Kant auf den re<strong>in</strong> transzendentalen<br />

(also vernunftgemäß abgeleiteten) Charakter des Notwendigen h<strong>in</strong>weist (vgl. Kritik <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Vernunft; Transzendentale<br />

Dialektik, Drittes Hauptstück sowie ergänzend Wetz: Die Begriffe ›Zufall‹ und ›Kont<strong>in</strong>genz‹; S. 27ff.).<br />

19. In ähnlicher Weise äußert sich auch Makropoulos (vgl. Kont<strong>in</strong>genz und Handlungsraum).<br />

20. In <strong>der</strong> <strong>in</strong>dischen Mythologie wird <strong>in</strong> geradezu +astronomischen* Zeitdimensionen gedacht: E<strong>in</strong> Maha) -Yuga (großes<br />

Zeitalter) umfaßt <strong>in</strong>sgesamt 12.000 Götterjahre, wobei e<strong>in</strong> Götterjahr 360 Jahren entspricht. E<strong>in</strong> Tag Brahma) s (Kalpa),<br />

also des h<strong>in</strong>duistischen Weltenschöpfers, besteht aus 1.000 Maha) -Yugas. Ist e<strong>in</strong> Kalpa vorüber, so kommt es zu e<strong>in</strong>er<br />

zwischenzeitlichen Auflösung <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> sich e<strong>in</strong>e Nacht Brahma) s anschließt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Welt im Ruhezustand<br />

verweilt. Doch auch e<strong>in</strong> Brahma) ist sterblich: Nach 1.000 Brahma) -Jahren (ca. 3 Billionen Jahre) kommt es zur +großen<br />

Auflösung* und e<strong>in</strong> neuer Zyklus von Werden und Vergehen beg<strong>in</strong>nt (vgl. Keilhauer: H<strong>in</strong>duismus; S. 62ff.). Aufgrund<br />

solcher Dimensionen und des zyklischen Zeitverständnisses ist es verständlich, daß konkrete Zeitangaben <strong>in</strong> <strong>der</strong> klassischen<br />

<strong>in</strong>dischen Literatur kaum erfolgen, so daß die historische E<strong>in</strong>ordnung oft schwerfällt.<br />

21. In § 6 bemerkt Kant deshalb: +Die Zeit ist nicht etwas, was für sich bestünde, o<strong>der</strong> den D<strong>in</strong>gen als objektive<br />

Bestimmung anh<strong>in</strong>ge […] Wenn wir von unsrer Art, uns selbst <strong>in</strong>nerlich anzuschauen, und vermittelst dieser Anschauung<br />

auch [von] alle[n] äußere[n] Anschauungen […] abstrahieren, und mith<strong>in</strong> die Gegenstände nehmen, so wie sie se<strong>in</strong><br />

mögen, so ist die Zeit nichts. Sie ist nur von objektiver Gültigkeit <strong>in</strong> Ansehung <strong>der</strong> Ersche<strong>in</strong>ungen […] Die Zeit ist<br />

also lediglich e<strong>in</strong>e subjektive Bed<strong>in</strong>gung unserer (menschlichen) Anschauung […]*<br />

22. Husserl begründet die angenommene Intersubjektivität <strong>der</strong> Zeit mit <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fühlenden, im sozialen Verständigungsprozeß<br />

vorgenommenen reziproken Vergegenwärtigung <strong>der</strong> je subjektiven Zeithorizonte – ohne allerd<strong>in</strong>gs damit e<strong>in</strong>e objektive,<br />

Subjekt-unabhängige Zeit zu postulieren (vgl. auch Konstitution <strong>der</strong> Intermonadischen Zeit).<br />

23. In diesem Band leistet Nassehi unter soziologischem Blickw<strong>in</strong>kel zusätzlich e<strong>in</strong>en Überblick über die historische<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Zeit-Konzepte, an <strong>der</strong> auch ich mich – neben <strong>der</strong> Darstellung von Lucia Stanko und Jürgen Ritsert<br />

(vgl. Zeit als Kategorie <strong>der</strong> Sozialwissenschaften) – mit me<strong>in</strong>en obigen Bemerkungen orientierte.<br />

24. Man kann sich also theoretisch auch frei fühlen, wenn es nur e<strong>in</strong>e Möglichkeit gibt. An<strong>der</strong>erseits ist es plausibel,<br />

daß mit <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> objektiven Möglichkeiten, auch die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit steigt, daß Individuen sich subjektiv<br />

frei fühlen. +Kont<strong>in</strong>gente Gesellschaften*, also Gesellschaften die e<strong>in</strong>en großen Raum <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genz für das <strong>in</strong>dividuelle<br />

Handeln offen halten, haben deshalb bessere strukturelle Voraussetzungen für das Empf<strong>in</strong>den von Freiheit.

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