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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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A: ANMERKUNGEN 97<br />

145. Andreas Arndt faßt se<strong>in</strong>e Konzeption negativer Dialektik dagegen primär als e<strong>in</strong>en selbstkritischen Reflexionsmodus<br />

auf: +Das Negativ-Vernünftige <strong>der</strong> Dialektik bezeichnet das allgeme<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Erkenntnisarbeit im Modus <strong>der</strong> Selbstkritik.*<br />

(Dialektik und Reflexion; S. 354) Dabei ist sie sich <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>lichkeit und Endlichkeit allen Se<strong>in</strong>s und allen Denkens<br />

– auch des eigenen – bewußt. Gefor<strong>der</strong>t ist demzufolge +e<strong>in</strong> Beharren auf den Wi<strong>der</strong>sprüchen <strong>der</strong> ersche<strong>in</strong>enden<br />

Wirklichkeit, welche sich e<strong>in</strong>er Lösung durch die Verabsolutierung ihrer Extreme versagen. Sie s<strong>in</strong>d aber auch nicht<br />

<strong>in</strong>different zu machen und dadurch zu bannen. So f<strong>in</strong>det das vernünftige Erkennen ke<strong>in</strong>en Halt an etwas, woran<br />

die subjektiv erlebten und erlittenen Wi<strong>der</strong>sprüche aufgehoben und versöhnt wären. Das Beharren <strong>der</strong> Vernunft<br />

auf den Wi<strong>der</strong>sprüchen kann subjektiv nur als Standhalten <strong>in</strong> ihnen vollzogen werden. Ihr Begreifen gibt nicht mehr,<br />

als die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die Bed<strong>in</strong>gungen, unter denen wir uns, selbst auf wi<strong>der</strong>sprüchliche Weise, <strong>in</strong> ihnen bewegen […]*<br />

(Ebd.; S. 357)<br />

146. Wenn man von den mo<strong>der</strong>nistischen Zügen absieht, hat aber somit natürlich gerade <strong>der</strong> späte Adorno große<br />

Relevanz für e<strong>in</strong>e kritische und dialektische reflexive Gesellschaftstheorie im (postmo<strong>der</strong>nen) Kontext des Spätkapitalismus<br />

(vgl. hierzu auch Jameson: Late Marxism; <strong>in</strong>sb. S. 246ff.).<br />

147. Bachelard erblickt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er (dialektischen) +Philosophie des Ne<strong>in</strong>* e<strong>in</strong>e konstruktive Aktivität, die vielfältige<br />

Möglichkeiten eröffnet, wobei er erläutert: +Dialectiser la pensée, c’est augmenter la garantie de créer scientifiquement<br />

des phénomènes complets, de régénérer toutes les variables dégénérées ou étouffeés que la science, comme la pensée<br />

naïve, avait négligées dans sa première étude.* (La philosophie du non; S. 17). Auch Adornos Dialektik-Konzept ist<br />

zwar im Pr<strong>in</strong>zip +offen* angelegt, doch bleibt se<strong>in</strong>e negative Dialektik, im Gegensatz zu Bachelard, an +objektiver<br />

Wahrheit* orientiert (vgl. Negative Dialektik; S. 195f.).<br />

148. Im Neo-Kantianismus gibt es zwar gewisse Ansätze, die hier zu e<strong>in</strong>er Überschreitung ansetzten: Fichte (1762–1814),<br />

<strong>der</strong> das klassische dialektische Schema von These, Antithese, Synthese erstmals explizit dargelegt hat (vgl. Grundlage<br />

<strong>der</strong> gesamten Wissenschaftslehre; § 3), <strong>in</strong>terpretierte Kants Transzendental-Philosophie dah<strong>in</strong>gehend, daß dieser Denken<br />

und Se<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong> (dialektisches) Band im Gedanken des (transzendentalen) Absoluten verbunden sah (vgl. Wissenschaftslehre;<br />

S. 491ff. [2. Vortrag]) – wobei er jedoch gerade kritisiert, daß Kant eben damit dem Absoluten als +re<strong>in</strong> für sich<br />

bestehende Substanz* se<strong>in</strong>en absoluten Charakter genommen habe (vgl. ebd.; S. 496ff. [3. Vortrag]). Jonas Cohn,<br />

als zeitgenössischer Vertreten des Neo-Kantianismus, sieht ganz ähnlich e<strong>in</strong>e dialektische Spannung zwischen Objekt<br />

und Subjekt, Se<strong>in</strong> und Bewußtse<strong>in</strong> wirken (vgl. Theorie <strong>der</strong> Dialektik; S. 297ff.). Aber auch im dialektischen System<br />

Cohns bleibt Dialektik, obwohl selbst nicht Denken des Absoluten, so doch auf das Absolute ausgerichtet, strebt auf<br />

dieses zu und wird damit <strong>in</strong> E<strong>in</strong>heit synthetisch aufgelöst (vgl. ebd.; S. 348f.).<br />

149. Den angenommenen Vorrang des Objekts, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs die Subjekt-Objekt-Dialektik gemäß Adorno nicht<br />

abbricht (vgl. Negative Dialektik; S. 185), begründet er so: +Vermöge <strong>der</strong> Ungleichheit im Begriff <strong>der</strong> Vermittlung fällt<br />

das Subjekt ganz an<strong>der</strong>s <strong>in</strong>s Objekt als dieses <strong>in</strong> jenes. Objekt kann nur durch Subjekt gedacht werden, erhält sich<br />

aber diesem gegenüber immer als An<strong>der</strong>es; Subjekt jedoch ist <strong>der</strong> eigenen Beschaffenheit nach vorweg auch Objekt.<br />

Vom Subjekt ist Objekt nicht e<strong>in</strong>mal als Idee wegzudenken; aber vom Objekt Subjekt. Zum S<strong>in</strong>n von Subjektivität<br />

rechnet es, auch Objekt zu se<strong>in</strong>; nicht ebenso zum S<strong>in</strong>n von Objektivität, Subjekt zu se<strong>in</strong>.* (Ebd.; S. 182) Auch ich<br />

gehe zwar davon aus, daß das Subjektive und das Bewußtse<strong>in</strong> <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>n objektiv s<strong>in</strong>d, daß sie e<strong>in</strong>en +materiellen<br />

Gehalt* haben, <strong>der</strong> ihre Impulse untranszendierbar macht (siehe auch Schlußexkurs). Für mich folgt daraus jedoch<br />

ke<strong>in</strong> Vorrang des Objekts, son<strong>der</strong>n hier zeigt sich vielmehr gerade die +materielle*, unaufhebbare Durchdr<strong>in</strong>gung<br />

von Subjekt und Objekt, Se<strong>in</strong> und Bewußtse<strong>in</strong>.<br />

150. Auch ich verstehe me<strong>in</strong> Konzept natürlich <strong>in</strong>soweit als materialistische Dialektik, als ich davon ausgehen, daß<br />

das auch Bewußtse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e +materielle* Grundlage hat (siehe auch nochmals Anmerkung 149 sowie Schlußexkurs).<br />

Doch das bedeutet für mich nicht, die +Beweggründe* auf die Objekt-Seite zu verlagern, son<strong>der</strong>n Subjekt und Objekt<br />

s<strong>in</strong>d durch die Grenze des Bewußtse<strong>in</strong>s (das wie <strong>der</strong> Name schon sagt, ebenso e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong> ist) vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geschieden<br />

(und vere<strong>in</strong>t), und erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> – materiellen – dialektischen Reibung von beiden manifestiert sich Dialektik im sozialhistorischen<br />

Prozeß (siehe unten).<br />

151. Ganz ähnlich spricht Sartre übrigens von e<strong>in</strong>er Dialektik <strong>der</strong> Passivität bzw. von Anti-Dialektik, umgekehrter<br />

Dialektik, Pseudo-Dialektik o<strong>der</strong> auch Dialektik gegen die Dialektik, die als Moment <strong>der</strong> Intelligibilität +e<strong>in</strong>er Praxis<br />

entspricht, die sich gegen sich selbst kehrt, weil sie als ständiges Siegel des Inerten neu entstanden ist […]* (Kritik <strong>der</strong><br />

dialektischen Vernunft; S. 69 [Fußnote 2]).

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