09.12.2012 Aufrufe

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

94 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

122.DerKonstruktcharakter<strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genzannahme (und ihre +imag<strong>in</strong>äre*,ideologischeFunktionalität) wird allerd<strong>in</strong>gs<br />

bei Fuchs natürlich nicht <strong>in</strong> gleicher Weise herausgearbeitet wie die paradoxe +reale* Nützlichkeit des Konstrukts<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit.<br />

123. In diesem Zusammenhang entwickelt Willke das Modell e<strong>in</strong>es +Supervisionsstaats*: Dieser läßt die Autonomie<br />

<strong>der</strong> Funktionssysteme unangetastet und beschränkt sich darauf, die vom politischen System erkannten Probleme an<br />

die Funktionssysteme zurück zu übermitteln (vgl. Ironie des Staates; S. 335ff.). Allerd<strong>in</strong>gs unterscheidet sich dieses<br />

Modell me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach nur marg<strong>in</strong>al von dem von Willke ebenfalls kritisierten Modell des m<strong>in</strong>imalen (liberalistischen)<br />

Staats, <strong>der</strong> die Verteilung <strong>der</strong> kollektiven Güter (genauso wie <strong>der</strong> Wohlfahrtsstaat) nicht befriedigend regeln kann.<br />

Was an <strong>der</strong> Umwandlung von Fremdzwang <strong>in</strong> Selbstzwang, <strong>der</strong> +ethischen* Grundlage des +Supervisionsstaats*, +ironisch*<br />

se<strong>in</strong> soll, bleibt überdies unklar.<br />

124. Auch Peters macht im Rekurs auf den Begriff <strong>der</strong> Verdrängung also e<strong>in</strong>e Analogie zur Psychoanalyse auf, die<br />

jedoch lei<strong>der</strong>, wie er bemerkt, soziologisch +bisher selten und systematisch ausgearbeitet* wurde (Die Integration<br />

mo<strong>der</strong>ner Gesellschaften; S. 347). So bleibt mir nur zu hoffen, daß me<strong>in</strong>e Arbeit, vor allem mit dem Konzept <strong>der</strong><br />

Deflexion, hier e<strong>in</strong>en Beitrag zu leisten vermag.<br />

125. Bourdieu versteht unter Reflexivität <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Soziologie <strong>der</strong> Soziologie bzw. des Soziologen, um sich<br />

den sozialen Kontext und die unbewußten Motive, auch für die eigene (wissenschaftliche) Praxis, bewußt zu machen<br />

(vgl. Die Praxis <strong>der</strong> reflexiven Anthropologie; S. 287ff.). Wenn man Loïc Wacquant folgt, so stellt Bourdieus Ansatz<br />

damit gar die (bisher) am weitesten gediehene Fassung e<strong>in</strong>er reflexiven Soziologie dar, <strong>in</strong>dem Bourdieu nicht nur<br />

die eigene Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft und im akademischen Feld reflektiert, son<strong>der</strong>n ebenso den Eigenwert <strong>der</strong> Logik<br />

<strong>der</strong> Praxis anerkennt (vgl. Auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er Sozialpraxeologie und siehe auch unten). Auch bei Bourdieu fehlt<br />

allerd<strong>in</strong>gs me<strong>in</strong>es Erachtens letztlich das dialektisch-dynamische Moment, und er entwickelt auch ke<strong>in</strong> Verständnis<br />

für Reflexion als Modus des (fühlenden) Denkens und des Handelns.<br />

126. In diesem Zusammenhang kann an den Handlungsbegriff des Aristoteles angeschlossen werden, <strong>der</strong> im Rahmen<br />

se<strong>in</strong>er praktischen Philosophie das ethische (geme<strong>in</strong>schaftsbezogene) Handeln vom zweckrationalen, auf die Herstellung<br />

von Gütern und die Gew<strong>in</strong>nmaximierung bezogene Handeln unterscheidet (vgl. Nikomachische Ethik; Buch I).<br />

127. Das soll ke<strong>in</strong>eswegs bedeuten, daß im Kontext <strong>der</strong> Reflexion die Praxis <strong>der</strong> Theorie untergeordnet ist. Reflexive<br />

Gegenpraktiken s<strong>in</strong>d zur Aufhebung des ideologisch-praxologischen Deflexionszusammenhangs notwendig. Um reflexive<br />

Gegenpraktiken zu ermöglichen, ist aber die Erlangung e<strong>in</strong>es reflexiven Bewußtse<strong>in</strong>s die Grundlage. Dazu dienen<br />

auch kritische Begriffe wie <strong>der</strong> Deflexionsbegriff o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Praxologiebegriff. Bloße Oberflächentransformationen wie<br />

e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensstilmuster durch Individualisierungsprozesse s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n nicht reflexiv. Dazu<br />

müßten sie <strong>in</strong> subversive Praktiken überführt werden. Subpolitik müßte zu e<strong>in</strong>er subversiven <strong>Politik</strong> geraten, und<br />

Subversion erfor<strong>der</strong>t Konversion: die Umwandlung von e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Denken zur an<strong>der</strong>en Praxis.<br />

128. Es handelt sich hier also um e<strong>in</strong>e Form struktureller bzw. <strong>in</strong>stitutionalisierter Deflexion (siehe S. 381).<br />

129. Man kann deshalb auch sagen, daß Sprache (als <strong>in</strong>teraktiv kommuniziertes Begriffssystem) den deflexiven (und<br />

reflexiven) Schnittpunkt zwischen Handlungs- und Bewußtse<strong>in</strong>seben darstellt.<br />

130. Saussure stellt dabei eher das (im positiven S<strong>in</strong>n) strukturierende und ordnende Element <strong>der</strong> Sprache heraus,<br />

die zusammenhängendes Denken erst ermöglicht: +Das Denken, für sich genommen, ist wie e<strong>in</strong>e Nebelwolke, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> nichts notwendigerweise begrenzt ist. Es gibt ke<strong>in</strong>e von vornehere<strong>in</strong> feststehenden Vorstellungen, und nichts ist<br />

bestimmt, ehe die Sprache <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt […] Das Denken, das se<strong>in</strong>er Natur nach chaotisch ist, wird [durch<br />

die Sprache] gezwungen, durch Glie<strong>der</strong>ung sich zu präzisieren […]* (Grundfragen <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Sprachwissenschaft;<br />

Kap. IV, § 1, S. 133f.) In <strong>der</strong> poststrukturalistischen französischen Philosophie, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e beim frühen Foucault,<br />

wird dagegen stärker <strong>der</strong> +machtvolle*, e<strong>in</strong>engende und normierende Charakter <strong>der</strong> (Dualität <strong>der</strong>) Sprachstrukturen<br />

betont, die auf e<strong>in</strong>e Bändigung des Begehrens zielen und damit selbst e<strong>in</strong> Begehren darstellen: +Ich setze voraus,<br />

daß <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird<br />

– und zwar durch gewisse Prozeduren [Ausschließungen, <strong>in</strong>terne Ordnungssysteme, Verknappungen etc.], <strong>der</strong>en<br />

Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, se<strong>in</strong> unberechenbar Ereignishaftes zu bannen,<br />

se<strong>in</strong>e schwere und bedrohliche Materialität zu umgehen […] Denn <strong>der</strong> Diskurs – die Psychoanalyse hat es uns gezeigt<br />

– ist nicht e<strong>in</strong>fach das, was das Begehren offenbart (o<strong>der</strong> verbirgt): er ist auch e<strong>in</strong> Gegenstand des Begehrens; und<br />

<strong>der</strong> Diskurs – dies lehrt uns immer wie<strong>der</strong> die Geschichte – ist auch nicht bloß das, was die Kämpfe o<strong>der</strong> die Systeme

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!