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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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A: ANMERKUNGEN 93<br />

111. Dieser ideologische Charakter ist freilich, um es nochmals zu betonen, nicht objektiv aufzuweisen, son<strong>der</strong>n<br />

kann, wie oben dargelegt wurde, nur – <strong>in</strong> (An-)Deutungen – plausibel gemacht werden.<br />

112. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante biographische +Fußnote* stellt – vor allem im H<strong>in</strong>blick auf die folgenden Ausführungen – allerd<strong>in</strong>gs<br />

die Tatsache dar, daß Luhmann se<strong>in</strong>e professionelle Karriere eben nicht als Wissenschaftler, son<strong>der</strong>n als Bürokrat<br />

im m<strong>in</strong>isterellen System Nie<strong>der</strong>sachsens begann (und somit vielleicht auch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Semantik als die wissenschaftliche<br />

ver<strong>in</strong>nerlicht hat).<br />

113. Schulte orientiert sich bei se<strong>in</strong>er Darstellung eng an von Luhmann verwendeten Metaphern und deckt sehr gründlich<br />

und detailliert <strong>der</strong>en latente Gehalte auf. Diese Detailtreue muß hier lei<strong>der</strong> zugunsten e<strong>in</strong>er größeren Prägnanz geopfert<br />

werden.<br />

114. In dem angegebenen Aufsatz bemerkt Luhmann: +Das humanistische Vorurteil [daß sich Wissenschaft am Menschen<br />

zu orientieren hätte] sche<strong>in</strong>t, gerade weil es so natürlich und traditionsgesichert auftreten kann, zu den ›obstacles<br />

épistemologiques‹ zu gehören, die den Zugang zu e<strong>in</strong>er komplexeren Beschreibung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft blockieren<br />

[…]* (S. 168). Deshalb müssen, wie er an an<strong>der</strong>er Stelle des Sammelbands bemerkt, dem <strong>der</strong> zitierte Text entnommen<br />

ist, +Traditionsbegriffe wie Subjekt und Person zurechtgerückt o<strong>der</strong> ganz aufgegeben werden* (Die Soziologie und<br />

<strong>der</strong> Mensch [Soziologische Aufklärung, Band 6]; S. 11).<br />

115. Es heißt hier: +Der Beobachter ist […] ke<strong>in</strong> ›Subjekt‹, wenn man diese Bezeichnung aus dem Unterschied zum<br />

Objekt gew<strong>in</strong>nt. Aber er ist die Realität se<strong>in</strong>er eigenen Operationen, was aber nur durch e<strong>in</strong>e weitere Beobachtung<br />

festgestellt werden kann, die ihn als [Sub-]System <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Umwelt [dem Sozialsystem] auffaßt.* (S. 78)<br />

116. Als e<strong>in</strong>e Person, die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aufrund ihres +an<strong>der</strong>sartigen*, dunkelhäutigen Aussehens, aber auch wegen<br />

ihrer m<strong>in</strong>oritären Ansichten häufiger Erfahrungen <strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung machen muß, fühle ich mich diesem peripheren,<br />

randständigen Blickw<strong>in</strong>kel, den Luhmann ausklammert, beson<strong>der</strong>s verpflichtet.<br />

117. Diese Logik wird selbst auf den Bereich <strong>der</strong> +Intimität* von Luhmann angewandt. So wird Liebe konsequent<br />

auch nicht als Emotion betrachtet. Vielmehr gilt sie ihm als (abstrakter) symbolischer Code, <strong>der</strong> im Lauf <strong>der</strong> sozialen<br />

Evolution unterschiedliche Bedeutungen angenommen hat und die (konkreten) Gefühle <strong>der</strong> Individuen dementsprechend<br />

unterschiedlich formte (vgl. Liebe als Passion; S. 9ff.). Es kursiert übrigens das Gerücht, daß dieser Text die Verarbeitung<br />

e<strong>in</strong>er gescheiterten Beziehung Luhmanns darstellt.<br />

118. An <strong>der</strong> zitierten Stelle heißt es: +Wenn das Individuum durch Technik <strong>der</strong>art [durch Entfremdungsprozesse]<br />

mag<strong>in</strong>alisiert wird, gew<strong>in</strong>nt es die Distanz, die es möglich macht, das eigene Beobachten zu beobachten. Es weiß<br />

nicht mehr nur sich selbst […] statt dessen gew<strong>in</strong>nt es die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Beobachtung zweiter Ordnung. Individuum<br />

im mo<strong>der</strong>nen S<strong>in</strong>n ist, wer se<strong>in</strong> eigenes Beobachten beobachtet.*<br />

119. Im Rahmen se<strong>in</strong>er Ausführungen zur +Ökologische[n] Kommunikation* (1988) bemerkt Luhmann übrigens<br />

bezeichnen<strong>der</strong>weise, daß er Angst als +Störfaktor im sozialen System* betrachtet (S. 240). Durch den Appell an die<br />

Angst wird die soziale Kommunikation nämlich mit Moral aufgeladen – womit gemäß Luhmann e<strong>in</strong>e rationale Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />

unmöglich wird (vgl. ebd.; S. 245f.). Durch die deflexive Negierung <strong>der</strong> (eigenen) Angst, die offenbar<br />

nicht ausgehalten werden kann und die zu kritischen Reflexionen im S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es reflexiven Handelns zw<strong>in</strong>gen würde,<br />

wird so – ganz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> neuzeitlichen Aufklärung – versucht, e<strong>in</strong>en Rückhalt im rationalen Diskurs zu f<strong>in</strong>den.<br />

Mit Etzioni möchte ich dagegen auf die bedeutende Rolle normativ-affektiver Faktoren für jede Art von Entscheidungsf<strong>in</strong>dung<br />

(und als unabd<strong>in</strong>gbare Selektionsgrundlage gerade für rationale Entscheidungsprozesse) verweisen<br />

(vgl. The Moral Dimension; Abschnitt II).<br />

120. Luhmanns Reflexionsbegriff, <strong>der</strong> im Wesentlichen mit ebendieser Selbstbezüglichkeit zusammenfällt (siehe hierzu<br />

auch S. LXXVf.), ist selbst jedoch natürlich nicht reflexiv im hier def<strong>in</strong>ierten S<strong>in</strong>n, son<strong>der</strong>n erfüllt im Gegenteil, wie<br />

oben dargelegt wurde, die deflexiv-ideologische Funktion, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Thematisierung <strong>der</strong> Selbstbezüglichkeit <strong>der</strong> Systeme<br />

den eigenen Selbstbezug zu elim<strong>in</strong>ieren.<br />

121. Sloterdijk bemerkt übrigens explizit gegen den Funktionalismus gerichtet: +Jede soziologische Systemtheorie,<br />

die ›Wahrheit‹ funktionalistisch behandelt […], birgt e<strong>in</strong> mächtiges zynisches Potential […] Der Marxismus […] bewahrte<br />

immerh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ambivalenz zwischen verd<strong>in</strong>glichenden und emanzipatorischen Perspektiven. Nichtmarxistische<br />

Systemtheorien <strong>der</strong> Gesellschaft lassen noch die letzte Empf<strong>in</strong>dlichkeit fallen.* (Kritik <strong>der</strong> zynischen Vernunft; S. 63)

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