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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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A: ANMERKUNGEN 87<br />

45. Dort bemerkt Heller <strong>in</strong> dem Kapitel +Hermeneutics of Social Science*: +Products of Western culture turn aga<strong>in</strong>st<br />

their own traditions and develop suicidal <strong>in</strong>cl<strong>in</strong>ations.* (S. 40) An<strong>der</strong>erseits zeigt Heller auch auf, wie <strong>der</strong> latente Todeswunsch<br />

<strong>in</strong> +Lebenswillen* umgeformt werden kann, nämlich wenn das durch die Vernunft zutage geför<strong>der</strong>te Bewußtse<strong>in</strong><br />

für Kont<strong>in</strong>genz als +Geschick* (an)erkannt wird – doch zu dieser Transformationsleistung ist nach Heller eben nur<br />

e<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Gesellschaft fähig: +Instead of destroy<strong>in</strong>g it [cont<strong>in</strong>gency], we could try to transform it <strong>in</strong>to our dest<strong>in</strong>y<br />

[…] And it is only mo<strong>der</strong>n society that can transform its cont<strong>in</strong>gency <strong>in</strong>to its dest<strong>in</strong>y, because it is only now that we<br />

have arrived at the consciousness of cont<strong>in</strong>gency.* (Ebd.; S. 41)<br />

46. Latour konstatiert hier – obwohl wir doch angeblich nie mo<strong>der</strong>n gewesen s<strong>in</strong>d – e<strong>in</strong>e Krise <strong>der</strong> Ordnung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne.<br />

Die Trennung zwischen Kultur/Gesellschaft und Natur, die für die Mo<strong>der</strong>ne konstitutiv war, ist durch die Ausbreitung<br />

von Hybriden aufgehoben. Diese Ausbreitung <strong>der</strong> (technischen) Hybride <strong>in</strong> die soziale Welt wird von Latour dezidiert<br />

begrüßt, denn er will den D<strong>in</strong>gen – entgegen <strong>der</strong> immaterialistischen Tendenz <strong>der</strong> (post)mo<strong>der</strong>nen Sprachphilosophie<br />

und <strong>der</strong> primär textzentrierten Wissenschaftssoziologie – ihr Recht zurückgeben, was allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e +neue Verfassung*<br />

notwendig macht. Dabei gilt: +Jeden Begriff, jede Institution und jede Praxis, die die kont<strong>in</strong>uierliche Entfaltung <strong>der</strong><br />

Kollektive und ihr Experimentieren mit Hybriden stören, werden wir als gefährlich, schädlich, und […] unmoralisch<br />

ansehen. Die Vermittlungsarbeit wird damit zum Zentrum <strong>der</strong> doppelten natürlichen und sozialen Macht. Die Netze<br />

treten aus <strong>der</strong> Verborgenheit heraus. Das Reich <strong>der</strong> Mitte wird repräsentiert. Der dritte Stand, <strong>der</strong> nichts war, wird<br />

alles.* (Wir s<strong>in</strong>d nie mo<strong>der</strong>n gewesen; S. 186)<br />

47. E<strong>in</strong>en ganz ähnlichen und zugleich geradezu +entgegengesetzten* Vorwurf müssen sich gemäß Axel Honneth<br />

auch Horkheimer und Adorno gefallen lassen, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>e Geschichtsphilosophie des Verfalls entworfen haben<br />

(vgl. Kritik <strong>der</strong> Macht; S. 68f.). Zudem habe speziell Adorno die soziologische Perspektive – an<strong>der</strong>s als später Foucault<br />

und Habermas – zugunsten <strong>der</strong> verengenden Konzentration auf das Subjekt im Rahmen e<strong>in</strong>es verd<strong>in</strong>glichenden<br />

Systemzusammenhangs aufgegeben (vgl. ebd.; S. 110f.).<br />

48. Auch <strong>in</strong> Kierkegaards Biographie spielte die persönliche Erfahrung <strong>der</strong> Angst übrigens e<strong>in</strong>e zentrale Rolle (vgl.<br />

Der Begriff <strong>der</strong> Angst; Nachwort, S. 152ff.).<br />

49. Richter bemerkt aufgrund dieser z.T. explizit antitheologischen Umdeutung <strong>in</strong> ihrem Nachwort zum +Begriff <strong>der</strong><br />

Angst* (erstmals veröffentlicht 1844): +Wie das Beispiels Heideggers [siehe unten], aber auch zahlreicher an<strong>der</strong>er<br />

Existentialisten zeigt, wird die Bedeutung <strong>der</strong> Aussagen Kierkegaards radikal mißverstanden und <strong>in</strong> ihr Gegenteil verkehrt,<br />

wenn man sie im profanen, glaubenslosen S<strong>in</strong>n nimmt.* (S. 172)<br />

50. Der Begriff <strong>der</strong> +Fürsorge* ist bei Heidegger selbst zwar ursprünglich wohl kaum sozialethisch geme<strong>in</strong>t, kann jedoch<br />

– <strong>in</strong> Anschluß an die poststrukturalistische Rezeptionsl<strong>in</strong>ie – selbstverständlich durchaus so <strong>in</strong>terpretiert werden. Auch<br />

die hermeneutische Philosophie ist eben Auslegungssache.<br />

51. Heidegger kritisiert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift +Über den Humanismus* (1947) das bei Sartre vorliegende metaphysische<br />

Mißverständnis se<strong>in</strong>es oben zitierten Werks +Se<strong>in</strong> und Zeit* (1927): +[...] Plato[n] sagt: die essentia geht <strong>der</strong> existentia<br />

voraus. Sartre kehrt diesen Satz um. Aber die Umkehrung e<strong>in</strong>es metaphysischen Satzes bleibt e<strong>in</strong> metaphysischer<br />

Satz* (S. 17) – und verkennt damit die Wahrheit des Se<strong>in</strong>s als ekstatische +Ek-sistenz*.<br />

52. Deshalb def<strong>in</strong>iert Sartre auch: +Das Bewußtse<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>e eigene Zukunft nach dem Modus des Nicht-se<strong>in</strong>s zu se<strong>in</strong>,<br />

ist genau das, was wir Angst nennen.* (Das Se<strong>in</strong> und das Nichts; S. 96)<br />

53. In dem kurzen Aufsatz +L’existentialisme est un humanisme* (1946) stellt Sartre – sowohl auf Kritik von christlicher<br />

wie marxistischer Seite reagierend – se<strong>in</strong>en existentialistischen Entwurf aus +Das Se<strong>in</strong> und das Nichts* (1943) ausdrücklich<br />

als e<strong>in</strong>e humanistische Philosophie dar, da er die Freiheit <strong>in</strong>s Zentrum rückt. Dabei wähnt er sich – <strong>in</strong> Absetzung<br />

zu Kierkegaards theologischem Konzept – Heidegger nahe. Doch dieser reagierte eher polemisch auf Sartres Buch<br />

und se<strong>in</strong>e <strong>in</strong> diesem Aufsatz gezeigte humanistische Pose (siehe nochmals Anmerkung 51).<br />

54. Auch die (neurotische) Rastlosigkeit <strong>der</strong> Bewegung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne wird <strong>in</strong> Sartres Konzept nicht verabschiedet,<br />

son<strong>der</strong>n weitertransportiert, <strong>in</strong>dem er betont, daß das Selbst (für sich) nicht statisch ist, son<strong>der</strong>n notwendig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Prozeß des ständigen Entwerfens (Konstruierens) entsteht. Diese diskont<strong>in</strong>uierliche Auffassung des Subjekts ist zwar<br />

e<strong>in</strong> begrüßenswerter +Fortschritt* im Gegensatz zu essentialistischen und statisch-kont<strong>in</strong>uierlichen Ego-Konzepten,<br />

aber sie zeigt auch Momente e<strong>in</strong>er +protestantischen Arbeitsethik* im +Geist des Kapitalismus* (Weber), <strong>in</strong>dem das<br />

+für sich* niemals (für sich) se<strong>in</strong> darf, son<strong>der</strong>n sich beständig hervorbr<strong>in</strong>gen muß. Diese zwanghafte und for<strong>der</strong>nde

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