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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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84 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

13. Marx bemerkt im 24. Kapitel des +Kapitals* (Abschnitt VII): +Die kapitalistische Produktion erzeugt mit <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

e<strong>in</strong>es Naturprozesses ihre eigene Negation.* So konnte denn auch Engels <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Grabrede für Marx<br />

ausführen: +Wie Darw<strong>in</strong> das Gesetz <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz<br />

<strong>der</strong> menschlichen Geschichte.* (Zitiert nach Angehrn: Geschichtsphilosophie; S. 105) Allerd<strong>in</strong>gs kann mit gleichem<br />

Recht behauptet werden, Marx habe sich – <strong>in</strong>dem er die Geschichte als Produkt <strong>der</strong> menschlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> Natur und dem sozialen Se<strong>in</strong> betrachtete – von <strong>der</strong> Geschichtsphilosophie gerade verabschiedet (vgl. ebd.;<br />

S. 108ff.).<br />

14. Beck beschreibt zwar, um es nochmals zu betonen, durchaus auch Schattenseiten <strong>der</strong> Individualisierung. Und<br />

er sieht auch gegenmo<strong>der</strong>ne Tendenzen, die reflexive Prozesse unterm<strong>in</strong>ieren (vgl. Die Erf<strong>in</strong>dung des Politischen; Kap.<br />

IV). Die Chancen des ambivalenten Wandlungsprozesses, <strong>in</strong> dem sich die Gesellschaft <strong>der</strong>zeit bef<strong>in</strong>det, werden von<br />

ihm jedoch weit <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund gerückt.<br />

15. Dieser dynamische Charakter <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne wird – aus e<strong>in</strong>er sich explizit +mo<strong>der</strong>n* verstehenden Haltung heraus<br />

und deshalb ohne sich <strong>der</strong> Zwanghaftigkeit des emphatisch betonten +Erneuerungsvermögens* <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne bewußt<br />

zu se<strong>in</strong> – sehr deutlich von Richard Münch formuliert: +Die Dynamik <strong>der</strong> Entwicklung ist […] das grundlegende Merkmal<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kultur*, schreibt er (Die Kultur <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne; Band 1, S. 12). Und an an<strong>der</strong>er Stelle heißt es: +Die Mo<strong>der</strong>ne<br />

ist immer das Neue.* (Ebd.; S. 13) Trotzdem ist die Mo<strong>der</strong>ne Münchs – und dar<strong>in</strong> zeigt sich e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es für mich<br />

zentrales, wennnicht +ursprüngliches*Element<strong>der</strong>(e<strong>in</strong>fachen)Mo<strong>der</strong>ne:nämlich ihr (aus <strong>der</strong> Angst gespeistes) gewaltvolles<br />

Hegemonie- und Vere<strong>in</strong>heitlichungsstreben (siehe unten) – ke<strong>in</strong>esfalls für alle Neuerungen offen. Die komplexe und<br />

kont<strong>in</strong>gente +voluntaristische Ordnung*, die se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach die Mo<strong>der</strong>ne kennzeichnet, ist nämlich für Münch<br />

paradoxerweise an e<strong>in</strong> ganz bestimmtes normativ-kulturelles Muster, nämlich die jüdisch-christliche Tradition, gebunden.<br />

Deshalb lehnt Münch (<strong>der</strong> ohneh<strong>in</strong> eher <strong>der</strong> Theorie-Tradition <strong>der</strong> Parsons-Schule zuzurechnen ist) auch das funktionalistische<br />

Modell Luhmannscher Prägung ab, das die Autonomie und Eigengesetzlichkeit <strong>der</strong> Subsysteme zum<br />

entscheidenden Mo<strong>der</strong>nitätskriterium erhebt (siehe auch S. XXV). Für Münch zeigt sich <strong>der</strong> gesellschaftliche +Entwicklungsstand*<br />

gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionell verankerten sozio-kulturellen Begrenzung <strong>der</strong> Entfaltung <strong>der</strong> Teillogiken<br />

(vgl. <strong>der</strong>s.: Die Struktur <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne; S. 11–22). Se<strong>in</strong> daraus abgeleiteter +normativ-kritischer* Ansatz entpuppt sich<br />

allerd<strong>in</strong>gs, wie oben bereits angedeutet wurde, schnell als eurozentrische Arroganz. Denn den Wert e<strong>in</strong>er (nicht-westlichen)<br />

Kultur für die weitere Erneuerung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne bemißt Münch alle<strong>in</strong>e daran, <strong>in</strong>wieweit sich ihre Muster <strong>in</strong> den durch<br />

den +Okzident* gesetzten Bezugsrahmen <strong>in</strong>tegrieren lassen (vgl. ebd.; S. 23–26).<br />

16. Es handelt sich hier also gewissermaßen um die im Begriff <strong>der</strong> Angst +verdichtete* Beschreibung <strong>der</strong> Bewegung<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne. Trotzdem wage ich – entgegen <strong>der</strong> explizit mikroskopischen Orientierung von Clifford Geertz (vgl.<br />

Thick Description – Toward an Interpretive Description of Culture; S. 20f.) – e<strong>in</strong>en +weiten* Blick. Denn wenn <strong>in</strong> dieser<br />

Ver-Dichtung auch sicher nicht alle Momente zum Tragen kommen, so ist sie me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach doch als hermeneutischer<br />

Ansatzpunkt geeignet, zum Verständnis des kulturellen Kontexts unserer Mo<strong>der</strong>ne beizutragen.<br />

17. E<strong>in</strong>e grundsätzliche Unterscheidung zwischen den Begriffen +Angst* und +Furcht* hält Freud (siehe auch unten)<br />

nicht für s<strong>in</strong>nvoll, wenngleich er – ähnlich Kierkegaard (vgl. Der Begriff Angst; S. 40) – betont, daß <strong>der</strong> Angst-Begriff<br />

sich eher auf e<strong>in</strong>en vom Objekt absehenden Zustand bezieht, während +Furcht die Aufmerksamkeit gerade auf das<br />

Objekt richtet* (Vorlesungen zur E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Psychoanalyse; S. 310).<br />

18. Neben <strong>der</strong> Psychoanalyse gibt es vor allem e<strong>in</strong>flußreiche lerntheoretische und kognitionspsychologische Ansätze<br />

<strong>der</strong> Angst-Theorie. Letztere führen Angst primär auf Kontrollverluste zurück (vgl. z.B. Krohne: Theorien zur Angst;<br />

S. 76–107), was unten noch e<strong>in</strong>e Rolle spielen wird (siehe S. 343).<br />

19. E<strong>in</strong>en ausführlichen Überblick über Freuds Angsttheorie und ihre Weiterentwicklung gibt Thomas Geyer (vgl.<br />

Angst als psychische und soziale Realität).<br />

20. Umgekehrt kann beim <strong>in</strong>dividuellen Scheitern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Angstsituation auch <strong>der</strong> Mechanismus <strong>der</strong> +erlernten<br />

Hilflosigkeit* greifen (vgl. Seligman/Maier: Failure to Escape Traumatic Shocks sowie Abramson/Seligman/Teasdale:<br />

Learned Helplessness <strong>in</strong> Humans).<br />

21. Auch Anthony Giddens betrachtet die Bewegung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne – <strong>in</strong> Anlehnung an Konzepte <strong>der</strong> Freudschen<br />

Psychoanalyse – übrigens explizit als +zwanghaft* und +neurotisch* (vgl. Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er posttraditionalen Gesellschaft;<br />

S. 129ff.).

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