Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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LVIII POLITIK IN DER (POST-)MODERNE for Critical Theory* der +Duke University*, Fredric Jameson. Und dieser rekurriert seinerseits auch weniger auf Offe und Habermas als auf Ernest Mandel: Für letzteren stellte der Spätkapitalismus die dritte Stufe in der Entwicklung des Kapitalismus (nach dem anfänglichen Kapitalismus der freien Konkurrenz und dem imperialistischen Monopol- kapitalismus) dar, in welcher er als multinationaler Kapitalismus globale Ausmaße angenommen 115 hat (vgl. Der Spätkapitalismus; insb. S. 46–69 u. S. 289–317). Im Anschluß an diese hier nur grob dargelegte These Mandels formuliert Jameson: +Jede apologetische oder stigmatisierende Stellungnahme zur Postmoderne auf kultureller Ebene ist gleichzeitig und notwendig eine implizite oder explizite Stellungnahme zum Wesen des heutigen multinationalen Kapitalismus.* (Postmoderne – Zur Logik der Kultur im Spätkapitalismus; S. 47) 116 Da in diesem multinationalen Kapitalismus allerdings die Vereinigten Staaten eine Schüssel- position inne haben, konstatiert er: +Festzuhalten ist die Tatsache, daß diese weltweite (und dennoch amerikanische) postmoderne Kultur nichts anderes als den spezifischen Überbau der allerneuesten Welle globaler amerikanischer Militär- und Wirtschaftsvorherrschaft darstellt.* (Ebd.; S. 49) Die kulturelle Praxis dieser +amerikanischen Internationale* (Huyssen) ist für Jameson durch Tiefenlosigkeit, Flachheit sowie ein Schwinden des Affekts gekennzeichnet, was er an diversen Beispielen erläutert (vgl. ebd.; S. 51–60). Hinzu kommt ein nostalgischer und dennoch ahistorischer Zug der postmodernen Kultur, denn gerade mit dem eklektizistischen Historismus in der Postmoderne erfolgt ein +Zusammenbruch von Zeitlichkeit* (vgl. ebd.; S. 72). Die Kultur wird +zunehmend vom Raum und von der räumlichen Logik dominiert* (S. 70). Daraus ergeben sich Probleme für eine alternative Politik (vgl. ebd.; S. 62), und es kommt zum Verlust der kritischen Distanz gegenüber dem Horizont der Gegenwart (vgl. ebd.; S. 91). So kritisch diese Bemerkungen zur +Logik der Kultur im Spätkapitalismus* jedoch wirken mögen – bei Jameson erfolgt keine einseitige Verdammung der (post)modernen Entwicklung, sondern er erkennt ihre Dialektik an. Die kulturelle Dynamik im Spätkapitalismus erscheint ihm als beides zugleich, als +Katastrophe und als Fortschritt* (ebd.; S. 92). Wie gelangt Jameson zu dieser dialektischen Sichtweise, da er doch in seiner Analyse der gegenwärtigen Kultur ein derart negatives Bild zeichnet? – In der Vergangenheit, so Jameson,

ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? LIX ging man allgemein von der Vorstellung einer Autonomie der Kunst aus und sah gerade darin eine Möglichkeit zur Transzendierung des Bestehenden. Im Spätkapitalismus gilt diese Autonomie der Kunst nicht mehr. Anders als z.B. Horkheimer und Adorno sieht er allerdings nicht die kulturelle Produktion total einer ökonomischen Zweckrationalität untergeordnet (vgl. Dialektik der Aufklärung; S. 128ff.), sondern: +Die Auflösung eines autonomen Kulturbereichs kann im Gegenteil als Aufsprengung verstanden werden; als ungeheure Expansion der Kultur in alle Lebensbereiche, derart, daß man sagen kann, daß alles in unserem gesellschaftliche Leben, vom ökonomischen Wertgesetz und der Staatsgewalt bis zu den individuellen Handlungs- und Verhaltensweisen […] zu ›Kultur‹ geworden ist.* (Postmoderne; S. 93) Eine neue, subversive Form politischer Kunst, die ihm durchaus möglich erscheint und die in die Lage versetzt, die verlorene kritische Distanz wiederzufinden, muß bei dieser Erkenntnis ansetzen und +wird es mit der ›Wahrheit‹ der Postmoderne halten, das heißt festhalten müssen […] am neuartigen Welt-Raum des multinationalen Kapitals* (ebd.; S. 99f.). Kann diese Feststellung Jamesons zur Erhellung der Frage, ob wir es in der aktuellen Situation mit einem Prozeß weitergehender Modernisierung zu tun haben oder ob wir uns doch vielleicht in einer nachhistorischen Postmoderne befinden, in irgendeiner Form beitragen? – Ich glaube ja. Denn wie immer man auch die Gegenwart bezeichnen will: Nur wer der +Tatsache* der Globalisierung Rechnung trägt, kann sich sinnvoll auf Politik und Gesellschaft beziehen, die 117 immer weniger mit dem +altbewährten* Nationalstaat in Deckung kommt. Genau jene von Offe, Habermas und anderen in den 70er Jahren behauptete staatliche Organisation des Kapitalismus ist durch die Ausweitung der Märkte und die Emergenz tatsächlich multinationaler Konzerne in der Gegenwart widersprüchlich geworden (ohne daß diese allerdings als wirtschaftspolitische Option – vor allem in der Form des Protektionismus – aufgegeben worden wäre). Die Frage nach der +Politik in der (Post-)Moderne* muß also immer die (kuturelle) Logik der Politik im (globalisierten) Spätkapitalismus berücksichtigen. Da in dieser spät- und nicht postkapitalistischen Welt Kommunikation und Wissen eine immer zentralere Rolle spielen – wie ich in Anschluß an die (Vor)aussagen von Bell und Lyotard behaupten möchte – ist die Gesellschaft der Gegenwart, zumindest was die +fortgeschrittenen* Regionen im +Zentrum* des internationalen Systems betrifft, auf dem Weg (und vielleicht schon in der Zielgerade) zur postindustriellen Gesellschaft. Doch wie schon im Kontext der

LVIII POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

for Critical Theory* <strong>der</strong> +Duke University*, Fredric Jameson. Und dieser rekurriert se<strong>in</strong>erseits<br />

auch weniger auf Offe und Habermas als auf Ernest Mandel:<br />

Für letzteren stellte <strong>der</strong> Spätkapitalismus die dritte Stufe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung des Kapitalismus<br />

(nach dem anfänglichen Kapitalismus <strong>der</strong> freien Konkurrenz und dem imperialistischen Monopol-<br />

kapitalismus) dar, <strong>in</strong> welcher er als mult<strong>in</strong>ationaler Kapitalismus globale Ausmaße angenommen<br />

115<br />

hat (vgl. Der Spätkapitalismus; <strong>in</strong>sb. S. 46–69 u. S. 289–317). Im Anschluß an diese hier<br />

nur grob dargelegte These Mandels formuliert Jameson:<br />

+Jede apologetische o<strong>der</strong> stigmatisierende Stellungnahme zur <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne auf kultureller Ebene ist<br />

gleichzeitig und notwendig e<strong>in</strong>e implizite o<strong>der</strong> explizite Stellungnahme zum Wesen des heutigen<br />

mult<strong>in</strong>ationalen Kapitalismus.* (<strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne – Zur Logik <strong>der</strong> Kultur im Spätkapitalismus; S. 47) 116<br />

Da <strong>in</strong> diesem mult<strong>in</strong>ationalen Kapitalismus allerd<strong>in</strong>gs die Vere<strong>in</strong>igten Staaten e<strong>in</strong>e Schüssel-<br />

position <strong>in</strong>ne haben, konstatiert er:<br />

+Festzuhalten ist die Tatsache, daß diese weltweite (und dennoch amerikanische) postmo<strong>der</strong>ne Kultur<br />

nichts an<strong>der</strong>es als den spezifischen Überbau <strong>der</strong> allerneuesten Welle globaler amerikanischer Militär-<br />

und Wirtschaftsvorherrschaft darstellt.* (Ebd.; S. 49)<br />

Die kulturelle Praxis dieser +amerikanischen Internationale* (Huyssen) ist für Jameson durch<br />

Tiefenlosigkeit, Flachheit sowie e<strong>in</strong> Schw<strong>in</strong>den des Affekts gekennzeichnet, was er an diversen<br />

Beispielen erläutert (vgl. ebd.; S. 51–60). H<strong>in</strong>zu kommt e<strong>in</strong> nostalgischer und dennoch<br />

ahistorischer Zug <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen Kultur, denn gerade mit dem eklektizistischen Historismus<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne erfolgt e<strong>in</strong> +Zusammenbruch von Zeitlichkeit* (vgl. ebd.; S. 72). Die Kultur<br />

wird +zunehmend vom Raum und von <strong>der</strong> räumlichen Logik dom<strong>in</strong>iert* (S. 70). Daraus ergeben<br />

sich Probleme für e<strong>in</strong>e alternative <strong>Politik</strong> (vgl. ebd.; S. 62), und es kommt zum Verlust <strong>der</strong><br />

kritischen Distanz gegenüber dem Horizont <strong>der</strong> Gegenwart (vgl. ebd.; S. 91). So kritisch diese<br />

Bemerkungen zur +Logik <strong>der</strong> Kultur im Spätkapitalismus* jedoch wirken mögen – bei Jameson<br />

erfolgt ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige Verdammung <strong>der</strong> (post)mo<strong>der</strong>nen Entwicklung, son<strong>der</strong>n er erkennt<br />

ihre Dialektik an. Die kulturelle Dynamik im Spätkapitalismus ersche<strong>in</strong>t ihm als beides zugleich,<br />

als +Katastrophe und als Fortschritt* (ebd.; S. 92).<br />

Wie gelangt Jameson zu dieser dialektischen Sichtweise, da er doch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Analyse <strong>der</strong><br />

gegenwärtigen Kultur e<strong>in</strong> <strong>der</strong>art negatives Bild zeichnet? – In <strong>der</strong> Vergangenheit, so Jameson,

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