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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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A: ANMERKUNGEN 57<br />

von Intimsphäre und Öffentlichkeit prägen und sich <strong>in</strong> den Schlüsselbegriffen Subjektivität und Selbstverwirklichung,<br />

rationaler Me<strong>in</strong>ungs- und Willensbildung sowie persönlicher und politischer Selbstbestimmung artikulieren, haben<br />

die Institutionen des Verfassungsstaates soweit imprägniert, daß sie als utopisches Potential über e<strong>in</strong>e Verfassungswirklichkeit,<br />

die sie zugleich dementiert, auch h<strong>in</strong>ausweisen […] Diese Denkfigur verführt freilich nicht nur zu e<strong>in</strong>er Idealisierung<br />

<strong>der</strong> bürgerlichen Öffentlichkeit […]; sie stützt sich auch […] auf geschichtsphilosophische H<strong>in</strong>tergrundannahmen,<br />

die spätestens von den zivilisatorischen Barbareien des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts wi<strong>der</strong>legt worden s<strong>in</strong>d.* (S. 33f.)<br />

212. Sennett bezeichnet damit, <strong>in</strong> Anlehnung an Tocqueville, das 18. Jahrhun<strong>der</strong>t <strong>in</strong>sgesamt, also +die Periode, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Handels- und Verwaltungsbürokratie heranwuchs, während gleichzeitig Feudalprivilegien noch Geltung besaßen*<br />

(Verfall und Ende des öffentlichen Lebens; S. 65).<br />

213. Für Adorno, <strong>der</strong> diesen Begriff <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en +Studien zum autoritären Charakter* (1949/50) verwendet, ist Anti-Intrazeption<br />

als die +Abwehr des Subjektiven, des Phantasievollen, des Sensiblen* (S. 144f.) e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Charakteristika für e<strong>in</strong>e Ichschwache<br />

autoritäre Persönlichkeit.<br />

214. Er zitiert dazu zum Beleg aus e<strong>in</strong>em Brief Lord Chesterfields an se<strong>in</strong>en Sohn: +Vor allem verbanne das Ich aus<br />

de<strong>in</strong>en Gesprächen! Denke niemals daran, an<strong>der</strong>e von de<strong>in</strong>en eigenen Angelegenheiten zu unterhalten! S<strong>in</strong>d sie<br />

auch für dich wichtig, so s<strong>in</strong>d sie doch für jeden an<strong>der</strong>en langweilig und albern.* (Ebd.; S. 82)<br />

215. In diesem Zusammenhang bemerkt Sennett übrigens, daß man David Riesmans These aus +Die e<strong>in</strong>same Masse*,<br />

(1950) nach <strong>der</strong> <strong>der</strong> +<strong>in</strong>nengeleitete* Charakter durch den +außengeleiteten* abgelöst worden sei, umkehren müsse.<br />

Diese Aussage entspr<strong>in</strong>gt jedoch me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach e<strong>in</strong>er Fehl<strong>in</strong>terpretation Riesmans, <strong>der</strong> unter e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>nengeleiteten<br />

Charakter nicht, wie Sennett, e<strong>in</strong>e selbstbezogene Persönlichkeit verstand, son<strong>der</strong>n vielmehr mit se<strong>in</strong>er These aussagen<br />

wollte, daß sich die Menschen zunehmend nicht mehr an ver<strong>in</strong>nerlichten Normen, son<strong>der</strong>n an ihrem sozialen Umfeld<br />

orientieren (vgl. S. 52).<br />

216. Es ist offensichtlich, daß Sennett sich hierbei primär auf den tatsächlich zu beobachtenden Verfall <strong>der</strong> Zentren<br />

<strong>der</strong> amerikanischen Großstädte bezieht, <strong>der</strong> aber nicht <strong>in</strong> gleicher Weise für europäische Städte gilt.<br />

217. Entgegen Sennett dom<strong>in</strong>iert für mich jedoch nicht e<strong>in</strong>seitig e<strong>in</strong>e Intimisierung <strong>der</strong> öffentlichen Sphäre, son<strong>der</strong>n<br />

daneben hat die Medienöffentlichkeit auch <strong>in</strong>vasiven Charakter, d.h. sie dr<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> den privaten Raum e<strong>in</strong>. Auf diesen<br />

Punkt werde ich im folgenden allerd<strong>in</strong>gs noch detaillierter e<strong>in</strong>gehen.<br />

218. Wie Habermas selbst e<strong>in</strong>räumt, gerät aus dieser Perspektive das Vorhandense<strong>in</strong> und die Wirkung <strong>der</strong> durchaus<br />

e<strong>in</strong>mal existent gewesenen proletarischen Öffentlichkeit aus dem Blickfeld. Das gilt me<strong>in</strong>es Erachtens auch für an<strong>der</strong>e<br />

Formen subbürgerlicher Öffentlichkeit. So wäre z.B. zu untersuchen, ob es nicht auch e<strong>in</strong>e spezifische kle<strong>in</strong>bürgerliche<br />

Öffentlichkeit gegeben hat. Daß Öffentlichkeit gerade während <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> +Weimarer Republik* z.B. e<strong>in</strong>e Sphäre<br />

des Klassenkampf und des Kampfs zwischen Faschisten und Kommunisten war, wird ebenso ignoriert.<br />

219. Selbst wo wir uns im tatsächlichen öffentlichen Raum bewegen und nicht auf den fiktiven öffentlichen Raum<br />

<strong>der</strong> medialen Bil<strong>der</strong>welten starren, kennen wir die Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht, denen wir auf <strong>der</strong> Straße begegnen<br />

o<strong>der</strong> mit denen wir vielleicht sogar zusammen gegen den Bau e<strong>in</strong>es neuen Kernkraftwerks demonstrieren.<br />

220. E<strong>in</strong>en historischen Überblick über die Entwicklung des Mediensystems (allerd<strong>in</strong>gs im wesentlichen konzentriert<br />

auf die Film- und Fernseh<strong>in</strong>dustrie) gibt Dieter Prokop. In se<strong>in</strong>em Band +Medien-Macht und Massen-Wirkung* (1995)<br />

unterscheidet er folgende Phasen: Bis zum ersten Weltkrieg dom<strong>in</strong>ierten angeblich kle<strong>in</strong>e Firmen und es herrschte<br />

e<strong>in</strong> Zustand freier Kreativität. 1915 bis 1930 kam es dann zur Entstehung von Medienkonzernen. Die Zeit von 1930<br />

bis 1945 war geprägt von Monopolen und e<strong>in</strong>er +Industrialisierung* des Mediensystems. 1945 bis 1960 wichen die<br />

Monopole Oligopolen (zum<strong>in</strong>dest bei Film und Fernsehen). 1960 bis 1985 entstanden Medien-Mischkonzerne und<br />

es kam zur Internationalisierung des Mediengeschäfts. Seit 1985, so Prokop, ist die Medienlandschaft durch e<strong>in</strong> globales<br />

Medienoligopol und die Konkurrenz um Software geprägt.<br />

221. Dort heißt es: +In choos<strong>in</strong>g and display<strong>in</strong>g news, editors, newsroom staff, and broadcasters play an important<br />

part <strong>in</strong> shap<strong>in</strong>g political reality. Rea<strong>der</strong>s learn not only about a given issue, but also how much importance to attach<br />

to that issue from the amount of <strong>in</strong>formation <strong>in</strong> a newsstory and its position. In reflect<strong>in</strong>g what candidates are say<strong>in</strong>g<br />

dur<strong>in</strong>g a campaign, the mass media may well determ<strong>in</strong>e the important issues – that is, the media may set the ›agenda‹<br />

of the campaign.* (S. 176)

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