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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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56 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

201. Ähnlich wie Jürgen Gerhards an Luhmann anschließt (siehe Anmerkung 202), so knüpft Bernhard Peters an Habermas<br />

an und formuliert drei Grundmerkmale von Öffentlichkeit im normativen Modell. Und dazu gehört – neben ihrer<br />

Offenheit und ihrer diskursiven Struktur, die Habermas vor allem betont – eben auch Reziprozität (vgl. Der S<strong>in</strong>n von<br />

Öffentlichkeit; S. 45ff.). Alle drei Merkmale s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unserer realen, massenmedialen Öffentlichkeit jedoch kaum verwirklicht.<br />

Zum Teil ist dies unvermeidbar, da vollständige Reziprozität und Offenheit sich <strong>in</strong> komplexen Massengesellschaften<br />

nicht verwirklichen lassen. Zum Teil kommen jedoch auch Exklusions- und Absperrungsmechanismen zum Tragen,<br />

die, wenn man am beschriebenen Modell festhalten will, durchaus abgebaut werden könnten (vgl. ebd.; S. 51–70).<br />

202. E<strong>in</strong>e (lei<strong>der</strong> kaum wirklich orig<strong>in</strong>elle) Verb<strong>in</strong>dung von Luhmannscher Systemtheorie und Handlungstheorie versucht<br />

aufgrund dieses Defizits Jürgen Gerhards (vgl. Politische Öffentlichkeit – E<strong>in</strong> system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch).<br />

Dieser hat übrigens auch e<strong>in</strong>e umfangreiche empirische Studie zur Anti-IWF-Kampagne 1988 vorgelegt,<br />

wo im Theorieteil se<strong>in</strong> von Luhmann abweichendes Öffentlichkeitskonzept noch e<strong>in</strong>mal ausführlich dargelegt wird<br />

(vgl. Neue Konfliktl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mobilisierung öffentlicher Me<strong>in</strong>ung – E<strong>in</strong>e Fallstudie).<br />

203. In se<strong>in</strong>em vor kurzem erschienen Band +Die Realität <strong>der</strong> Massenmedien* (1996) weist Luhmann zwar auch auf<br />

den Beitrag <strong>der</strong> Medien zur Realitätskonstruktion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft h<strong>in</strong> (vgl. S. 183). Der von mir mit Bezug auf se<strong>in</strong><br />

noch unveröffentlichtes Manuskript +Die <strong>Politik</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft* betonte Generierungsaspekt tritt hier jedoch gegenüber<br />

e<strong>in</strong>er bloßen +Repräsentationsfunktion* öffentlicher Me<strong>in</strong>ung zurück (vgl. ebd.; S. 188).<br />

204. Goffman hat sich mit den +Strukturen und Regeln <strong>der</strong> Interaktion im öffentlichen Raum* <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch +Verhalten<br />

<strong>in</strong> sozialen Situationen* (1963) ausführlich ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>gesetzt. Auf se<strong>in</strong>e umfangreiche Analyse <strong>der</strong> Regeln dieser Interaktion<br />

kann hier jedoch lei<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>gegangen werden.<br />

205. E<strong>in</strong>en +Darsteller*, <strong>der</strong> nicht von <strong>der</strong> eigenen Rolle überzeugt ist, nennt Goffman +zynisch* (vgl. Wir alle spielen<br />

Theater; S. 20).<br />

206. Dies trifft selbstverständlich nicht ausnahmslos zu. Auch die großen Städte des Altertums und des Mittelalters<br />

waren durch e<strong>in</strong> gewiß sehr hohes Maß an Anonymisierung im Vergleich zum dörflichen Kontext charakterisiert.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs hatte wohl auch dort die Öffentlichkeit e<strong>in</strong> weit höheres Maß an Konkretheit als unsere medienvermittelte<br />

Öffentlichkeit heute.<br />

207. Diese im Gegensatz zu Habermas stehende Feststellung (siehe S. 168) bewahrheitet sich übrigens auch, wenn<br />

man das +klassische* Modell für e<strong>in</strong>e diskursive politische Öffentlichkeit schlechth<strong>in</strong> betrachtet: Selbst die griechische<br />

Agora hat ihren Ursprung als ganz normaler Handelsplatz (vgl. z.B. Bleicken: Die athenische Demokratie; S. 128ff.<br />

o<strong>der</strong> Mumford: Die Stadt; S. 175–186). Wahrsche<strong>in</strong>lich ist es also ke<strong>in</strong> Zufall, daß das Wort +Agora* heute <strong>in</strong> Israel<br />

für e<strong>in</strong>e Währungs(unter)e<strong>in</strong>heit steht.<br />

208. Diese Kodifikation hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegenwart ganz offenbar wie<strong>der</strong> stark abgenommen, doch deuten e<strong>in</strong>ige Autoren<br />

die aktuell zu beobachtende Informalisierung gerade als Anzeichen für e<strong>in</strong>e umso rigi<strong>der</strong>e Internalisierung, die auf<br />

<strong>der</strong> Oberfläche allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e +Liberalisierung* erlaubt (vgl. Wouters: Informalisierung und <strong>der</strong> Prozeß <strong>der</strong> Zivilisation).<br />

Umgekehrt hat Hans-Peter Dürr darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß <strong>der</strong> Zivilisationsprozeß, so wie ihn Elias darstellt, weitgehend<br />

fiktiven Charakter hat. Anhand zahlreicher Beispiele zeigt er nämlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em dreibändigen Werk +Der Mythos vom<br />

Zivilisationsprozeß* (1988–93) auf, daß auch schon im Mittelalter das Leben vielfach reglementiert war und ke<strong>in</strong>esfalls<br />

+weichere* Standards herrschten.<br />

209. Zur Bedeutung des mo<strong>der</strong>nen Pr<strong>in</strong>tkapitalismus im Zusammenhang <strong>der</strong> +Kreation* des bürgerlichen Nationalstaats<br />

vgl. <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e An<strong>der</strong>son: Die Erf<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Nation.<br />

210. Hierzu (als Ergänzung) e<strong>in</strong> weiteres Zitat, das diesen Zusammenhang klar herausstellt: +Die politisch fungierende<br />

Öffentlichkeit erhält den normativen Status e<strong>in</strong>es Organs <strong>der</strong> Selbstvermittlung <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft mit e<strong>in</strong>er<br />

ihren Bedürfnissen entsprechenden Staatsgewalt. Die soziale Voraussetzung dieser ›entfalteten‹ bürgerlichen Öffentlichkeit<br />

ist e<strong>in</strong> tendenziell liberalisierter Markt, <strong>der</strong> den Verkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> gesellschaftlichen Reproduktion soweit<br />

irgend möglich zu e<strong>in</strong>er Angelegenheit <strong>der</strong> Privatleute unter sich macht und so die Privatisierung <strong>der</strong> bürgerlichen<br />

Gesellschaft erst vollendet.* (Strukturwandel <strong>der</strong> Öffentlichkeit; S. 142)<br />

211. Habermas bemerkt hier: +Die Dialektik <strong>der</strong> bürgerlichen Öffentlichkeit, die den Aufbau des Buches bestimmt,<br />

verrät sogleich den ideologiekritischen Ansatz. Die Ideale des bürgerlichen Humanismus, die das Selbstverständnis

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