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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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54 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

181. Am Schluß se<strong>in</strong>es Buches entwirft Beck die +Utopie* e<strong>in</strong>er +ökologischen Demokratie*, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das System <strong>der</strong><br />

organisierten Unverantwortlichkeit aufgebrochen ist. Als Wege dorth<strong>in</strong> nennt Beck drei mögliche +Gegengifte*: 1.<br />

Strategien <strong>der</strong> Denormalisierung von Akzeptanz; 2. Strategien <strong>der</strong> Entmonopolisierung und <strong>der</strong> erweiterten Sicherheitsdef<strong>in</strong>ition;<br />

3. Strategien <strong>der</strong> Umverteilung von Beweislasten und <strong>der</strong> Herstellung von Zurechenbarkeit (vgl. Gegengifte;<br />

S. 273–288).<br />

182. E<strong>in</strong>e Ausnahme bildet hier vielleicht <strong>der</strong> Ansatz von Beck. Zwar weist dieser, wie oben dargelegt, auf die Problematik<br />

technokratischer Risikoverwaltung h<strong>in</strong>. Doch, wie unten deutlich werden wird, ist ihm auch die Tatsache <strong>der</strong> +Autonomisierung<br />

<strong>der</strong> (politischen) Verwendung* bewußt.<br />

183. Illich führt die Entstehung e<strong>in</strong>es +Expertenkartells* – was gleichzeitig e<strong>in</strong>e Entpolitisierung <strong>der</strong> Gesellschaft bedeutet<br />

– <strong>in</strong> Anlehnung an Bell (siehe auch S. LIV) auf den Umschwung von <strong>der</strong> Industrie- zur post<strong>in</strong>dustriellen Wissensgesellschaft<br />

zurück: +Die gesellschaftliche Autonomie <strong>der</strong> Experten und ihre Vollmacht, die Bedürfnisse <strong>der</strong> Gesellschaft zu def<strong>in</strong>ieren,<br />

s<strong>in</strong>d logischerweise Formen <strong>der</strong> Oligarchie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er politischen Kultur, <strong>in</strong> <strong>der</strong> materieller Besitz durch Wissenskapital-<br />

Zertifikate […] ersetzt wurde.* (Entmündigende Expertenherrschaft; S. 16)<br />

184. E<strong>in</strong> beredter Ausdruck für diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Planungseuphorie <strong>der</strong> 60er und 70er Jahre weit verbreitete Auffassung<br />

ist z.B. Klaus Lompes Buch +Wissenschaftliche Beratung <strong>der</strong> <strong>Politik</strong>* (1966).<br />

185. Benveniste gebraucht den <strong>in</strong>dischen Begriff +Pundit* (Pandit), <strong>der</strong> eigentlich am genauesten mit +Meister* zu<br />

übersetzen wäre. Da im Englischen jedoch das Wortpaar +Pr<strong>in</strong>ce/Pundit* e<strong>in</strong>e Alliteration bildet, habe ich mich <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Übersetzung für das äquivalent +funktionierende* Begriffspaar +Fürst/Fachmann* entschieden.<br />

186. Auch die von mir oben zitierte Arbeit von Schnei<strong>der</strong> entstand im Kontext dieses Forschungsprojekts.<br />

187. Dies wird <strong>in</strong> Kapitel 3 deutlich werden, wo die Dilemmata, die sich aus den <strong>in</strong> diesem Kapitel beschriebenen<br />

Wandlungsprozessen ergeben, diskutiert werden.<br />

188. Beck und Bonß sprechen (bezugnehmend auf e<strong>in</strong>en früheren Artikel Becks) von +sekundärer Verwissenschaftlichung*<br />

(vgl. Soziologie und Mo<strong>der</strong>nisierung; S. 385). In <strong>der</strong> +Risikogesellschaft* (1986) steht h<strong>in</strong>gegen <strong>der</strong> bereits dargelegte<br />

Begriff <strong>der</strong> +reflexiven Verwissenschaftlichung*. Me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach sollte man mit reflexiver Verwissenschaftlichung<br />

allerd<strong>in</strong>gsnur diewissenschaftstheoretischeSelbsth<strong>in</strong>terfragungvon wissenschaftlicherWahrheitund diesozialeReflexivität<br />

wissenschaftlicher Theorie und Praxis bezeichnen. Die politisch-adm<strong>in</strong>istrative Instrumentalisierung von Wissenschaft<br />

zur Abwehr <strong>der</strong> Reflexivität von Wissenschaft und Technik ist me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach besser mit dem hier von mir<br />

gebrauchten Begriff <strong>der</strong> deflexiven (d.h. ablenkenden) Verwissenschaftlichung erfaßt.<br />

189. Tenbruck me<strong>in</strong>t mit Trivialisierung e<strong>in</strong>e Art Gesetzmäßigkeit <strong>der</strong> Wissenschaftsentwicklung: +[…] im Wissensfortschritt<br />

verlieren die Erkenntnisse zunehmend an Bedeutung. In <strong>der</strong> Ausgangslage des Prozesses haben sie e<strong>in</strong>en hohen<br />

Bedeutungswert, h<strong>in</strong>gegen meist ke<strong>in</strong>en Nutzungswert, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Endlage umgekehrt ke<strong>in</strong>en Bedeutungs-, gewöhnlich<br />

aber e<strong>in</strong>en hohen Nutzungswert. Der Anstieg <strong>der</strong> Nutzungswerte ist e<strong>in</strong>e häufige Begleitersche<strong>in</strong>ung des Trivialisierungsprozesses,<br />

kann hier jedoch außer Betracht gelassen werden. Die Trivialisierung bezieht sich also nur auf den Bedeutungsschwund.<br />

Dieser aber tritt im Wissensfortschritt mit e<strong>in</strong>er gewissen Zwangsläufigkeit e<strong>in</strong>. Der Fortschritt <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

br<strong>in</strong>gt uns zwar immer mehr Erkenntnisse e<strong>in</strong>, entkleidet sie dabei jedoch ihrer Bedeutung. Wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong>s Soziologische<br />

übersetzt: die Wissenschaft hat ursprünglich Handlungslegitimation geliefert, weil ihre Erkenntnisse Bedeutungswert<br />

besaßen. Der Trivialisierungsprozeß stutzt Wissenschaft zurück auf die facta bruta von Tatsachenaussagen. Sie fällt<br />

damit als Legitimationsquelle <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen Gesellschaft aus, o<strong>der</strong> wird doch zu e<strong>in</strong>er sehr problematischen Quelle<br />

für Legitimation.* (Der Fortschritt <strong>der</strong> Wissenschaft als Trivialisierungsprozeß; S. 23f.)<br />

Ich teile diese Sicht Tenbrucks <strong>in</strong>soweit, als er davon spricht, daß durch Trivialisierung (die ich, an<strong>der</strong>s als er und<br />

wie bereits im Haupttext bemerkt, als Übersetzungsverlust von Theorie <strong>in</strong> Praxis verstehe) die Legitimationskraft von<br />

Wissenschaft nachläßt. Ansonsten möchte ich mich weitgehend <strong>der</strong> Kritik von Beck und Bonß anschließen: +Bei Tenbruck<br />

me<strong>in</strong>t Trivialisierung e<strong>in</strong>e für die neuzeitliche Wissenschaft typische Steigerung des <strong>in</strong>strumentellen ›Nutzungswertes‹<br />

von Erkenntnissen zu Lasten ihres (nicht-<strong>in</strong>strumentellen, letztlich transzendenten) ›Bedeutungswerts‹ […] So def<strong>in</strong>iert<br />

fällt ›Trivialisierung‹ mit (e<strong>in</strong>er letztlich kulturpessimistisch verstandenen) ›Säkularisierung‹ zusammen – e<strong>in</strong>e Gleichsetzung,<br />

die kaum geeignet ersche<strong>in</strong>t, um die uns <strong>in</strong>teressierenden Phänomene zu erfassen. Statt dessen wäre ›Trivialisierung‹<br />

[…] analytischer zu akzentuieren und als Chiffre für e<strong>in</strong>e Transformationstheorie zu begreifen, die darauf abzielt,<br />

die Formen und Folgen <strong>der</strong> praktischen Veralltäglichung wissenschaftlichen Wissens <strong>in</strong> den Griff zu bekommen.*<br />

(Soziologie und Mo<strong>der</strong>nisierung; S. 395)

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