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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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A: ANMERKUNGEN 45<br />

95. Ich b<strong>in</strong> mir <strong>der</strong> Problematik e<strong>in</strong>es solchen +Mißverstehens* bewußt und teile auch grundsätzlich die Bedenken<br />

gegen e<strong>in</strong>e systemtheoretische Rechtstheorie, die z.B. Andrés Ollero (speziell <strong>in</strong> bezug auf Luhmann) formuliert hat<br />

(vgl. Die technokratische Funktion des Rechts <strong>in</strong> <strong>der</strong> Systemtheorie von Niklas Luhmann). An<strong>der</strong>erseits steht Teubner<br />

ja auch gewissermaßen zwischen Luhmann und Habermas (siehe Anmerkung 94), und selbst die Luhmannsche<br />

Systemtheorie be<strong>in</strong>haltet gerade durch ihre streng analytisch-funktionalistische Betrachtungsweise e<strong>in</strong> kritisches Potential,<br />

das allerd<strong>in</strong>gs, wenn man <strong>in</strong> ihrem eigenen Rahmen verbleibt, <strong>in</strong>s Gegenteil verkehrt wird. Deshalb ist es begrüßenswert,<br />

daß Ingeborg Maus (als dezidiert +kritische* Wissenschaftler<strong>in</strong>) zu e<strong>in</strong>er im Pr<strong>in</strong>zip ähnlichen E<strong>in</strong>schätzung von Teubners<br />

Konzept gelangt, wenn sie formuliert: +E<strong>in</strong>e Entwicklung ›reflexiven‹ Rechts unter demokratischen Vorzeichen stünde<br />

<strong>in</strong> genauem Gegensatz zu den gegenwärtig herrschenden Trends […] Die Ausdehnung des Pr<strong>in</strong>zips ›reflexiver Institutionalisierung‹<br />

auf gesellschaftliche Normbildungsprozesse enthält entscheidende Modifikationen des Luhmannschen<br />

Konzepts.* (Verrechtlichung, Entrechtlichung und <strong>der</strong> Funktionswandel von Institutionen; S. 297f.)<br />

96. E<strong>in</strong>e ausführliche Diskussion <strong>der</strong> Frage, ob Recht als autopoietisches System angesehen werden kann – wobei<br />

auch die Unterschiede <strong>der</strong> Sichtweise Teubners und Luhmanns deutlich herausgearbeitet werden –, f<strong>in</strong>det sich bei<br />

Ladeur (vgl. <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne Rechtstheorie; S. 155–175).<br />

97. Die Bestreitung und Relativierung des <strong>in</strong>strumentellen Charakters des Rechts, wie sie hier auch Teubner betreibt,<br />

gehört fundamental zur <strong>in</strong> weiten Teilen idealisierenden Betrachtungsweise des Rechts durch die bürgerliche Rechtstheorie<br />

(was Teubner allerd<strong>in</strong>gs nicht vorgeworfen werden kann). So sieht Werner Maihofer das Recht gar als sozial- und<br />

ideologiekritische Instanz an (vgl. Ideologie und Recht; 33ff.). Diese Betrachtungsweise hat natürlich e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Berechtigung, <strong>in</strong>dem bestehende Rechtsnormen zum Maßstab <strong>der</strong> Praxis wie <strong>der</strong> weiteren Rechtsentwicklung genommen<br />

werden können. Der Grund dafür liegt jedoch weniger im sozial- und ideologiekritischen Charakter des Rechts selbst,<br />

son<strong>der</strong>n hat mit <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>es sozial- und ideologiekritischen Umgangs mit Recht zu tun. Die bürgerliche<br />

Rechtstheorie macht von dieser Möglichkeit jedoch kaum Gebrauch. So will z.B. Ulrich Penski alles an<strong>der</strong>e im Recht<br />

sehen, nur ke<strong>in</strong> Mittel von <strong>Politik</strong>: Denn Recht als +geronnene <strong>Politik</strong>* ist für ihn primär Inhalt, Gegenstand, Ziel und<br />

(wie bei Maihofer) Maßstab von <strong>Politik</strong> (vgl. Recht als Mittel von <strong>Politik</strong>; S. 39ff. sowie sehr ähnlich dazu auch Grimm:<br />

Recht und <strong>Politik</strong>; S. 501–505). Darüber h<strong>in</strong>aus fungiert es se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach als S<strong>in</strong>nmittler wie als Kommunikationsmedium<br />

<strong>der</strong> <strong>Politik</strong>, bildet aber trotzdem e<strong>in</strong>e (eigenständige) gesellschaftliche Struktur (vgl. Recht als Mittel von <strong>Politik</strong>;<br />

S. 43f.) – womit sich <strong>der</strong> autopoietische Begründungszirkel sozusagen geschlossen hat.<br />

98. Welch immanent politischen Charakter das Recht auch auf konkreter Ebene hat, kann hier lei<strong>der</strong> nicht (ausführlich)<br />

dargestellt werden. Ich möchte deshalb beson<strong>der</strong>s auf die diversen Beiträge hierzu <strong>in</strong> dem von David Kairrys herausgegebenen<br />

Band +The Politics of Law* (1982) verweisen.<br />

99. Rüdiger Voigt weist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auf e<strong>in</strong>e TV-Äußerung des damaligen Bundeskanzlers Schmidt<br />

vom Herbst1978 h<strong>in</strong>, <strong>der</strong>angesichtse<strong>in</strong>igerdieRegierungspolitik konterkarierenden UrteiledesBundesverfassungsgerichts<br />

von e<strong>in</strong>er +Notwendigkeit <strong>der</strong> Selbstbeschränkung* gesprochen hatte (vgl. Politische Funktionen von Gerichten; S.<br />

225). Ähnliche, ja sogar weit schärfere Töne waren auch <strong>in</strong> letzter Zeit seitens e<strong>in</strong>iger konservativer <strong>Politik</strong>er zu hören,<br />

denen zum Beispiel die liberale Rechtsprechung des BVG im sog. +Kruzifix-Urteil* mißfiel (das Gericht stellte klar,<br />

daß e<strong>in</strong> im Klassenraum e<strong>in</strong>er öffentlichen Schule angebrachtes Kruzifix auf Wunsch abgenommen werden muß,<br />

wenn sich jemand durch das Kreuz gestört fühlt).<br />

100. Niklas Luhmann me<strong>in</strong>t sogar, daß die richterliche +Kreativität* weit über bloße Gesetzes<strong>in</strong>terpretation h<strong>in</strong>ausgeht.<br />

F<strong>in</strong>den Richter ke<strong>in</strong>e +passenden* Gesetze vor, so +erf<strong>in</strong>den* sie selbst allgeme<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>zipien für ihre Urteilsf<strong>in</strong>dung<br />

(vgl. Rechtssoziologie; S. 234f.).<br />

101. Zusätzlich weist Hagen auch darauf h<strong>in</strong>, daß durch den sozialen Individualisierungsprozeß gewissermaßen auch<br />

e<strong>in</strong>e +Individualisierung des Rechts* stattgefunden hat, die <strong>in</strong> Kollision mit dem egalitären Anspruch des Rechts und<br />

se<strong>in</strong>er Allgeme<strong>in</strong>gültigkeit gerät (vgl. Politisierung des Rechts; S. 20).<br />

102. Dieses juristische Rollenselbstverständnis (siehe hierzu auch Anmerkung 105 und vgl. <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Treiber:<br />

Juristische Lebensläufe; S. 26f. sowie Werle: Justizorganisation und Selbstverständnis <strong>der</strong> Richter; Abschnitt 5.1) ist<br />

auch gesetzlich fixiert. Im Grundgesetz heißt es zwar: +Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut.*<br />

(Art. 92). Dabei s<strong>in</strong>d diese allerd<strong>in</strong>gs, wie die Exekutive, streng +an Gesetz und Recht gebunden* (ebd., Art. 20) und<br />

nur <strong>in</strong> diesem Rahmen unabhängig (vgl. ebd., Art. 97). Im Deutschen Richtergesetz heißt es sogar weitergehend:<br />

+Der Richter hat sich <strong>in</strong>nerhalb und außerhalb se<strong>in</strong>es Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, daß<br />

das Vertrauen [!] <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Unabhängigkeit nicht gefährdet ist.* (§ 39)

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