Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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14 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE Volkswirtschaftler Cournot bezog. Cournot selbst verwendete den Begriff allerdings nicht direkt, sondern +lehrte [gemäß Gehlen] einen Endzustand, in dem die Geschichte stillsteht, da sie angesichts des regelmäßigen Funktionierens derder der Verwaltung und der Industrie nur noch störende Wirkung habe* (Ende der Geschichte?; S. 126). 104. Fukuyama führt seine These vom +Ende der Geschichte* (1989) auf den Triumph des westlichen Denkens nach dem Zusammenbruch der +sozialistischen* Systeme des Ostens zurück, denn damit sei es zu einer +völligen Erschöpfung aller Alternativen zum westlichen Liberalismus* (S. 3) gekommen. Demgemäß stünden uns also +Jahrhunderte der Langeweile* bevor – wie übrigens schon Walt W. Rostow meinte (vgl. Stadien wirtschaftlichen Wachstums; S. 92). 105. Gehlens Aufsatz +Über kulturelle Kristallisation* erschien 1963. Riesmans Essay, in dem er die postindustrielle Gesellschaft als Gesellschaft des unbeschränkten Konsums darstellt (vgl. Leisure and Work in Post-Industrial Society; S. 371ff.) stammt aus dem Jahr 1958. Noch früher taucht der Begriff jedoch bei Coomaraswamy und Penty auf, die 1914 eine Sammlung von +Essays in Post-Industrialism* veröffentlichten (vgl. Rose: The Post-Modern and the Post-Industrial; S. 169). 106. Die deutsche Übersetzung, auf die ich mich beziehe, lag allerdings erst 1972 vor. 107. Auch Bells Werk erschien in deutscher Sprache später als das Original mit dem Titel +The Coming of Post-Industrial Society*, nämlich 1975. 108. Der Studentenbewegung widmet Touraine ein ganzes Kapitel. 109. Bell bezieht sich mit seiner Einteilung auf Colin Clark (Conditions of Economic Progress). Diese heute allgemein gebräuchliche Differenzierung in einen primären, sekundären und tertiären Sektor wird manchmal auch auf Jean Fourastié zurückgeführt. Beides ist jedoch +falsch*, denn tatsächlich geht sie, wie Fourastié in einer Fußnote bemerkt, auf A. B. Fischer zurück (vgl. Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts; S. 28, Anmerkung 2). 110. Heute geht man zumeist davon aus, daß die 50%-Grenze überschritten sein muß, wenn man von einer Dienstleistungsgesellschaft sprechen will. 111. Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß Bell auch Grenzen des Wandels konstatiert. Diese liegen u.a. in den Schranken der Rationalisierung im Dienstleistungsbereich selbst durch notwendige Humanleistungen und in den +vielen widerstreitenden Forderungen im politischen Bereich* (Die nachindustrielle Gesellschaft; S. 164), z.B. dadurch, daß nationale und regionale Belange konfligieren (vgl. ebd.; S. 158–170). 112. Eingehender widmet Bell sich diesem Problem in seiner Schrift +Die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus* (1976). 113. Baudrillards Postmoderne-Konzept ist posthistoristisch, und er hätte deshalb bereits im Rahmen der Diskussion des Posthistorismus vorgestellt werden können. Seine Argumentation kann hier als typisch gelten (siehe zum Vergleich nochmals S. LIf.):+Ich meine, daß alles schon passiert ist. Die Zukunft ist schon angekommen […] Es ist nichts mehr zu erwarten.* (Der Tod der Moderne; S. 103f.) Eben weil Baudrillard aber hier weniger originelle Thesen zu bieten hat, habe ich mich entschlossen, ihn – was mir zudem aufgrund seiner Betonung der Technik-bedingten Manipulationsmöglichkeiten gerechtfertigter erscheint – in den Kontext der Darstellung der Postindustrialismus-Konzepte einzuordnen. Er selbst spricht allerdings nicht von postindustrieller Gesellschaft. 114. Habermas unterscheidet drei Gesellschaftsformationen: die vorhochkulturelle, die hochkulturelle und die postmoderne Gesellschaftsformation. Innerhalb der hochkulturellen Formation differenziert er zwischen einer traditionalen und einer modernen Epoche und innerhalb letzterer wiederum zwischen einer kapitalistischen und einer postkapitalistischen Phase. 115. Mandel betont allerdings, daß genau das die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus verstärkt, da die der kapitalistischen Produktion zugrunde liegenden Widersprüche so lediglich auf einer höheren Ebene reproduziert werden (vgl. Der Spätkapitalismus; S. 316f.).

A: ANMERKUNGEN 15 116. Es handelt sich hier um die Übersetzung eines Essays aus dem +New Left Review* aus dem Jahr 1986, der im Original den Titel +Postmodernism, or, The Logic of Late Capitalism* trägt. Unter dem gleichen Titel ist allerdings auch eine umfangreiche Monographie Jamesons erschienen. 117. Mit dem ökonomischem Aspekt der Globalisierung werde ich mich in Abschnitt 2.1 detailliert auseinandersetzen und die beschriebenen Prozesse in Abschnitt 3.1 (mit Blick auf die Politik) problematisieren. Zur kulturellen Globalisierung werden in Abschnitt 3.5 (vor allem in Anlehnung an das Konzept von Appadurai) einige (allerdings vergleichsweise eher knapp gehaltene) Bemerkungen erfolgen. 118. Zum (wortspielerischen) Zusammenhang von +Moderne*, +Postmoderne* und +Post* möchte ich an dieser Stelle eine Anekdote wiedergeben, die von Welsch kolportiert wird: Wir befinden uns auf einer Architektur-Tagung. +Man hatte gerade festgestellt, daß zahlreiche Bauten der Postmoderne sich auf einen Paradebau der Frühmoderne, auf den großen Kassensaal von Otto Wagners Wiener Postsparkassenamt von 1906, zurückbeziehen. Damit, so meinte dann einer der Teilnehmer launig, habe man ja nun endlich eine bündige Worterklärung von ›Postmoderne‹ gefunden: ›Post-Moderne‹ das sei offensichtlich die Moderne dieser Post und die von ihr sich herleitende Tradition.* (Unsere postmoderne Moderne; S. 11) 119. So schreibt z.B. Zygmunt Bauman in seinem Buch +Ansichten der Postmoderne* (1992): +Meiner Auffassung nach hat der Begriff ›Postmoderne‹ einen eigenständigen Wert, [alleine] soweit er behauptet, die neuen Erfahrungen einer, aber einer entscheidenden Kategorie der Gegenwartsgesellschaft zu erfassen und zu artikulieren: die Erfahrungen der Intellektuellen.* (S. 123) Die zitierte Stelle stammt übrigens aus dem vierten Kapitel, das als eigenständiges Essay schon zuvor unter dem Titel +Is There a Postmodern Sociology?* veröffentlicht wurde. 120. Dazu heißt es im +Manifest der kommunistischen Partei*: +Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.* (S. 46). An anderer Stelle bemerkt Marx zum Verhältnis von Basis und ideologischem Überbau weiter ausholend: +In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe der materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewußtsein bestimmt.* (Zur Kritik der politischen Ökonomie [Vorwort]; S. 172) Wenn nun dieses Bewußtsein in den Kategorien der Vergangenheit verhaftet bleibt, wie im deutschen Idealismus, und nicht die Zustände der Gegenwart spiegelt, so ist es als +falsch* anzusehen: +Die Menschen haben sich bisher stets falsche Vorstellungen über sich gemacht, von dem, was sie sind oder sein sollen […] Die Ausgeburten ihres Kopfes sind ihnen über den Kopf gewachsen. Vor ihren Geschöpfen haben sie, die Schöpfer, sich gebeugt […] Rebellieren wir gegen diese Herrschaft der Gedanken.* (Die Deutsche Ideologie [Vorrede]; S. 85) Der Marxismus ist sich dabei der +Macht der Ideen* durchaus bewußt: +Die treibenden Ursachen zu ergründen, die sich […] in den Köpfen der handelnden Massen und ihrer Führer […] als bewußte Beweggründe klar oder unklar, unmittelbar oder in ideologischer […] Form widerspiegeln – das ist der einzige Weg, der uns auf die Spur der die Geschichte beherrschenden Gesetze führen kann. Alles, was die Menschen in Bewegung setzt, muß durch ihren Kopf hindurch; aber welche Gestalt es in diesem Kopf annimmt, hängt sehr von den Umständen ab.* (Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie; S. 592) Und an anderer Stelle bemerkt Engels: +Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens […] Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus […] üben auch ihre Einwirkungen auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend ihre Form.* (Brief an Joseph Bloch vom 21. September 1890) Engels ist es auch, der eigentlich den Begriff +falsches Bewußtsein* prägte. In einem Brief an Franz Mehring vom 14. Juli 1893 stellt er fest: +Die Ideologie ist ein Prozeß, der zwar mit Bewußtsein vom sogenannten Denker vollzogen wird, aber mit einem falschen Bewußtsein. Die eigentlichen Triebkräfte, die ihn bewegen, bleiben ihm unbekannt.* (S. 664) 121. Dieses Verständnis von Ideologiekritik findet sich vor allem in der marxistisch orientierten Gesellschaftstheorie (vgl. z.B. Lukács: Klassenbewußtsein) und bei Vertretern der Kritischen Theorie. So bemerkt Horkheimer: +Philosophie konfrontiert das Bestehende in seinem historischen Zusammenhang mit dem Anspruch seiner begrifflichen Prinzipien, um die Beziehung zwischen beiden zu kritisieren und so über sie hinauszugehen.* (Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft; S. 170). Deshalb erscheint es auch besonders bedenklich, daß die Begriffe in der positivistisch dominierten Gegenwart immer mehr inhaltlich entleert und kulturindustriell vereinnahmt werden: +Die Begriffe, in

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Volkswirtschaftler Cournot bezog. Cournot selbst verwendete den Begriff allerd<strong>in</strong>gs nicht direkt, son<strong>der</strong>n +lehrte [gemäß<br />

Gehlen] e<strong>in</strong>en Endzustand, <strong>in</strong> dem die Geschichte stillsteht, da sie angesichts des regelmäßigen Funktionierens <strong>der</strong><br />

Rä<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verwaltung und <strong>der</strong> Industrie nur noch störende Wirkung habe* (Ende <strong>der</strong> Geschichte?; S. 126).<br />

104. Fukuyama führt se<strong>in</strong>e These vom +Ende <strong>der</strong> Geschichte* (1989) auf den Triumph des westlichen Denkens nach<br />

dem Zusammenbruch <strong>der</strong> +sozialistischen* Systeme des Ostens zurück, denn damit sei es zu e<strong>in</strong>er +völligen Erschöpfung<br />

aller Alternativen zum westlichen Liberalismus* (S. 3) gekommen. Demgemäß stünden uns also +Jahrhun<strong>der</strong>te <strong>der</strong><br />

Langeweile* bevor – wie übrigens schon Walt W. Rostow me<strong>in</strong>te (vgl. Stadien wirtschaftlichen Wachstums; S. 92).<br />

105. Gehlens Aufsatz +Über kulturelle Kristallisation* erschien 1963. Riesmans Essay, <strong>in</strong> dem er die post<strong>in</strong>dustrielle<br />

Gesellschaft als Gesellschaft des unbeschränkten Konsums darstellt (vgl. Leisure and Work <strong>in</strong> <strong>Post</strong>-Industrial Society;<br />

S. 371ff.) stammt aus dem Jahr 1958. Noch früher taucht <strong>der</strong> Begriff jedoch bei Coomaraswamy und Penty auf, die<br />

1914 e<strong>in</strong>e Sammlung von +Essays <strong>in</strong> <strong>Post</strong>-Industrialism* veröffentlichten (vgl. Rose: The <strong>Post</strong>-Mo<strong>der</strong>n and the <strong>Post</strong>-Industrial;<br />

S. 169).<br />

106. Die deutsche Übersetzung, auf die ich mich beziehe, lag allerd<strong>in</strong>gs erst 1972 vor.<br />

107. Auch Bells Werk erschien <strong>in</strong> deutscher Sprache später als das Orig<strong>in</strong>al mit dem Titel +The Com<strong>in</strong>g of <strong>Post</strong>-Industrial<br />

Society*, nämlich 1975.<br />

108. Der Studentenbewegung widmet Toura<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> ganzes Kapitel.<br />

109. Bell bezieht sich mit se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>teilung auf Col<strong>in</strong> Clark (Conditions of Economic Progress). Diese heute allgeme<strong>in</strong><br />

gebräuchliche Differenzierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en primären, sekundären und tertiären Sektor wird manchmal auch auf Jean<br />

Fourastié zurückgeführt. Beides ist jedoch +falsch*, denn tatsächlich geht sie, wie Fourastié <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Fußnote bemerkt,<br />

auf A. B. Fischer zurück (vgl. Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhun<strong>der</strong>ts; S. 28, Anmerkung 2).<br />

110. Heute geht man zumeist davon aus, daß die 50%-Grenze überschritten se<strong>in</strong> muß, wenn man von e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistungsgesellschaft sprechen will.<br />

111. Es soll allerd<strong>in</strong>gs nicht verschwiegen werden, daß Bell auch Grenzen des Wandels konstatiert. Diese liegen u.a.<br />

<strong>in</strong> den Schranken <strong>der</strong> Rationalisierung im Dienstleistungsbereich selbst durch notwendige Humanleistungen und<br />

<strong>in</strong> den +vielen wi<strong>der</strong>streitenden For<strong>der</strong>ungen im politischen Bereich* (Die nach<strong>in</strong>dustrielle Gesellschaft; S. 164), z.B.<br />

dadurch, daß nationale und regionale Belange konfligieren (vgl. ebd.; S. 158–170).<br />

112. E<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong> widmet Bell sich diesem Problem <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Schrift +Die kulturellen Wi<strong>der</strong>sprüche des Kapitalismus*<br />

(1976).<br />

113. Baudrillards <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne-Konzept ist posthistoristisch, und er hätte deshalb bereits im Rahmen <strong>der</strong> Diskussion<br />

des <strong>Post</strong>historismus vorgestellt werden können. Se<strong>in</strong>e Argumentation kann hier als typisch gelten (siehe zum Vergleich<br />

nochmals S. LIf.):+Ich me<strong>in</strong>e, daß alles schon passiert ist. Die Zukunft ist schon angekommen […] Es ist nichts mehr<br />

zu erwarten.* (Der Tod <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne; S. 103f.) Eben weil Baudrillard aber hier weniger orig<strong>in</strong>elle Thesen zu bieten<br />

hat, habe ich mich entschlossen, ihn – was mir zudem aufgrund se<strong>in</strong>er Betonung <strong>der</strong> Technik-bed<strong>in</strong>gten Manipulationsmöglichkeiten<br />

gerechtfertigter ersche<strong>in</strong>t – <strong>in</strong> den Kontext <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> <strong>Post</strong><strong>in</strong>dustrialismus-Konzepte e<strong>in</strong>zuordnen.<br />

Er selbst spricht allerd<strong>in</strong>gs nicht von post<strong>in</strong>dustrieller Gesellschaft.<br />

114. Habermas unterscheidet drei Gesellschaftsformationen: die vorhochkulturelle, die hochkulturelle und die postmo<strong>der</strong>ne<br />

Gesellschaftsformation. Innerhalb <strong>der</strong> hochkulturellen Formation differenziert er zwischen e<strong>in</strong>er traditionalen und<br />

e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Epoche und <strong>in</strong>nerhalb letzterer wie<strong>der</strong>um zwischen e<strong>in</strong>er kapitalistischen und e<strong>in</strong>er postkapitalistischen<br />

Phase.<br />

115. Mandel betont allerd<strong>in</strong>gs, daß genau das die Krisenanfälligkeit des Kapitalismus verstärkt, da die <strong>der</strong> kapitalistischen<br />

Produktion zugrunde liegenden Wi<strong>der</strong>sprüche so lediglich auf e<strong>in</strong>er höheren Ebene reproduziert werden (vgl. Der<br />

Spätkapitalismus; S. 316f.).

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