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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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12 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

83. E<strong>in</strong>en relativ vollständigen Überblick über die philosophische <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne gibt neben Welsch z.B. Urs Fazis <strong>in</strong>:<br />

›Theorie‹ und ›Ideologie‹ <strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne. Zur +<strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne* allgeme<strong>in</strong>, also auch die Literatur- und Architektur-Debatte<br />

etc. mit e<strong>in</strong>beziehend, allerd<strong>in</strong>gs aus religiös gefärbter Perspektive, können die Ausführungen Hans Joachim Türk<br />

(1990) herangezogen werden.<br />

84. Huyssen sieht übrigens e<strong>in</strong>e größere Nähe des <strong>Post</strong>strukturalismus zum Mo<strong>der</strong>nismus als zum <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>nismus:<br />

+Demgegenüber mache ich geltend, daß <strong>der</strong> <strong>Post</strong>strukturalismus <strong>in</strong> Frankreich wie <strong>in</strong> Amerika dem Mo<strong>der</strong>nismus<br />

sehr viel näher steht, als es die Apologeten e<strong>in</strong>er postmo<strong>der</strong>nistischen Avantgarde [!] wahrhaben wollen […] Anstatt<br />

uns e<strong>in</strong>e Theorie <strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne zu bieten […] konzentriert sich <strong>der</strong> <strong>Post</strong>strukturalismus meist auf e<strong>in</strong>e Archäologie<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne und liefert e<strong>in</strong>e Theorie des Mo<strong>der</strong>nismus im Stadium se<strong>in</strong>er Erschöpfung.* (<strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne – e<strong>in</strong>e amerikanische<br />

Internationale?; S. 31ff.)<br />

85. Später hat sich Foucault allerd<strong>in</strong>gs recht kritisch gegenüber se<strong>in</strong>en Frühwerken, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e +Wahns<strong>in</strong>n und<br />

Gesellschaft*, geäußert (vgl. z.B. das Vorwort zur Archäologie des Wissens; S. 29).<br />

86. In e<strong>in</strong>em bereits an an<strong>der</strong>er Stelle zitierten Interview stellt Foucault klar, was genau mit dem Begriff <strong>der</strong> Diskont<strong>in</strong>uität<br />

von ihm geme<strong>in</strong>t ist: +[…] In e<strong>in</strong>er eben herausgekommenen Ausgabe des ›Petit Larousse* heißt es: ›Foucault: Philosoph,<br />

<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Geschichtsphilosophie auf die Diskont<strong>in</strong>uität gründete.‹ Das verblüfft mich e<strong>in</strong>fach. Wahrsche<strong>in</strong>lich habe<br />

ich mich <strong>in</strong> ›Die Ordnung <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge‹ nicht h<strong>in</strong>reichend erklärt […] Mir sche<strong>in</strong>t, daß <strong>in</strong> bestimmten Formen des Wissens<br />

[…] <strong>der</strong> Rhythmus <strong>der</strong> Transformation nicht den allgeme<strong>in</strong> anerkannten, dehnbaren und kont<strong>in</strong>uitätsfixierten<br />

Entwicklungsschemata gehorchte […] In e<strong>in</strong>er Wissenschaft wie <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> zum Beispiel gibt es bis zum Ende des<br />

18. Jahrhun<strong>der</strong>ts e<strong>in</strong>en bestimmten Typ von Diskursen, <strong>der</strong>en langsame Transformation <strong>in</strong>nerhalb von 25–30 Jahren<br />

nicht nur mit den ›wahren‹ Sätzen gebrochen haben, die bis dah<strong>in</strong> formuliert werden konnten, son<strong>der</strong>n viel tiefgreifen<strong>der</strong><br />

mit den Redeweisen, den Sichtweisen, mit dem ganzen Ensemble von Praktiken, die <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> als Stütze dienten;<br />

es handelt sich nicht e<strong>in</strong>fach um neue Entdeckungen: es geht um e<strong>in</strong>e neue Ordnung des Diskurses und des Wissens<br />

[…] Me<strong>in</strong> Problem war ke<strong>in</strong>eswegs zu sagen: nun gut, wir bef<strong>in</strong>den uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskont<strong>in</strong>uität, bleiben wir dort, son<strong>der</strong>n<br />

die Frage zu stellen: wie konnte es geschehen, daß es <strong>in</strong> bestimmten Augenblicken und <strong>in</strong> bestimmten Ordnungen<br />

des Wissens zu diesen plötzlichen Brüchen […] kam […]* (Wahrheit und Macht; S. 25)<br />

87. Foucault erläutert hier, daß <strong>der</strong> Diskurs e<strong>in</strong> System <strong>der</strong> Ausschließung, E<strong>in</strong>schränkung und Aneignung darstellt,<br />

<strong>in</strong> ihm also (soziale) Macht zum Ausdruck kommt. Dem stellt Foucault e<strong>in</strong> kritisches Projekt gegenüber, das (ergänzt<br />

durch e<strong>in</strong>e Genealogie) versucht, +die Formen <strong>der</strong> Ausschließung, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkung, <strong>der</strong> Aneignung […] zu erfassen;<br />

es soll gezeigt werden, wie sie sich gebildet haben, um bestimmten Bedürfnissen zu entsprechen, wie sie sich verän<strong>der</strong>t<br />

und verschoben haben, welchen Zwang sie tatsächlich ausgeübt haben, <strong>in</strong>wieweit sie abgewendet worden s<strong>in</strong>d*<br />

(Die Ordnung des Diskurses; S. 41).<br />

88. Es gilt zu beachten, daß die zitierten Texte eigentlich nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en so e<strong>in</strong>deutigen Bezug zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gebracht<br />

werden können, wie dies hier aus +praktischen* Gründen suggeriert wurde. Denn Gilles Deleuze ist <strong>der</strong> Auffassung,<br />

daß sich im Werk Foucaults (chronologisch) drei zentrale Themenschwerpunte unterscheiden lassen (die jeweils auch<br />

mit theoretischen Versche<strong>in</strong>ungen e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>gen): Wissen, Macht und das Selbst (vgl. Foucault). Diese Auffassung<br />

wird durch Foucaults eigene Aussagen gestützt. So bemerkt er <strong>in</strong> im zweiten Band von +Sexualität und Wahrheit*:<br />

+Nach dem Studium <strong>der</strong> Wahrheitsspiele <strong>in</strong> ihrem Verhältnis zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> […] und nach dem Studium <strong>der</strong> Wahrheitsmechanismen<br />

im Verhältnis zu den Machtbeziehungen […] schien sich mir e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Arbeit aufzudrängen: das<br />

Studium <strong>der</strong> Wahrheitsspiele im Verhältnis se<strong>in</strong>er selber zu sich und <strong>der</strong> Konstitution se<strong>in</strong>er selber als Subjekt […]*<br />

(Der Gebrauch <strong>der</strong> Lüste; S. 72f.). Letzteres ist allerd<strong>in</strong>gs für Foucault nichts weiter als e<strong>in</strong> Effekt und Objekt von Wissen<br />

und Macht (vgl. Überwachen und Strafen; S. 247) und stellt somit e<strong>in</strong>e bloße +Falte im Außen* dar (so zum<strong>in</strong>dest<br />

die Interpretation von Deleuze: Foucault; S. 131–172). An<strong>der</strong>erseits hat Foucault diese Dekonstruktion des Subjekts<br />

vor allem im dritten Band se<strong>in</strong>er historischen Betrachtung <strong>der</strong> menschlichen Sexualpraktiken wie<strong>der</strong> etwas zurückgenommen,<br />

denn er schil<strong>der</strong>t hier die um Selbstdiszipl<strong>in</strong> kreisenden spätantiken Vorstellungen über Sexualität. Diese<br />

spiegeln nur vor<strong>der</strong>gründig e<strong>in</strong>e im Vergleich zur klassischen Antike verschärfte Sexualmoral wie<strong>der</strong>, denn die gefor<strong>der</strong>te<br />

sexuelleZurückhaltung entspr<strong>in</strong>gtwenigergesellschaftlichen Anfor<strong>der</strong>ungen, son<strong>der</strong>nprimäre<strong>in</strong>er (durchaus berechtigten)<br />

+Sorge um sich* (1984), wobei die sexuelle Vere<strong>in</strong>igung als Bedrohung <strong>der</strong> Autonomie des Selbst wahrgenommen<br />

wird, das nach <strong>in</strong>dividueller Vervollkommnung strebt. Die sexuelle Askese (spätantiker Prägung) stellt demnach e<strong>in</strong>e<br />

jener Technologien des Selbst dar, +die es dem E<strong>in</strong>zelnen ermöglichen, aus eigener Kraft o<strong>der</strong> mit Hilfe an<strong>der</strong>er e<strong>in</strong>e<br />

Reihe von Operationen an se<strong>in</strong>em Körper o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Seele, se<strong>in</strong>em Denken, se<strong>in</strong>em Verhalten und se<strong>in</strong>er Existenzweise<br />

vorzunehmen, mit dem Ziel, sich so zu verän<strong>der</strong>n, daß er e<strong>in</strong>em gewissen Zustand des Glücks, <strong>der</strong> Re<strong>in</strong>heit, <strong>der</strong> Weisheit,<br />

<strong>der</strong> Vollkommenheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Unsterblichkeit erlangt* (Technologien des Selbst; S. 26).

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