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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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XCVI POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

Der Bezug auf die authentische, nichtidentische +Basis* des Selbst führt also potentiell (und<br />

ke<strong>in</strong>esfalls zw<strong>in</strong>gend) zu e<strong>in</strong>er reflexiven Öffnung h<strong>in</strong> zum An<strong>der</strong>en, zum Sozialen. In diesem<br />

Argument zeigt sich e<strong>in</strong>e gewisse Parallele zu den Thesen von Charles Taylor. Jener verortet<br />

im Selbst und se<strong>in</strong>en Intuitionen e<strong>in</strong>e wesentliche Quelle <strong>der</strong> (sozialen) Moral – wie das<br />

Individuum umgekehrt angeblich e<strong>in</strong>en moralischen Rahmen für se<strong>in</strong>e Selbstverwirklichung<br />

benötigt (vgl. Sources of the Self; Kap. 1–3). Allerd<strong>in</strong>gs ist die auf den (vorbegrifflichen) Intuitionen<br />

des Selbst beruhende kommunitaristische +Ethik <strong>der</strong> Authentizität*, wie sie Taylor entwirft<br />

(vgl. auch Ethics of Authenticity), abgeschlossen und fixiert, und sie beruht gerade nicht auf<br />

<strong>der</strong> zugelassenen Ambivalenz des Selbst als e<strong>in</strong>er wi<strong>der</strong>sprüchlichen und diskont<strong>in</strong>uierlichen<br />

Vielheit. Doch erst im Zulassen <strong>der</strong> Ambivalenz kann, wie oben dargelegt, e<strong>in</strong> u-topischer<br />

Kont<strong>in</strong>genzraum für die Verwirklichung des Wi<strong>der</strong>spruchs geöffnet werden.<br />

Es gilt also durch das reflexive Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ambivalenz e<strong>in</strong>en Raum für die Entfaltung<br />

utopischer Kont<strong>in</strong>genz – d.h. e<strong>in</strong>e Möglichkeit für die Möglichkeit e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en Se<strong>in</strong>s, e<strong>in</strong>er<br />

an<strong>der</strong>en Gesellschaft, e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en <strong>Politik</strong> – zu schaffen. E<strong>in</strong>e solche +utopische* Kont<strong>in</strong>genz<br />

unterscheidet sich von <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genz des Faktischen: Das Faktische ist erstens kont<strong>in</strong>gent,<br />

18<br />

weil es zwar wirklich, aber nicht notwendig (so) ist. Und es ist zweitens kont<strong>in</strong>gent, weil<br />

<strong>in</strong> ihm (deshalb) Raum für Möglichkeiten ist, die jenseits se<strong>in</strong>er selbst liegen. Genau <strong>in</strong> diesem<br />

Möglichkeitsraum liegt <strong>der</strong> oben angesprochene utopische Kont<strong>in</strong>gzraum, <strong>der</strong> aber erst durch<br />

die reflexiv-authentische Negation des kont<strong>in</strong>genten Faktischen erschlossen wird. Ist h<strong>in</strong>gegen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> aktuellen Diskussion von Kont<strong>in</strong>genz die Rede, so ist zumeist geme<strong>in</strong>t, daß <strong>der</strong> Fest-<br />

legungscharakter <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Lebensentwürfe und des sozialen Gefüges abgenommen<br />

hat, d.h. die sozialen und <strong>in</strong>dividuellen Optionen haben sich im historischen Verlauf immer<br />

weiter gesteigert (vgl. z.B. Gross: Die Multioptionsgesellschaft).<br />

Aufgrund dieser verbreiteten Wahrnehmung spielt <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genzbegriff e<strong>in</strong>e große Rolle<br />

im gegenwärtigen sozialwissenschaftlichen und politischen Denken (siehe auch nochmals<br />

Abschnitt 1.5). In <strong>der</strong> Theorie reflexiver Mo<strong>der</strong>nisierung, so wie sie von Giddens und Beck<br />

gedacht wird (siehe S. 353–356), taucht <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>genzbegriff allerd<strong>in</strong>gs nur als eher verdeckte<br />

Kategorie, im begrifflichen Doppelpaar von Risiko und Chance, auf. Niklas Luhmann betrachtet<br />

Kont<strong>in</strong>genz dagegen nicht nur explizit als Kennzeichen, son<strong>der</strong>n gar als e<strong>in</strong>en Eigenwert <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft (vgl. Beobachtungen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne; S. 93ff. und siehe hier S. XL). Ähnlich<br />

spricht Michael Makropoulos (siehe auch unten) von <strong>der</strong> +Mo<strong>der</strong>nität als Kont<strong>in</strong>genzkultur*

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