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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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XCII POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

verwirklicht werden. Es handelt sich zudem bei <strong>der</strong> +Nazuna* (Hirtentäschel) um e<strong>in</strong>e eher<br />

unsche<strong>in</strong>bare Blume: Nur e<strong>in</strong> aufmerksamer Betrachter nimmt sie und ihre Schönheit überhaupt<br />

wahr. Und dieselbe Aufmerksamkeit ist es auch, die zur +achtsamen* Haltung gegenüber<br />

dem Se<strong>in</strong> <strong>der</strong> Blume führt. Denn Aufmerksamkeit bedeutet auch die Aufmerksamkeit für<br />

jene <strong>in</strong>neren Impulse, die e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>strumentelle Umgangs- und Betrachtungsweise verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

(können). Es gilt also auf das (dissonante) Konzert <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Stimmen, die Stimme <strong>der</strong> Vernunft,<br />

aber auch die Stimmen des Wahns, <strong>der</strong> Leidenschaft, des Mitgefühls etc. zu hören, um zu<br />

e<strong>in</strong>em authentischen, sich <strong>der</strong> eigenen Ambivalenz bewußten Selbst zu gelangen. Erst diese<br />

(nichtidentische) Grundlage ermöglicht e<strong>in</strong>en tatsächlich reflexiven Weltbezug.<br />

Das Konzept e<strong>in</strong>es nichtidentischen und gerade <strong>in</strong> dieser pluralen Nicht-Identität authentischen<br />

Selbst trifft sich mit Vorstellungen <strong>der</strong> buddhistischen Philosophie-Tradition (<strong>in</strong> die auch <strong>der</strong><br />

7<br />

Zen-Lyriker Bashô e<strong>in</strong>zureihen ist). Denn im Buddhismus ist die Illusion e<strong>in</strong>er unverän<strong>der</strong>lichen<br />

Seele und e<strong>in</strong>es kont<strong>in</strong>uierlichen Ichs ()atman) e<strong>in</strong>e wesentliche Ursache für die <strong>in</strong>dividuellen<br />

Empf<strong>in</strong>dungen des Leids, wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Lehrrede zum Ausdruck kommt:<br />

+Unrechte Lehren [die Kummer, Jammer, Schmerz und Verzweiflung aufkommen lassen] gibt es sechs:<br />

E<strong>in</strong> unbelehrter Weltl<strong>in</strong>g, <strong>der</strong> die Lehre <strong>der</strong> Edlen nicht kennt, betrachtet (erstens) die Körperlichkeit,<br />

(zweitens) die Empf<strong>in</strong>dung, (drittens) die Wahrnehmung, (viertens) die unbewußten Tätigkeiten so: Dies<br />

ist me<strong>in</strong>, ich b<strong>in</strong> dies, dies ist me<strong>in</strong> Ich; ebenso betrachtet er (fünftens) alles, was er sieht, hört, denkt<br />

und erkennt, was er erlangt o<strong>der</strong> erwünscht und worüber er nachdenkt; er glaubt (sechstens): die Welt<br />

und das Ich (<strong>der</strong> Atman) s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> und dasselbe […]* (Mittlere Sammlung [Majjhimanika) ya]; Buch III, 22)<br />

An die Stelle <strong>der</strong> Leid erzeugenden Vorstellung e<strong>in</strong>es beständigen Ichs tritt für den Wissenden<br />

die von den Selbst-Zwängen befreiende, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Meditation gemachte +empirische* Erfahrung<br />

e<strong>in</strong>es diskont<strong>in</strong>uierlichen Bewußtse<strong>in</strong>sstroms, e<strong>in</strong>es +substanzlosen* Nicht-Ich (anatt)a): 8<br />

+Dagegen betrachtet e<strong>in</strong> wohlunterrichteter Edeljünger […] die Körperlichkeit, die Empf<strong>in</strong>dungen, die<br />

Wahrnehmungen, die unbewußten Tätigkeiten so: Dies ist nicht me<strong>in</strong>, ich b<strong>in</strong> dies nicht, dies ist nicht<br />

me<strong>in</strong> Ich; und alles, was er sieht, hört, denkt und erkennt, was er erlangt o<strong>der</strong> wünscht und worüber<br />

er nachdenkt, [betrachtet er eben]so […] Und auch den Glauben: Die Welt und das Ich s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> und<br />

dasselbe […] betrachtet er so […] [und] beunruhigt […] sich nicht über etwas, das es nicht gibt.* (Ebd.)<br />

In <strong>der</strong> Mah)ay)ana-Tradition (+Großes Fahrzeug*) ist diese +dekonstruktivistische* Komponente<br />

mit <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> alles durchdr<strong>in</strong>genden Leerheit (s’ )unyat)a) beson<strong>der</strong>s ausgeprägt. Im

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