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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 5: REFLEXIV-DEFLEXIVE MODERNISIERUNG UND DIE DIFFUSION DES POLITISCHEN 423<br />

und die gleichzeitige Drohung des Ausschlusses unterdrückten Individuen <strong>in</strong> vielen Fällen<br />

zur Identifizierung mit diesem System, das sie begrenzt, um an se<strong>in</strong>er (verme<strong>in</strong>tlichen) Stärke<br />

teilzuhaben. So verwun<strong>der</strong>t es nicht, daß schon Erich Fromm – für ihn jedoch damals unerwartet<br />

– im Rahmen e<strong>in</strong>er Studie über +Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reichs*<br />

aus dem Jahr 1929/30 zu dem Ergebnis kam, +daß häufig [sogar] die Anhänger <strong>der</strong> L<strong>in</strong>ksparteien<br />

e<strong>in</strong>e seelische Haltung aufwiesen, die ke<strong>in</strong>eswegs <strong>der</strong> konstruierten idealtypischen entsprach,<br />

ja ihr geradezu entgegengesetzt war* (S. 229) – nämlich e<strong>in</strong>e autoritäre (vgl. ebd.; S. 236ff.). 154<br />

Gerade e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Individuen, gekoppelt mit dem Bewußtse<strong>in</strong>, ohneh<strong>in</strong> nichts än<strong>der</strong>n<br />

zu können (+erlernte Hilflosigkeit*), bewirkt also e<strong>in</strong>e deflexive Entpolitisierung entwe<strong>der</strong> im<br />

S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Indifferenz zur <strong>Politik</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er unkritischen Bejahung bestehen<strong>der</strong> Strukturen,<br />

schafft auf <strong>der</strong> Bewußtse<strong>in</strong>sebene die Bereitschaft zu fragloser Akzeptanz, so daß gegebene<br />

Reflexivität nicht gespiegelt wird.<br />

Diese Deformation durch Integration wird auf praktischer Ebene durch Praxologien erreicht<br />

und verfestigt (siehe Abschnitt 5.3.2). Umgemünzt auf die Sphäre <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> kann man davon<br />

sprechen, daß <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e als Folge <strong>der</strong> für ihre +zwangsläufigen* Integrationsbemühungen<br />

zentralen Praxologie <strong>der</strong> Übersetzung e<strong>in</strong>e Verdrängung politischer Diskurse (um Macht,<br />

Herrschaft und Grundfragen <strong>der</strong> sozialen Organisation) zugunsten ökonomischer, rechtlicher,<br />

wissenschaftlicher, dramaturgisch-medialer und symbolisch-ästhetischer Diskurse stattf<strong>in</strong>det.<br />

Diese Gewichtsverlagerung wird von <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> aktiv betrieben, die versucht ihrer subpolitischen<br />

H<strong>in</strong>terfragung durch e<strong>in</strong>e deflektorische Selbstentpolitisierung zu entgehen: Wo <strong>Politik</strong> solche<br />

nicht mehr greifbar ist, <strong>in</strong> systemexternen +Sachzwängen* aufgelöst wird, läßt sie sich auch<br />

nicht mehr angreifen (siehe auch Abschnitt 3.5). Daneben sorgen Wahlrituale (die allerd<strong>in</strong>gs<br />

an e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den<strong>der</strong> Kraft zunehmend e<strong>in</strong>büßen) und Rechtsverfahren etc. für e<strong>in</strong>e praxologische<br />

Integration potentiellen Protestpotentials. Am wirkungsvollsten dürfte jedoch – solange das<br />

Wohlstandsniveau hoch angesiedelt ist und e<strong>in</strong>e staatliche Umverteilungspolitik e<strong>in</strong>en Teil<br />

des gesellschaftlichen Reichtums nach +unten* durchsickern läßt – die e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dende Macht<br />

des Konsums se<strong>in</strong>. (Siehe auch nochmals Tab. 14, S. 409)<br />

Wirken die (Selbst-)Begrenzungen <strong>der</strong> Reflexion mit diesen deflexiven (ideologischen wie<br />

praxologischen) Momenten zusammen, so kommt es zu e<strong>in</strong>em sich <strong>in</strong> dieser Dialektik verstär-<br />

kenden Entpolitisierungsprozeß. Die Möglichkeit zu e<strong>in</strong>er (repolitisierenden) Verschiebung<br />

des Gewichts auf die reflexive Seite ist zwar, wie e<strong>in</strong>gangs erläutert, natürlich trotzdem gegeben,

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