09.12.2012 Aufrufe

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

KAP. 5: REFLEXIV-DEFLEXIVE MODERNISIERUNG UND DIE DIFFUSION DES POLITISCHEN 413<br />

beruhenden Selbstbegrenzung <strong>der</strong> reflexiven Gegenbewegung bewußt (siehe Abschnitt 5.2.2).<br />

In <strong>der</strong> aktuellen Dialektik von Reflexion und Deflexion kommt es deshalb, wie ich darlegen<br />

werde, als paradoxe Folge subpolitischer Politisierung, zu e<strong>in</strong>em diffusen Entpolitisierungsprozeß<br />

im S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er (umkehrenden) Begrenzung <strong>der</strong> reflexiven Impulse. Die Rede von e<strong>in</strong>er entpolitisie-<br />

renden Dialektik bedeutet zugleich aber, wie ja bereits e<strong>in</strong>gangs bemerkt wurde, immer die<br />

reale Möglichkeit e<strong>in</strong>er neuen Dynamisierung – also daß sich das Gewicht auf die reflexive<br />

Seite (zurück) verschiebt, so daß die bestehende Reflexivität, die wi<strong>der</strong>sprüchliche Dialektik<br />

<strong>der</strong> sozialen Prozesse, nicht überdeckt, son<strong>der</strong>n vielmehr +aufgedeckt* und damit dem (poli-<br />

tischen) Handeln verfügbar gemacht wird.<br />

Der für diese +dynamische* Sichtweise zentrale Dialektikbegriff ist e<strong>in</strong> Begriff mit e<strong>in</strong>er langen<br />

Geschichte, und was hier unter Dialektik verstanden wird, läßt sich am besten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rekon-<br />

struktion und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abgrenzung von dieser Geschichte verdeutlichen. Für Zenon (ca. 490–430<br />

v. Chr.), <strong>der</strong> als Begrün<strong>der</strong> des dialektischen Denkens gilt, äußerte sich Dialektik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Paradoxie<br />

des Se<strong>in</strong>s, welche sich jedoch erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> rational-kritischen Durchleuchtung <strong>der</strong> gängigen<br />

135<br />

Anschauungen entschlüsselt (vgl. z.B. Diemer: Dialektik; S. 35f.). Platon (427–347 v. Chr.)<br />

entwickelte schließlich – allerd<strong>in</strong>gs nicht im Bezug auf Zenon, son<strong>der</strong>n unter Berufung auf<br />

se<strong>in</strong>en Lehrer Sokrates (470–399 v. Chr.) und dessen +diskursive * Erkenntnistheorie – Ansätze<br />

zu e<strong>in</strong>er regelrechten dialektischen Methode: als Kunst des Fragens und des Antwortens (vgl.<br />

136<br />

Kratylos; S. 129 [390c]). Im dialektischen +Frage- und Antwortspiel*, das die Prüfung und<br />

Wi<strong>der</strong>legung des oberflächlichen Sche<strong>in</strong>wissens zum Ziel hat, erfolgt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dialogischen,<br />

auf <strong>der</strong> (rekursiven) Abfolge von These und Antithese beruhenden Spiralbewegung, welche<br />

die Ausgangsfrage immer wie<strong>der</strong> aufnimmt, e<strong>in</strong>e langsame, aber fortschreitende Annäherung<br />

an die verdeckte +Wahrheit*, wobei zwar auf +wissenschaftliche Erkenntnisse* zurückgegriffen,<br />

primär jedoch auf die +<strong>in</strong>tuitive* E<strong>in</strong>sichtsfähigkeit des Gegenübers gebaut wird:<br />

+Die dialektische Methode [geht] […] alle Voraussetzungen aufhebend grad zum Anfange selbst, damit<br />

dieser fest werde, und das <strong>in</strong> Wahrheit <strong>in</strong> barbarischen [!] Schlamm vergrabene Auge <strong>der</strong> Seele zieht<br />

sie gel<strong>in</strong>de hervor und führt es aufwärts, wobei sie [lediglich] als Mitdiener<strong>in</strong>nen und Mitleiter<strong>in</strong>nen die<br />

angeführten Künste [Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Harmonielehre] gebraucht […]* (Politeia;<br />

S. 559 [533c,d])<br />

Der große Dialektiker <strong>der</strong> Neuzeit, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>erseits bei Platons objektiv-idealistischem Dialektik-<br />

137<br />

verständnis kritisch ansetzt, ist Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831). In se<strong>in</strong>er

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!