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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 5: REFLEXIV-DEFLEXIVE MODERNISIERUNG UND DIE DIFFUSION DES POLITISCHEN 401<br />

dementsprechend auch ke<strong>in</strong>en empathischen Bezug zu denjenigen aufbauen, die <strong>der</strong> – im<br />

vollen Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenzen, aber ohne sich diese emotional zu vergegenwärtigen<br />

– <strong>in</strong> die Vernichtungslager schickte. Die Komplexität <strong>der</strong> Systemtheorie steht <strong>in</strong> dieser Beziehung<br />

<strong>der</strong> +Banalität des Bösen*, wie sie Arendt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Person Eichmanns beschreibt, sehr nahe. 121<br />

Und so bemerkt denn auch Luhmann bezeichnen<strong>der</strong>weise, daß <strong>der</strong> (systemtheoretische)<br />

Beobachter zweiter Ordnung offensichtlich +aus dem Hause Teufel* stammt, da er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Beobachtungen Differenzen setzt und damit, wie <strong>der</strong> +gefallene Engel* Luzifer, die übergreifende,<br />

transzendente (soziale) E<strong>in</strong>heit zugleich verletzt und doch <strong>in</strong> diese – gewissermaßen auf transzen-<br />

dentaler Ebene – aktiv <strong>in</strong>tegriert ist (vgl. Die Wissenschaft <strong>der</strong> Gesellschaft; S. 118ff.).<br />

Nur: Ist e<strong>in</strong>e solche +transzendentale*, abstrakte E<strong>in</strong>heit, die auf <strong>der</strong> Kälte <strong>der</strong> Beobachtung<br />

zweiter Ordnung aufsetzt, sozial h<strong>in</strong>reichend? Wie wird die Gesellschaft im Rahmen <strong>der</strong> System-<br />

theorie von e<strong>in</strong>er Gesellschaft +an sich* – als Summe <strong>der</strong> globalen Kommunikationprozesse<br />

– zu e<strong>in</strong>er Gesellschaft +für sich*? Hier haben wir es aus me<strong>in</strong>er Sicht mit e<strong>in</strong>em zentralen<br />

Problem des Ansatzes von Luhmanns zu tun. Zwar hat die Perspektive <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> Trennungen,<br />

wie ausgeführt, +praktische* Vorteile für die Stabilisierung des Systems: Sie erlaubt deflektorische<br />

Übersetzungen und erleichtert die Etablierung praxologischer Verfahren. Jedoch unterstützt<br />

sie gerade dadurch zentrifugale Tendenzen. Die für die Deflexionsbemühungen des System<br />

vorteilhafte Annahme <strong>der</strong> Autonomie <strong>der</strong> Subsysteme verweist nämlich gleichzeitig (und dar<strong>in</strong><br />

liegt e<strong>in</strong> weiteres Element ihrer selbstaufhebenden Transzendenz) auf das Problem <strong>der</strong> Integration<br />

funktional differenzierter Gesellschaften. Bloße strukturelle Kopplung dürfte schließlich kaum<br />

ausreichen, um soziale E<strong>in</strong>heit (s<strong>in</strong>nvoll) zu +begründen*. Denn während noch Parsons von<br />

+normativen Universalien* als Grundlagen des sozialen Zusammenhalts ausg<strong>in</strong>g (siehe auch<br />

S. XX), so stellt sich bei Luhmann soziale E<strong>in</strong>heit +autopoietisch*, ohne Bezugnahme auf e<strong>in</strong>heits-<br />

stiftende Semantiken her: Sie beruht, wie dargestellt, auf <strong>der</strong> Tatsache <strong>der</strong> bloßen Abgrenzung<br />

des Systems gegenüber se<strong>in</strong>er Umwelt durch se<strong>in</strong>e (selbstgeschaffenen) Strukturen.<br />

Auch <strong>in</strong>nerhalb des funktionalistischen Diskurses wird das +Problem* sozialer E<strong>in</strong>heit allerd<strong>in</strong>gs<br />

wahrgenommen – freilich aus e<strong>in</strong>er +radikal* konstruktivistischen Perspektive. Peter Fuchs<br />

beispielsweise macht sich <strong>in</strong> dem Band +Die Erreichbarkeit <strong>der</strong> Gesellschaft* (1992) ausführliche<br />

Gedanken zur +Konstruktion und Imag<strong>in</strong>ation gesellschaftlicher E<strong>in</strong>heit*. In e<strong>in</strong>em ersten Schritt<br />

verweist er hier auf die Kont<strong>in</strong>genz und Verschiedenheit <strong>der</strong> existierenden Auffassungen bezüglich<br />

Gesellschaft. Daß Gesellschaft E<strong>in</strong>heit benötigt, ist nach Fuchs nämlich nur e<strong>in</strong>e unter vielen

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