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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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396 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

die dieses beschreibt [nämlich die Systemtheorie], e<strong>in</strong>e Rattentheorie.* (Soziologische Aufklärung;<br />

Band 4, S. 6). Trotzdem figuriert <strong>der</strong> systemtheoretische Beobachter (Luhmann) gewissermaßen<br />

als +Rattenkönig* (vgl. auch Schulte: Der bl<strong>in</strong>de Fleck <strong>in</strong> Luhmanns Systemtheorie; S. 201ff.).<br />

Denn er beobachtet die an<strong>der</strong>en, wie sie an<strong>der</strong>e beobachten – und steht damit e<strong>in</strong>e Stufe<br />

über ihnen. So nähert sich <strong>der</strong> Systemtheoretiker <strong>der</strong> Ebene des Systems zugleich epistemologisch<br />

und ontologisch an: beobachtend identifiziert er sich, verschmilzt er mit den – im Auto-<br />

poiesisgedanken von ihrer machtpolitischen Bed<strong>in</strong>gtheit +gere<strong>in</strong>igten* – System-Strukturen<br />

und partizipiert so an <strong>der</strong> höheren +Wahrheit* des Systems, das durch se<strong>in</strong> Funktionieren,<br />

aus sich selbst heraus, vollständig legitimiert ersche<strong>in</strong>t. Dies freilich erfor<strong>der</strong>t die konsequente<br />

Ausblendung <strong>der</strong> gewaltvollen, unterdrückerischen Aspekte <strong>der</strong> rekursiv festgeschriebenen<br />

Systemstrukturen, die auch die eigenen Freiheiten und Denkräume (durch die Notwendigkeit<br />

abgrenzen<strong>der</strong> Differenzierungen) e<strong>in</strong>schränken.<br />

E<strong>in</strong>e solche, +metaphysisch-frei-schwebende* Beobachtung zweiter Ordnung als Reflexionsmodus<br />

<strong>der</strong> systemischen Vernunft verlangt aber nicht nur analytische +Akrobatik*, zw<strong>in</strong>gt zu immer<br />

neuen, fe<strong>in</strong>eren Differenzierungen, die immer neue Wi<strong>der</strong>sprüche erzeugen, die wie<strong>der</strong>um<br />

mit neuen Grenzziehungen bekämpft werden müssen, um die +system(at)ische* Ordnung<br />

nicht zu gefährden (vgl. auch Bauman: Mo<strong>der</strong>ne und Ambivalenz; S. 15ff.). Sie stellt vielmehr<br />

zudem e<strong>in</strong>e – utopielose – +Kunst* im Dienst <strong>der</strong> Aktualität dar, die die Perspektive des Zentrums<br />

116<br />

e<strong>in</strong>nimmt und den peripheren Blickw<strong>in</strong>kel, die Rän<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft ausklammert. Und<br />

so bemerkt denn Luhmann (ohne sich wahrsche<strong>in</strong>lich des offenbarenden Charakters dieser<br />

Formulierung bewußt zu se<strong>in</strong>), daß er <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Zentralperspektive <strong>in</strong> <strong>der</strong> bildenden<br />

Kunst e<strong>in</strong>e Vorreiterfunktion für die Schärfung des beobachtenden Blicks sieht. Denn es wird<br />

nun – durch die distanzierte Darstellung – erstmals möglich, die +H<strong>in</strong>tergründe* des Beobachtens<br />

wahrzunehmen (vgl. Die Wissenschaft <strong>der</strong> Gesellschaft, S. 90ff.). Mit Schulte läßt sich allerd<strong>in</strong>gs<br />

(bildlich) aufzeigen: Luhmann vergißt, daß jede Beobachtung (also egal, ob es sich um e<strong>in</strong>e<br />

Beobachtung erster, zweiter o<strong>der</strong> gar dritter Ordnung handelt) aus <strong>der</strong> Perspektive e<strong>in</strong>es<br />

spezifischen Beobachter erfolgt – das gilt auch und gerade für Beobachtungen aus <strong>der</strong> Zentral-<br />

perspektive heraus (vgl. Der bl<strong>in</strong>de Fleck <strong>in</strong> Luhmanns Systemtheorie; S. 213–226).<br />

Durch die Negierung dieser spezifischen (personalen) Perspektivik wird <strong>der</strong> systemtheoretische<br />

Beobachter zum distanzierten +Voyeur*. Er ist von sich selbst wie von den an<strong>der</strong>en abgespalten<br />

– <strong>in</strong>dem er an<strong>der</strong>e und schließlich auch sich selbst objektiviert. So wird e<strong>in</strong>e +kalte*, unpersön-

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