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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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386 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

<strong>der</strong>ts (vgl. ebd.; S. 70ff.). Das Resultat dieser Radikalisierung und Ausweitung des Ideologiebegriffs<br />

auf die eigenen Aussagen und das eigene Denken ist allerd<strong>in</strong>gs für Mannheim nicht notwendiger-<br />

weise e<strong>in</strong> +wert(ungs)freier* Relativismus. Zwar kann +gegnerisches* Denken nicht mehr, wie<br />

im marxistischen Diskurs und se<strong>in</strong>er Weiterführungen beispielsweise durch Lukács, aus dem<br />

Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> +klassenbewußten* historischen Richtigkeit des eigenen Denkens heraus als<br />

notwendig falsches Bewußtse<strong>in</strong> gebrandmarkt werden (vgl. Geschichte und Klassenbewußtse<strong>in</strong>).<br />

Sehr wohl läßt sich jedoch relationalistisch aufzeigen, daß es falsches Bewußtse<strong>in</strong> <strong>in</strong> dem<br />

S<strong>in</strong>n gibt, daß es <strong>der</strong> historisch-konkreten Situation, dem aktuellen Se<strong>in</strong>, nicht angemessen<br />

ersche<strong>in</strong>t. Somit taucht das Problem des falschen Bewußtse<strong>in</strong>s auch im Rahmen <strong>der</strong> Wissensso-<br />

ziologie Mannheims wie<strong>der</strong> auf: +Falsch und ideologisch ist von hier aus gesehen e<strong>in</strong> Bewußtse<strong>in</strong>,<br />

das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Orientierungsart die neue Wirklichkeit nicht e<strong>in</strong>geholt hat und sie deshalb mit<br />

überholten Kategorien eigentlich verdeckt.* (Ideologie und Utopie; S. 85) 104<br />

Mit dieser Formulierung wi<strong>der</strong>spricht sich Mannheims jedoch <strong>in</strong>direkt selbst, denn im Rekurs<br />

auf den Wirklichkeitsbegriff, muß er zwangsläufig davon ausgehen, daß e<strong>in</strong> nichtideologischer<br />

Bereich objektiver Realität für die historisch-relationale Bestimmung <strong>der</strong> +Falschheit* e<strong>in</strong>es<br />

Bewußtse<strong>in</strong>s dem Denken zugänglich sei. E<strong>in</strong> solcher Rückgriff auf historische +Objektivität*<br />

wäre jedoch gerade vor dem H<strong>in</strong>tergrund des radikalisierten wissenssoziologischen (reflexiven)<br />

Ideologiebegriffs, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> +Se<strong>in</strong>sgebundenheit* des eigenen Denkens bewußt ist, unmöglich.<br />

Ich schlage deshalb <strong>in</strong> Konsequenz zu den vorangegangen Erläuterungen des hier verwendeten<br />

Reflexionsbegriff vor, anstelle e<strong>in</strong>es objektiven Kriteriums für die E<strong>in</strong>stufung des ideologischen<br />

Gehalts von Aussagen bzw. <strong>der</strong> +Falschheit* e<strong>in</strong>es Bewußtse<strong>in</strong>s, das subjektive Kriterium <strong>der</strong><br />

+Aufrichtigkeit* heranzuziehen, das e<strong>in</strong>e reflexive Spiegelung des Se<strong>in</strong>s (Theorie) von e<strong>in</strong>er<br />

deflexiven Verspiegelung des Se<strong>in</strong>s (Ideologie) unterscheidet. Dies bedeutet, anstatt <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>deutigkeitskonstruktionen zu fliehen und bestehende Ambivalenzen zu verdrängen, den<br />

– selbst gesetzten – Ansprüchen gerecht zu werden sowie sich die eigenen, durchaus wi<strong>der</strong>-<br />

sprüchlichen und kont<strong>in</strong>genten Motivlagen bewußt zu machen. Auch gemäß dieser Differenzie-<br />

rung verläuft die Trennl<strong>in</strong>ie zwischen e<strong>in</strong>em reflexiv-theoretischen und e<strong>in</strong>em deflexiv-ideo-<br />

logischen Bewußtse<strong>in</strong> <strong>in</strong> Relation auf das Se<strong>in</strong>. Die +Realität* dieses Se<strong>in</strong> gilt allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />

als objektiv erfahrbar und beschreibbar, son<strong>der</strong>n ist vermittelt durch das (historische) Subjekt<br />

und bestimmt durch se<strong>in</strong>e Bereitschaft, die gegebene Reflexivität auf sich wirken zu lassen<br />

(Reflexion) o<strong>der</strong> abzulenken (Deflexion).

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