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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 5: REFLEXIV-DEFLEXIVE MODERNISIERUNG UND DIE DIFFUSION DES POLITISCHEN 359<br />

die treibende Angst und das aus <strong>der</strong> deflexiven Abwehr <strong>der</strong> Angst folgende Kontrollstreben<br />

erklärt werden.<br />

Aber nicht jede kulturelle Dynamik muß sich me<strong>in</strong>es Erachtens aus <strong>der</strong> Angst speisen, und<br />

die Angst kann, wie oben erläutert, im Vorwärtsdrängen <strong>der</strong> von ihr ausgelösten Fluchtbewegung<br />

auch e<strong>in</strong>e ihre +neurotische* Komponente zurückdrängende (reflexive) Dialektik entfalten<br />

– <strong>in</strong>dem sie sich <strong>in</strong> ihrer Steigerung hervorkehrt und damit transformativ reflektiert werden<br />

kann. Dieser Sicht entsprechend hätte also Freud ke<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es +Gesetz* <strong>der</strong> kulturellen<br />

Entwicklung beschrieben, son<strong>der</strong>n nur die spezifische Tendenz <strong>der</strong> zu se<strong>in</strong>er Zeit sich auf<br />

ihrem Höhepunkt bef<strong>in</strong>dlichen Kultur des Rationalismus und des bürgerlichen Kapitalismus<br />

73<br />

offengelegt. Und <strong>der</strong> von Freud herausgearbeitete +Selbsthaß*, den diese auf Kontrolle und<br />

Triebverzichte gegründete Kultur notwendig produziert – Agnes Heller spricht, wie zu Beg<strong>in</strong>n<br />

dieses Abschnitt bemerkt, <strong>in</strong> Anlehnung an Freud von e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne immanenten +Todes-<br />

wunsch* –, verweist zudem auf e<strong>in</strong>e Grenze ihrer Dynamik.<br />

Auf diese (psychologische) Grenze <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, die genau <strong>in</strong> dem von ihrer<br />

zwanghaften (gleichzeitig angstgetriebenen wie die Angst fliehenden) Bewegung hervorgerufenen<br />

Unbehagen liegt, weisen auch Berger, Berger und Kellner h<strong>in</strong>. Jedenfalls besteht laut ihnen<br />

aktuell e<strong>in</strong> Unbehagen, +das direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt aus <strong>der</strong> technisierten Wirtschaft entstammt,<br />

das dem entstammt, was Max Weber ›Rationalisierung‹ genannt hat. Die Rationalität, die<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Technologie <strong>in</strong>tr<strong>in</strong>sisch ist, zw<strong>in</strong>gt sich dem Handeln und dem Bewußtse<strong>in</strong><br />

als Kontrolle, Beschränkung und damit als Frustration auf. Irrationale Impulse aller Art werden<br />

fortschreitenden Kontrollen unterworfen […] Das hat e<strong>in</strong>e fortschreitende psychische Spannung<br />

zur Folge […]* (Das Unbehagen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nität; S. 157) Doch nicht nur die technische<br />

Dynamik <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne und die Rationalisierung lösten e<strong>in</strong> Unbehagen aus. Auch die daran<br />

anschließende +Entbettung* <strong>der</strong> Beziehungen schlägt auf das <strong>in</strong>dividuelle Bewußtse<strong>in</strong> zurück<br />

und erzeugt – worauf ja auch Bauman (allerd<strong>in</strong>gs eher die Chancen dieses Entfremdungsprozesses<br />

betonend) h<strong>in</strong>wies – e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong> +Heimatlosigkeit*: +Der [auf sich verwiesene] e<strong>in</strong>zelne<br />

wird nicht nur durch S<strong>in</strong>nlosigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong> Arbeit bedroht, son<strong>der</strong>n auch durch den<br />

S<strong>in</strong>nverlust <strong>in</strong> weiten Bereichen se<strong>in</strong>er Beziehungen zu an<strong>der</strong>en Menschen.* (Ebd.)<br />

Berger et al. sehen <strong>in</strong> dieser umfassenden +Entwurzelung*, die geeignet ist, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bewegung<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne ebenso verdeckte wie fortgeschriebene Angst noch zu steigern, die Quelle für<br />

gegenmo<strong>der</strong>ne wie entmo<strong>der</strong>nisierende Tendenzen (vgl. ebd.; Kap. 7 u. 9) – e<strong>in</strong>e Gefahr

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