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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 5: REFLEXIV-DEFLEXIVE MODERNISIERUNG UND DIE DIFFUSION DES POLITISCHEN 355<br />

denen Mo<strong>der</strong>ne hat Giddens <strong>in</strong> dem Band +Mo<strong>der</strong>nity and Self-Identity* (1991) näher heraus-<br />

gearbeitet, und hier kommt wie<strong>der</strong>um die Angst <strong>in</strong>s Spiel:<br />

In <strong>der</strong> traditionalen Gesellschaft konnte, wie schon oben erwähnt, Vertrauen noch unpro-<br />

blematisch vorausgesetzt werden. Basales Vertrauen war gegeben, da die Rout<strong>in</strong>en des Alltags<br />

zu e<strong>in</strong>er +ontologischen Sicherheit*, e<strong>in</strong>er tief (emotional) verwurzelten +Se<strong>in</strong>sgewißheit* verhalfen<br />

(vgl. S. 36ff.). Mit dem Entbettungsprozeß <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung – <strong>der</strong> gleichzeitig <strong>in</strong>dividuelle<br />

Freiräume schafft – wird diese ontologische Sicherheit jedoch untergraben. Die Rout<strong>in</strong>en<br />

werden s<strong>in</strong>nlos und +leer*, das Vertrauen erstarrt zunehmend, so daß die Bewegung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>en zwanghaften, neurotischen Charakter annimmt (vgl. auch Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> posttraditionalen<br />

Gesellschaft; S. 129ff. u. S. 166ff.). O<strong>der</strong> aber die traditionale Basis des Vertrauens wird durch<br />

die Wucht <strong>der</strong> Entbettungsprozesse ganz zerstört. An se<strong>in</strong>e Stelle tritt dann e<strong>in</strong>e existentielle<br />

Angst (vgl. Mo<strong>der</strong>nity and Self-Identity; S. 42ff. u. S. 182ff.).<br />

Diese Spannung zwischen verunsichern<strong>der</strong> Angst und Freiheit führt das (spät)mo<strong>der</strong>ne Selbst<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Reihe Dilemmata. Es ist zerrissen zwischen dem Universalismus <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne und<br />

Fragmentisierungen (unification vs. fragmentation), ist gleichzeitig mächtig und ohnmächtig<br />

(powerlessness vs. appropriation), wird von Expertensystemen normiert und erfährt trotzdem<br />

Unsicherheit (authority vs. uncerta<strong>in</strong>ty) – und es muß sich aktiv hervorbr<strong>in</strong>gen, bleibt <strong>in</strong> diesem<br />

schwierigen Identitätsbildungsprozeß jedoch <strong>in</strong> die beschränkenden Strukturen des Marktes<br />

e<strong>in</strong>gebunden (personalized vs. commodified experience) (vgl. ebd.; S. 187–201). Das gepe<strong>in</strong>igte<br />

Selbst <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne, das sich <strong>in</strong> diesem dilemmatischen Spannungsfeld bewegt, kann allerd<strong>in</strong>gs,<br />

gerade im Bewußtse<strong>in</strong> <strong>der</strong> Unsicherheit und <strong>der</strong> posttraditionalen Risiken, die +Dualität <strong>der</strong><br />

68<br />

Struktur(en)* auch positiv für sich nutzen und +lebenspolitische* Aktivitäten entfalten: Indem<br />

es die Entbettungserfahrungen aktiv <strong>in</strong> politische Handlungen umsetzt, die e<strong>in</strong> reflexives<br />

Selbstprojekt verfolgen und Fragen des <strong>in</strong>dividuellen Lebens wie des globalen Überlebens<br />

thematisieren (vgl. ebd.; Kap. 7 und siehe auch hier S. 56f. sowie Abschnitt 5.2).<br />

Ganz ähnlich (und doch <strong>in</strong> wichtigen Punkten verschieden) argumentiert Ulrich Beck <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

+Risikogesellschaft* (1986): Er betont hier, daß es durch die allgeme<strong>in</strong>e Wohlstandssteigerung<br />

<strong>in</strong> den +fortgeschrittenen* (Industrie-)Staaten und die gleichzeitig immer gravieren<strong>der</strong>en zivili-<br />

satorischen Gefährdungen, die die Industrialisierung als latente Nebenfolgen erzeugt, zu e<strong>in</strong>er<br />

Umstellung <strong>der</strong> Verteilungslogik gekommen ist: Soziale Konflikte drehen sich immer weniger<br />

um die Reichtumsverteilung (goods), son<strong>der</strong>n um die Vermeidung von Risiken (bads), die

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