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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 5: REFLEXIV-DEFLEXIVE MODERNISIERUNG UND DIE DIFFUSION DES POLITISCHEN 351<br />

Die ehemals +vere<strong>in</strong>zelte* Wurzellosigkeit (des Fremden) wird im Zuge <strong>der</strong> immer weiter<br />

voranschreitenden Mo<strong>der</strong>nisierung universell. Niklas Luhmann hat diesem Umstand e<strong>in</strong>en<br />

systemtheoretischen Ausdruck verliehen, <strong>in</strong>dem er klar macht, +daß bei funktionaler Differen-<br />

zierung die E<strong>in</strong>zelperson nicht mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em und nur e<strong>in</strong>em Subsystem <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

angesiedelt se<strong>in</strong> kann, son<strong>der</strong>n sozial ortlos vorausgesetzt werden muß* (zitiert nach ebd.;<br />

58<br />

S. 123). Aus dieser (angstvollen) Bedrohung durch die universelle +Heimatlosigkeit* (siehe<br />

auch unten, Berger et al.) entsteht aber gleichzeitig e<strong>in</strong>e Chance für reflexive Prozesse. Der<br />

Blick <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne auf sich +objektiviert* sich durch die <strong>in</strong>s Innen, <strong>in</strong> den +Kern*, das +Masse-<br />

zentrum* <strong>der</strong> Gesellschaft verlegte +Außenansicht* des <strong>in</strong> <strong>der</strong> (Fort-)Bewegung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne<br />

entfremdeten Bewußtse<strong>in</strong>s und setzt so kritische Potentiale frei (vgl. ebd.; S. 103–122 u. S.<br />

127ff.).<br />

Die Angst, die die Mo<strong>der</strong>ne treibt, treibt deshalb gleichzeitig aus ihr heraus – allerd<strong>in</strong>gs nur,<br />

wie ich zugleich betonen möchte, wenn die erzeugte Entfremdung auch tatsächlich als Ent-<br />

59<br />

fremdung empfunden und <strong>in</strong> diesem Empf<strong>in</strong>den negiert wird. Ansonsten droht die Potenzierung<br />

<strong>der</strong> Angst und e<strong>in</strong>e Fortsetzung <strong>der</strong> Fluchtbewegung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne auf den alten o<strong>der</strong> neuen<br />

Wegen. Damit die Untiefen des auf diesem Pfad liegenden (anti-)mo<strong>der</strong>nen +Fundamentalismus*<br />

60 61<br />

umschifft werden können, bedarf es e<strong>in</strong>es reflexiven Bewußtse<strong>in</strong>s (durch e<strong>in</strong> +starkes* Selbst).<br />

Denn die Angst muß (aktiv) gespiegelt werden, d.h. sie muß sich artikulieren können, um<br />

sich nicht – <strong>in</strong> Gewißheiten verdeckt – <strong>in</strong>s Maßlose zu steigern.<br />

E<strong>in</strong> solches, <strong>der</strong> <strong>in</strong> ihr +e<strong>in</strong>geschlossenen* Angst Aufmerksamkeit schenkendes, aber nicht<br />

von <strong>der</strong> Angst +vere<strong>in</strong>nahmtes* reflexives Projekt <strong>der</strong> (<strong>Post</strong>-)Mo<strong>der</strong>ne könnte sich <strong>in</strong> dem Versuch<br />

<strong>der</strong> sich selbst +objektivierenden* (Selbst-)Überschreitung (m<strong>in</strong>destens) auf zwei +alternative*<br />

Kulturen beziehen. Die e<strong>in</strong>e liegt – wenn man sich Stephen Toulm<strong>in</strong> anschließt – <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

Vergangenheit <strong>der</strong> (europäischen) Mo<strong>der</strong>ne. Denn die Mo<strong>der</strong>ne verlief für Toulm<strong>in</strong> schon<br />

immer <strong>in</strong> zwei Bahnen: Neben ihrer rationalistischen Hauptbewegung gab es den auf Toleranz<br />

gegründeten Humanismus <strong>der</strong> Renaissance <strong>in</strong> dem das Beson<strong>der</strong>e, Lokale und Zeitgebundene,<br />

wie bereits oben angemerkt wurde, noch se<strong>in</strong>en Platz hatte. Nur lei<strong>der</strong> wurde die entfaltete<br />

Toleranzkultur die Renaissance schließlich durch den Rationalismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachfolge Descartes’<br />

zurückgedrängt: +Die Kultur und Gesellschaft des europäischen 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts verän<strong>der</strong>te<br />

sich [durch Kriege, Glaubensause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen etc.] so, daß die Toleranz des Humanismus<br />

<strong>der</strong> Spätrenaissance zugunsten strengerer Theorien und anspruchsvollerer Anwendungen beiseite

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