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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 4: DER FALL +BSE* 305<br />

74<br />

(Beyond Beef; S. 52). So blieb es auch während <strong>der</strong> römischen Besatzung <strong>der</strong> britischen<br />

Insel und bis weit <strong>in</strong> die Gegenwart h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Es ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung zu machen:<br />

Auf dem täglichen Speiseplan fand sich R<strong>in</strong>d <strong>in</strong> früherer Zeit lediglich bei den Angehörigen<br />

<strong>der</strong> Adelsschicht, die es beson<strong>der</strong>s schätzte, weil se<strong>in</strong> Verzehr gemäß den damaligen Vor-<br />

stellungen Männlichkeit und Stärke zu geben versprach. Doch selbst noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuzeit<br />

waren Ansichten wie die folgende durchaus verbreitet: +You f<strong>in</strong>d more courage among those<br />

who eat their fill of flesh than among those who make shift with lighter foods.* (Zitiert nach<br />

ebd.; S. 53)<br />

Aufgrund solcher, tief im +kollektiven Bewußtse<strong>in</strong>* verankerter Vorstellungen konsumierte<br />

man beson<strong>der</strong>s im mittelalterlichen England wahre Unmengen R<strong>in</strong>dfleisch und demonstrierte<br />

so auch se<strong>in</strong>en sozialen Rang und se<strong>in</strong>en Wohlstand (vgl. auch Montanari: The Culture of<br />

Food; S. 75). König Edward II. hatte sich 1283 gar genötigt gesehen, die Zahl <strong>der</strong> zulässigen<br />

Fleischgänge (je nach Stand) zu regeln. Die Masse <strong>der</strong> Armen war jedoch, wie schon oben<br />

angemerkt, ohneh<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>e durch ihre mangelnden f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten vom karnivoren<br />

+R<strong>in</strong><strong>der</strong>kult* ausgeschlossen. So mußte man auf das (billigere) +white meat* ausweichen:<br />

Milchprodukte wie Käse und Butter (aber auch Geflügelfleisch). Erst Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

konnten sich durch die allgeme<strong>in</strong>e Wohlstandssteigerung auch Arbeiterfamilien immer häufiger<br />

R<strong>in</strong>dfleisch leisten. Diese (allerd<strong>in</strong>gs schon früher e<strong>in</strong>setzende) Ausweitung des R<strong>in</strong>dfleisch-<br />

konsums machte es selbstverständlich notwendig, auch die R<strong>in</strong><strong>der</strong>haltung auszudehnen, um<br />

die Nachfrage zu befriedigen. Doch da die Weideflächen begrenzt waren, mußte immer<br />

mehr R<strong>in</strong>d aus Schottland und Irland e<strong>in</strong>geführt werden. Später kam diese Rolle als Fleisch-<br />

lieferanten zu e<strong>in</strong>em großen Anteil den (ehemaligen) Überseekolonien USA, Australien und<br />

Neuseeland zu. (Vgl. Beyond Beef; S. 54f.)<br />

Der +ökonomische Fahrstuhleffekt* führte also, wie <strong>in</strong> Anlehnung an Beck formuliert werden<br />

kann, zunächst zu e<strong>in</strong>er Angleichung <strong>der</strong> Konsumgewohnheiten, und zwar <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />

Übernahme von Ernährungsgewohnheiten aus <strong>der</strong> Adelsschicht. Zunächst griff die ausgeprägte<br />

Vorliebe für R<strong>in</strong>dfleisch auf bürgerliche Kreise über, später wollte selbst die +Unterklasse*<br />

nicht auf ihr tägliches Stück R<strong>in</strong>d verzichten. Um diese, ganz dem +klassischen* Zivilisations-<br />

Modell von Elias entsprechende egalisierende vertikale Diffusion und Expansion <strong>der</strong> adligen<br />

Ernährungsmuster nach unten zu erklären (siehe zu Elias auch S. XXXV), genügt es jedoch<br />

nicht, alle<strong>in</strong>e auf den +Fahrstuhleffekt* h<strong>in</strong>zuweisen. Die bloße Tatsache, daß man sich R<strong>in</strong>d-

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