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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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272 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

4 DER FALL +BSE*: VON UNGLÜCKLICHEN KÜHEN UND EINER<br />

VERUNGLÜCKTEN BINNENMARKTPOLITIK<br />

+Betroffen waren zunächst ansche<strong>in</strong>end nur Milchr<strong>in</strong><strong>der</strong>. Hochbe<strong>in</strong>iger, staksiger Gang fiel auf <strong>der</strong> Weide<br />

auf; manche standen untypisch – wie Pferde – vom Boden auf, an<strong>der</strong>e spielten mit den Ohren wie<br />

beunruhigte Esel, leckten sich fast zwanghaft das Maul o<strong>der</strong> die Flanken, scheuerten den Kopf an Gegen-<br />

ständen o<strong>der</strong> kratzten sich mit den Klauen die H<strong>in</strong>terbe<strong>in</strong>e. Ärgerlich für die Landwirte war, daß manche<br />

übernervösen Kühe sogar bissen o<strong>der</strong> die Melkanlagen demolierten. Und abwechselnd mit ihrer Aggressivität<br />

waren sie plötzlich ängstlich <strong>in</strong> altbekannten Situationen, aber auch gegenüber ihnen bekannten Menschen<br />

[…]* (Köster-Lösche: R<strong>in</strong><strong>der</strong>wahns<strong>in</strong>n; S. 11) 1<br />

Der Grund für dieses merkwürdige Verhalten (wie <strong>der</strong> Titel des oben zitierten Buches erahnen<br />

läßt): +R<strong>in</strong><strong>der</strong>wahns<strong>in</strong>n*. Doch welche Verrücktheit, welcher Wahn könnte es se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> die<br />

e<strong>in</strong>st angeblich so glücklichen Kühe befallen hat? Es muß sich hier jedenfalls um e<strong>in</strong>e seltsame<br />

(Ab-)Art des Wahns<strong>in</strong>ns handeln. Denn <strong>der</strong> Wahns<strong>in</strong>n ist, um mit Foucault zu sprechen, das<br />

An<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Vernunft: Wo dieses An<strong>der</strong>e, dem e<strong>in</strong>mal – <strong>in</strong> +dunkler* Vergangenheit – gar<br />

die Fähigkeit zugesprochen worden war, verborgene Wahrheiten kund zu tun, hervorbrach,<br />

wurde es, als die Vernunft noch nicht so fest wie heute im Sattel saß, e<strong>in</strong>gesperrt, von den<br />

Bildfläche verbannt, da diese den Anblick ihres eigenen Scheiterns, ihres Versagens nicht<br />

ertragen konnte. Später, als man sich <strong>der</strong> eigenen Vernünftigkeit vergewissert hatte, ließ sich<br />

<strong>der</strong> Versuch wagen, mit den Mitteln <strong>der</strong> Vernunft an die +Heilung* des Wahns<strong>in</strong>ns – zum<strong>in</strong>dest<br />

se<strong>in</strong>er +milden* Formen – zu gehen. Die Psychoanalyse ist das beste Beispiel für dieses Bestreben.<br />

Erst wenn dem Patienten <strong>der</strong> (Un-)S<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>es (wahns<strong>in</strong>nigen) Denkens und Tuns bewußt<br />

wird, ergibt sich die Möglichkeit zur erfolgreichen Therapie. Nur wer vernünftig ist, kann<br />

wahns<strong>in</strong>nig werden, und nur wer e<strong>in</strong>en Rest von Vernunft bewahrt hat, kann vom Wahn<br />

geheilt werden. (Vgl. z.B. Wahns<strong>in</strong>n und Gesellschaft sowie Die Ordnung des Diskurses; S.<br />

8ff. und siehe auch hier S. XXXVI)<br />

Da aber e<strong>in</strong>e Kuh (zum<strong>in</strong>dest <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Auffassung nach) nicht vernünftig ist, so kann<br />

sie wohl kaum wahns<strong>in</strong>nig werden. Und e<strong>in</strong>e Heilung ist deshalb beim R<strong>in</strong><strong>der</strong>wahns<strong>in</strong>n, <strong>der</strong>

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