Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
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268 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE erzeugte Probleme wiederum technisch zu lösen. Das Dilemma einer derartigen technologischen Deflexion besteht in der möglichen +Produktion* neuer Risiken. Aber auch der sich potentiell entfaltende reflexive Protest ist nicht eindeutig zu beurteilen, da er – wenn er nicht +radikal* genug ist – nur eine reflexiv-deflexive Risikospirale in Gang setzt, d.h. Anpassungen des Systems initiiert, die die Risikodimension (unintendiert) erhöhen. Eine deflexive +Milderung* der Radikalität von reflexivem Protest gelingt durch die angesprochenen, in sich ambivalenten technologischen +Lösungsversuche*, die den Protest (praxologisch) befrieden können. Und sie gelingt (ideologisch) durch den Rückgriff auf die (Legitimations-)Ressource Wissenschaft. Allerdings wird dieser Rückgriff auf Wissenschaft (wie bereits in Abschnitt 2.2 angedeutet wurde) für die Politik immer problematischer, denn erstens betreibt Wissenschaft eine Selbstentzauberung durch die wissenschaftstheoretische Hinterfragung ihrer Wahrheitsansprüche, und zweitens trägt der deflexive und trivialisierende Gebrauch von Wissenschaft zu ihrer Delegitimierung bei. Auch kann eine zu stark verwissenschaftlichte Politik die durch Verrechtlichungsprozesse ausgelöste Entfremdung vom Publikum noch verstärken, womit sich das technologisch- wissenschaftliche Dilemma, ebenso wie die anderen dargestellten Dilemmata, als hoch komplex erweist. • In Abschnitt 3.4 wurde das Dilemma von Präsentation und Repräsentation, aufbauend auf den Erörterungen in Anschnitt 2.4, dargelegt: Symbolische Politik ermöglicht in der industriellen Massengesellschaft mit ihrer Massen(medien)öffentlichkeit dramaturgische Deflexion. Der politische Rückgriff auf +Symbolwelten* ist dabei ein fast zwangsläufiger Effekt der erfolgten Komplexitätssteigerung: Inhalte können aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr inhaltlich, sondern nur noch symbolisch dargestellt werden, weshalb die Politik (die selbst kaum noch die komplexe Welt durchschauen kann) weniger +aufklärt*, als (sich) inszeniert. Aus Volks- repräsentanten werden so Darsteller, und der politische Gehalt reduziert sich infolge der (erzwungenen) Anpassung an die Mediensemantik – was allerdings zu einem gewissen Grad durchaus vom beobachtenden Publikum wahrgenommen wird und sich wiederum in Entfrem- dungserscheinungen und Legitimitätsentzug äußern kann. Zudem sind die Medienvertreter (auf die die Politik für ihre Selbstdarstellungen angewiesen ist und die umgekehrt auf die Politik als wichtigen Berichterstattungsgegenstand angewiesen sind) selbst Akteure, die +Realität* konstruieren, die politische Agenda (mit)bestimmen und manchmal auch – insoweit sie auch Akteure des ökonomischen Systems sind – in einen Interessengegensatz zur Politik geraten.
KAP. 3: DIE ANTINOMIEN +KLASSISCHER* POLITIK IN DER GLOBALEN RISIKOGESELLSCHAFT 269 Aber selbst wenn man von dieser Problematik einer latent antagonistischen Symbiose absieht: Mit dem sich abzeichnenden (neuerlichen) Strukturwandel der (Medien-)Öffentlichkeit wird dramaturgische Deflexion für die Politik immer schwieriger. Denn die verstärkte Interaktivität der neuen Medien läßt den invasiven und hierarchischen Charakter des Öffentlichkeitssystems, der den politischen Inszenierungen entgegen kam, zurücktreten. Darüber hinaus werden die Medienangebote wie auch die Mediennutzung immer +individualisierter*. Die diffuse und fragmentisierte Öffentlichkeit der neuen Medienwelten ist damit für die Politik immer schwerer zu kalkulieren, und sie steht vor dem Problem, wie sich die Massen zukünftig erreichen und manipulieren lassen. • Im vorangegangenen Abschnitt 3.5 wurde schließlich das eng mit dem Dilemma von Präsen- tation und Repräsentation in Zusammenhang stehende politische Dilemma der Individualisierung herausgearbeitet, das (grob vereinfacht) darin besteht, daß mit kultureller und sozialstruktureller Individualisierung politische +Einheitsstiftung* immer schwieriger wird und insbesondere dann anomische Reaktionen zu erwarten sind, wenn dem Individualisierungsprozeß die ökonomische Basis wegbricht. All die hier kurz zusammengefaßten Dilemmata sollen nun (auch in ihren Bezügen untereinander) anhand der Betrachtung der politischen Bearbeitung der BSE-Krise näher veranschaulicht werden – wobei es aber zu beachten gilt, daß dieses Fallbeispiel sich natürlich nicht zur Herausarbeitung sämtlicher dilemmatischer Aspekte von Politik in der globalen Risikogesellschaft gleichermaßen gut eignet.
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Aber selbst wenn man von dieser Problematik e<strong>in</strong>er latent antagonistischen Symbiose absieht:<br />
Mit dem sich abzeichnenden (neuerlichen) Strukturwandel <strong>der</strong> (Medien-)Öffentlichkeit wird<br />
dramaturgische Deflexion für die <strong>Politik</strong> immer schwieriger. Denn die verstärkte Interaktivität<br />
<strong>der</strong> neuen Medien läßt den <strong>in</strong>vasiven und hierarchischen Charakter des Öffentlichkeitssystems,<br />
<strong>der</strong> den politischen Inszenierungen entgegen kam, zurücktreten. Darüber h<strong>in</strong>aus werden<br />
die Medienangebote wie auch die Mediennutzung immer +<strong>in</strong>dividualisierter*. Die diffuse<br />
und fragmentisierte Öffentlichkeit <strong>der</strong> neuen Medienwelten ist damit für die <strong>Politik</strong> immer<br />
schwerer zu kalkulieren, und sie steht vor dem Problem, wie sich die Massen zukünftig erreichen<br />
und manipulieren lassen.<br />
• Im vorangegangenen Abschnitt 3.5 wurde schließlich das eng mit dem Dilemma von Präsen-<br />
tation und Repräsentation <strong>in</strong> Zusammenhang stehende politische Dilemma <strong>der</strong> Individualisierung<br />
herausgearbeitet, das (grob vere<strong>in</strong>facht) dar<strong>in</strong> besteht, daß mit kultureller und sozialstruktureller<br />
Individualisierung politische +E<strong>in</strong>heitsstiftung* immer schwieriger wird und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dann<br />
anomische Reaktionen zu erwarten s<strong>in</strong>d, wenn dem Individualisierungsprozeß die ökonomische<br />
Basis wegbricht.<br />
All die hier kurz zusammengefaßten Dilemmata sollen nun (auch <strong>in</strong> ihren Bezügen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>)<br />
anhand <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> politischen Bearbeitung <strong>der</strong> BSE-Krise näher veranschaulicht<br />
werden – wobei es aber zu beachten gilt, daß dieses Fallbeispiel sich natürlich nicht zur<br />
Herausarbeitung sämtlicher dilemmatischer Aspekte von <strong>Politik</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> globalen Risikogesellschaft<br />
gleichermaßen gut eignet.