Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
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256 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE stellen sie ihn in Frage, sind Informationsquellen, Analysten, Vermittler und Konstrukteure von Realität zugleich (vgl. Timescapes of Modernity; Kap. 5) – und untergraben gerade in letztgenannter +Funktion* die politische Definitionsmacht. Weiterhin läßt sich ein latenter Interessengegensatz von Medien und Politik unterstellen. Als Teile des ökonomischen Systems (d.h. wenn es sich nicht um staatliche, sondern +private* Medien handelt) sind sie alleine oder doch zumindest überwiegend dem (kurzfristigen) Kapitalinteresse verpflichtet, während die Politik neben der Selbstreproduktion ihres Subsystems auch den allgemeinen Systemerhalt im Auge haben muß/sollte. In diesem doppelten Interesse versucht die Politik, die Medien für ihre Selbstdarstellungen zu instrumentalisieren (und als Instrumente werden sie von der Politik deshalb auch benötigt). Die Medien wenden sich jedoch mit ihren +Enthüllungen* manchmal auch gegen die Politik. In Anlehnung an Richard Münchs bereits dargelegte Argumen- tation (siehe S. 174f.) muß allerdings eingeschränkt werden, daß dadurch das System insgesamt nicht unbedingt in Frage gestellt, sondern eher stabilisiert wird. Doch wie auch immer: Selbst ein nur partieller (Ziel-)Konflikt mit der +Medienwelt* macht die politische Inszenierung problematisch und risikobehaftet für die Politik, die zudem immer mehr unter Kommunikations- und Darstellungszwänge gerät (vgl. auch ders. Dynamik der Kommunikationsgesellschaft; S. 82–93). Das Risiko und vor allem der zu erbringende +Einsatz* bei der dramaturgischen Deflexion erhöht sich noch weiter mit der in Abschnitt 2.4. beschriebenen (sich aktuell abzeichnenden) Transformation der industriegesellschaftlichen Massenöffentlichkeit zu einer eher diffusen, fragmentisierten und interaktiven öffentlichen Mediensphäre (siehe S. 177–184). Erstens macht die zu erwartende fortschreitende Pluralisierung der Formate die politische Adaption aufwendiger und schwieriger. Zudem ist immer unklarer, wer wie und durch welche Medien erreichbar ist, wenn nicht gar eine totale Individualisierung und Unberechenbarkeit der Mediennutzung infolge des diversifizierten Angebots eintritt. Dramaturgische Deflexion läuft so zwangsläufig Gefahr zu scheitern, während sie andererseits ineffizienter zu werden droht. Und auch die Konkurrenz auf der Seite der Darsteller nimmt durch globale Vernetzung und den (aktuell) vergleichsweise geringen technischen Aufwand für eine Präsenz in neuen Medien wie dem Internet zu, was einerseits staatliche Kontrolle erschwert und andererseits den hierarchischen Charakter der Öffentlichkeit zurücktreten läßt, der wiederum der (+offiziellen*) politischen 69 Inszenierung entgegenkam. Mit der Interaktivität vieler neuer Medien wird die in dieser
KAP. 3: DIE ANTINOMIEN +KLASSISCHER* POLITIK IN DER GLOBALEN RISIKOGESELLSCHAFT 257 Hinsicht ebenfalls für die Politik funktionale strikte Abgrenzung zwischen Akteuren und Publikum hinfällig. Welches Fazit läßt sich also abschließend ziehen? – Die politische Medieninszenierung war und ist für die Politik ein wichtiges Mittel zur Selbstdarstellung, wobei Medien und Politik häufig zusammenwirken, aber auch antagonistische Momente zum Tragen kommen. Die Politik muß für ihre +symbolische* Anpassung an das Medienformat, die ihr Ablenkung von Protest und öffentliche Legitimation ermöglicht, allerdings in jedem Fall den Preis eines Verlusts an politischen Inhalten und an Handlungsmöglichkeiten in Kauf nehmen. Wird ihr +Spiel* durchschaut, droht ihr sogar umgekehrt Legitimitätsentzug. Und selbst wenn die politische Inszenierung +funktioniert*, hat symbolische Politik zur Folge, daß der repräsentative Charakter der Politik zugunsten der Präsentation zurücktritt. Das Volk (und seine Interessen) werden nicht vertreten (wie es zumindest die +offizielle* Ideologie repräsentativer Demokratie fordert), sondern die Volksvertretung präsentiert sich (im Interesse ihres Machterhalts). Dieses umgekehrte Verhältnis von Präsentation und Repräsentation resultiert daraus, daß die Struktur der öffentlichen Kommunikation in der Mediengesellschaft auf die Struktur der politischen Beziehungen (d.h. das Verhältnis von Vertretern und Vertretenen) rückwirkt. Repräsentation ist (durch den gewählten politischen Reproduktionsmechanismus der politischen Wahl) daran gebunden, daß dem Publikum (das vertreten werden soll) die eigene Kompetenz dargestellt werden kann – womit die Möglichkeiten zur Darstellung die Chancen der Repräsentanten bestimmen. 70 Was aber passiert, wenn es infolge eines neuerlichen +Strukturwandels der Öffentlichkeit* zu einer Pluralisierung und Fragmentisierung des Mediensystems kommt, welche die Plurali- sierungs- und Fragmentisierungsprozesse im Bereich der Kultur und Sozialstruktur (siehe Abschnitt 2.5) spiegelt? – Ein solches Öffentlichkeitssystem wäre (wie oben ausgeführt) für die Politik und ihre Inszenierungen weit schwieriger zu kalkulieren und zu instrumentalisieren. Und diese Transformation würde sicherlich auch neue Fragen zum Verhältnis von Politik und (Wähler-)Publikum aufwerfen. So verweist das beschriebene Dilemma von Präsentation und Repräsentation – das hier nur relativ knapp dargelegt wurde, dafür aber in Abschnitt 4.4 umso intensiver bezogen auf das Fallbeispiel +BSE* herausgearbeitet werden soll – indirekt auf das im folgenden behandelte politische Dilemma der Individualisierung.
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H<strong>in</strong>sicht ebenfalls für die <strong>Politik</strong> funktionale strikte Abgrenzung zwischen Akteuren und Publikum<br />
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Welches Fazit läßt sich also abschließend ziehen? – Die politische Medien<strong>in</strong>szenierung war<br />
und ist für die <strong>Politik</strong> e<strong>in</strong> wichtiges Mittel zur Selbstdarstellung, wobei Medien und <strong>Politik</strong><br />
häufig zusammenwirken, aber auch antagonistische Momente zum Tragen kommen. Die<br />
<strong>Politik</strong> muß für ihre +symbolische* Anpassung an das Medienformat, die ihr Ablenkung von<br />
Protest und öffentliche Legitimation ermöglicht, allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> jedem Fall den Preis e<strong>in</strong>es Verlusts<br />
an politischen Inhalten und an Handlungsmöglichkeiten <strong>in</strong> Kauf nehmen. Wird ihr +Spiel*<br />
durchschaut, droht ihr sogar umgekehrt Legitimitätsentzug. Und selbst wenn die politische<br />
Inszenierung +funktioniert*, hat symbolische <strong>Politik</strong> zur Folge, daß <strong>der</strong> repräsentative Charakter<br />
<strong>der</strong> <strong>Politik</strong> zugunsten <strong>der</strong> Präsentation zurücktritt. Das Volk (und se<strong>in</strong>e Interessen) werden<br />
nicht vertreten (wie es zum<strong>in</strong>dest die +offizielle* Ideologie repräsentativer Demokratie for<strong>der</strong>t),<br />
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Verhältnis von Präsentation und Repräsentation resultiert daraus, daß die Struktur <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Kommunikation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediengesellschaft auf die Struktur <strong>der</strong> politischen Beziehungen (d.h.<br />
das Verhältnis von Vertretern und Vertretenen) rückwirkt. Repräsentation ist (durch den gewählten<br />
politischen Reproduktionsmechanismus <strong>der</strong> politischen Wahl) daran gebunden, daß dem<br />
Publikum (das vertreten werden soll) die eigene Kompetenz dargestellt werden kann – womit<br />
die Möglichkeiten zur Darstellung die Chancen <strong>der</strong> Repräsentanten bestimmen. 70<br />
Was aber passiert, wenn es <strong>in</strong>folge e<strong>in</strong>es neuerlichen +Strukturwandels <strong>der</strong> Öffentlichkeit*<br />
zu e<strong>in</strong>er Pluralisierung und Fragmentisierung des Mediensystems kommt, welche die Plurali-<br />
sierungs- und Fragmentisierungsprozesse im Bereich <strong>der</strong> Kultur und Sozialstruktur (siehe Abschnitt<br />
2.5) spiegelt? – E<strong>in</strong> solches Öffentlichkeitssystem wäre (wie oben ausgeführt) für die <strong>Politik</strong><br />
und ihre Inszenierungen weit schwieriger zu kalkulieren und zu <strong>in</strong>strumentalisieren. Und<br />
diese Transformation würde sicherlich auch neue Fragen zum Verhältnis von <strong>Politik</strong> und<br />
(Wähler-)Publikum aufwerfen. So verweist das beschriebene Dilemma von Präsentation und<br />
Repräsentation – das hier nur relativ knapp dargelegt wurde, dafür aber <strong>in</strong> Abschnitt 4.4 umso<br />
<strong>in</strong>tensiver bezogen auf das Fallbeispiel +BSE* herausgearbeitet werden soll – <strong>in</strong>direkt auf das<br />
im folgenden behandelte politische Dilemma <strong>der</strong> Individualisierung.