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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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250 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

an sozialem Ansehen, das schließlich genau auf <strong>der</strong> Fiktion ihrer Objektivität beruht). Dabei<br />

kann es sogar so weit kommen, daß die öffentliche Konfliktdynamik durch sich wi<strong>der</strong>sprechende<br />

Expertisen noch angefacht wird. Das hat Dorothy Nelk<strong>in</strong> mit ihrer bereits <strong>in</strong> Abschnitt 2.3<br />

erwähnten Analyse <strong>der</strong> Konflikte um den Bau e<strong>in</strong>es Atomkraftwerks am Cayuga Lake und<br />

um die Erweiterung des Bostoner Flughafens sehr e<strong>in</strong>drücklich aufgezeigt. Sie stellt hier dar,<br />

wie wissenschaftliche Kontroversen als direkter Stimulus für (sub)politischen Protest wirken.<br />

Alle<strong>in</strong>e die Tatsache <strong>der</strong> Une<strong>in</strong>igkeit <strong>der</strong> Gutachter verstärkte nämlich <strong>in</strong> den von ihr untersuchten<br />

Fällen das öffentliche Mißtrauen. Mit <strong>der</strong> eigenen Haltung konforme wissenschaftliche Aussagen<br />

wurden dagegen als +moralischer Support* aufgefaßt – wobei die Akteure jedoch zugleich<br />

betonten, daß die Konfliktlösung aus ihrer Sicht ke<strong>in</strong>esfalls alle<strong>in</strong>e von wissenschaftlich-<br />

technischen Argumenten abh<strong>in</strong>ge (vgl. The Political Impact of Technical Expertise; S. 199ff.).<br />

So äußerte e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Betroffenen im Fall des umstrittenen Kraftwerkbaus:<br />

+To say that our future is out of our hands and entrusted to scientists and technicians is an arrogant<br />

assumption […] We suggest that the op<strong>in</strong>ions of area residents who care deeply about their environment<br />

and its future are of equal if not greater importance.* (Jane Rice im Ithaca Journal vom 14.5.1973, zitiert<br />

nach ebd.; S. 200)<br />

Auch deshalb möchte ich deutliche Zweifel an <strong>der</strong> Sicht Wolfgang van den Daeles anmelden,<br />

<strong>der</strong> im zwar nicht naiven, doch weitgehend anachronistischen Vertrauen auf die Macht des<br />

vernünftigen Diskurses behauptet:<br />

+Im Diskurs stellen Experten und Gegenexperten geme<strong>in</strong>sam die Differenzierungen wie<strong>der</strong> her, die <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Expertenkritik e<strong>in</strong>gerissen werden (zwischen Wissen und Interessen, zwischen Tatsachen und Werten),<br />

und sie <strong>in</strong>tegrieren Wissenskonzepte, zwischen denen Inkommensurabilität behauptet wird (Alltagswissen<br />

und Wissenschaft, unterschiedliche Diszipl<strong>in</strong>en). Im Ergebnis rehabilitiert <strong>der</strong> [wissenschaftliche] Diskurs<br />

sowohl die Idee <strong>der</strong> objektiven Erkenntnis als auch die Zuständigkeit <strong>der</strong> Wissenschaft als Kontroll<strong>in</strong>stanz<br />

für empirische Behauptungen.* (Objektives Wissen als politische Ressource; S. 301)<br />

Was hier von van den Daele implizit negiert wird, ist <strong>der</strong> notwendig politische Charakter<br />

von politischen Entscheidungen, <strong>der</strong> sich nicht auf +technische* Fragen reduzieren läßt. Im<br />

Expertendiskurs werden politische Konflikte auf die Ebene von wissenschaftlichen Sachaussagen<br />

transformiert, bleiben aber natürlich ihrem Charakter nach trotzdem politisch (d.h. sie betreffen<br />

das soziale Zusammenleben und unterliegen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen, subjektiven Willensentscheidung),

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